Immer noch dümpelt das Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GVSG) vor sich hin – ein Unding für den Hausärztinnen- und Hausärzteverband. “Wir müssen maximal Druck machen, damit es überhaupt kommt”, warnte Prof. Nicola Buhlinger-Göpfarth, Co-Bundesvorsitzende des Verbandes beim 45. Hausärztinnen- und Hausärztetag Mitte September in Berlin.
Das Gesetz wandere in der Prioritätenliste der Ampelkoalition immer weiter nach unten. Das GVSG sei das wichtigste Anliegen der Hausärztinnen und Hausärzte, es müsse noch in dieser Legislatur kommen. Dabei seien allerdings nach wie vor Anpassungen am Gesetz notwendig – insbesondere bei der konkreten Ausgestaltung der Entbudgetierung, so Buhlinger-Göpfarth weiter. Damit das GVSG die gewünschte Wirkung für die Hausarztpraxen entfaltet, stellte Buhlinger-Göpfarth vier Forderungen auf:
- Eine Entbudgetierung etablieren, bei der dafür gesorgt wird, dass alle hausärztlichen Leistungen voll bezahlt werden – nicht nur die aus dem EBM-Kapitel 3 sowie die Hausbesuche.
- Die HZV-Fälle müssen bei der Vorhaltepauschale berücksichtigt werden.
- Eine Bonifizierung der HZV. Das können 30 Euro sein (wie im Referentenentwurf) oder die Aufnahme der HZV in das Bonusprogramm der Kassen.
- Die Einführung eines Patienten-Praxis-Kontakts: Die hausärztliche Versorgung der Zukunft ist Teamarbeit.
Sollte die Entbudgetierung nicht kommen, würde in vielen Praxen bald das Licht ausgehen, warnte Buhlinger-Göpfarth. Hausärztinnen und Hausärzte in Berlin und Hamburg, aber auch in immer weiteren Regionen litten unter der Budgetierung und müssten mit Fallwerten leben, mit denen ihre Praxen nicht mehr betriebswirtschaftlich geführt werden könnten.
Hausärztliche Versorgung durch Kliniken? Eine “Illusion”
Das GVSG ist das wichtigste Gesetz, stimmte Dr. Markus Beier, Co-Bundesvorsitzender des Verbandes, zu, allerdings gebe es noch mehr Baustellen, wie etwa die Krankenhausreform. Die Idee, dass die Kliniken Lücken in der hausärztlichen Versorgung schließen könnten, sei eine Illusion, erklärte Beier.
Im Gegenteil – die Kliniken, die dann ein Auge auf die hausärztliche Versorgung werfen würden, seien solche aus Ballungsgebieten. Diese würden dann keine umfassende hausärztliche Versorgung anbieten (wie etwa Palliativversorgung, Hausbesuche etc.), sondern unpersönliche Versorgung nach Schema F. Die Gefahr von Rosinenpickerei sei groß.
Die Folge sei klar: Die übrig gebliebenen Hausarztpraxen bekämen noch mehr zu tun, da sie die Lücken der Kliniken schließen müssten. Dieser Part, forderte Beier, müsse aus dem Gesetz gestrichen werden!
Paradebeispiel für Ressourcenverschwendung
Ein weiteres Paradebeispiel für Ressourcenverschwendung sei das Gesunde-Herz-Gesetz. Jenseits der Evidenz werde versucht, massenweise Screenings durchzuführen oder vorzuschreiben, wann Medikamente zu verordnen sind.
Dank der Interventionen des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes und anderer Akteure sei die Rolle des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) im Kabinettsentwurf deutlich gestärkt worden. Auch eine staatlich festgelegte Grenze, wann Statine zu verordnen sind, werde es nicht geben. Es gibt deshalb Hoffnung, dass das Gesunde-Herz-Gesetz noch weiter verändert werden kann, sagte Beier.
