Mainz. „Es ist schwer zu ertragen, was letzte und diese Woche auf uns eingeprasselt ist“, sagte Dr. Markus Beier, Bundesvorsitzender des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes bei der Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV-VV) am Montag (6.5.).
Beier spielte dabei auf die massiven Widerstände einiger Krankenkassen in Zusammenhang mit der Anhörung im Bundesgesundheitsministerium zu den Entwürfen zum Gesetz zur Stärkung der Gesundheitsversorgung in den Kommunen (GVSG) und der Klinikreform (KHVVG) an.
Hierzu hatte auch der Hausärztinnen- und Hausärzteverband die noch nötigen Anpassungen im GVSG-Entwurf in einer Stellungnahme deutlich skizziert und eigene Gestaltungsvorschläge unterbreitet. Er weist zudem darauf hin, dass es an einigen Stellen darauf ankommt, dass der Bewertungsausschuss auch seinen Gestaltungsspielraum im Sinne der Hausärztinnen und Hausärzte nutzt. In den Gesetzentwurf sind unter anderem sieben Forderungen des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes eingeflossen.
Bloß nicht nur umverteilen
Die hausärztliche Entbudgetierung