Bezüglich der Einführung der elektronischen Patientenakte (E-PA) zeigte sich Beier besorgt. Dabei seien die Hausärztinnen und Hausärzte die ersten gewesen, die der Einführung der E-PA gegenüber offen gewesen waren. Jetzt sei zu befürchten, dass nur ein Bruchteil der Praxisverwaltungssysteme die eh schon niedrigen Standards der E-PA erfüllen würden. Dabei hätten die Praxen keine Ressourcen frei, um sich mit den Fehlern der E-PA zu beschäftigen – schon gar nicht während der Infektsaison.
Masterplan Medizinstudium: Machen statt meckern
Erneut erinnerte Beier außerdem an den Masterplan Medizinstudium 2020, der die hausärztlichen Delegierten bat: Wenn Landespolitiker sich beschweren, dass bei ihnen die hausärztliche Versorgung wegbricht, sollen sie daran erinnert werden, die Umsetzung des Masterplans nicht mehr weiter zu verhindern.
Buhlinger-Göpfarth warnte auch vor der schleichenden Aushöhlung der Honorartrennung zwischen Haus- und Gebietsärzten. Immer mehr hausärztliche Sitze würden besetzt, ohne dass dort hausärztliche Versorgung stattfinde. Die KVen, forderte Buhlinger-Göpfarth, müssten dafür sorgen, dass auf Hausarztsitzen auch hausärztliche Versorgung stattfinde.
Neues Projekt: Team-Infektsprechstunde
Angesichts des mageren Abschlusses der Honorarverhandlungen von 3,85 Prozent mahnte Beier: “Wir haben nur eine Chance, nämlich die HZV auszubauen.” Im Übrigen habe der Verband viele innovative Projekte auf den Weg gebracht. Erst gerade habe das Institut für hausärztliche Fortbildung (IHF) mit der Teamgestützten Infektsprechstunde (TISS) das Teampraxismodell mit Leben gefüllt.
Hier würden nichtärztliche Fachkräfte größtenteils eigenständig die Infektsprechstunde durchführen und damit die Ärztinnen und Ärzte entlasten. Projekte mit Strahlkraft seien auch die VERAH oder der Werkzeugkasten für junge Kolleginnen und Kollegen, der gerade sein zehnjähriges Jubiläum gefeiert habe.
Für die kommenden Bundestagswahlen erklärten Beier und Buhlinger-Göpfarth: “Wir müssen mehr in diesen Wahlprogrammen mit unseren hausärztlichen Themen und der Förderung der hausarztzentrierten Versorgung erscheinen!” Und das GVSG müsse noch in dieser Legislatur auf den Weg gebracht werden. Diese Forderung bekräftigte die Delegiertenversammlung mit einem einstimmig angenommenen Leitantrag (S. 21). •red
NVL bald unter dem Dach des Zi?
Bei den Diskussionen um die Fortführung der NationalenVersorgungsleitlinien (NVL) scheint eine Lösung gefunden worden zu sein. “Es sieht so aus, dass die NVL unter dem Dach des Zentralinstituts der kassenärztlichen Versorgung (Zi) fortgeführt werden”, kündigte Dr. Markus Beier, Co-Bundesvorsitzender des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes am Donnerstag (19.9.) an.
Bei der Frühjahrstagung des Verbandes im letzten Jahr bzw. dem Ärztlichen Zentrum für Qualität in der Medizin (ÄZQ) (siehe dazu auch hausarzt.link/xW8FF). “Danke an alle, die mitgekämpft haben”, so Beier weiter. Nach wie vor sei die Finanzierung aber noch offen.
Lauterbach verspricht: GVSG wird kommen
Auch Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach (SPD) war beim Gesellschaftsabend des 45. Hausärztinnen- und Hausärztetages zu Gast. In seiner Rede am Festabend betonte er: “Sie können sich darauf verlassen – das GVSG wird kommen.” Die Verbesserungen für Hausärztinnen und Hausärzte stünden nicht zur Diskussion.
red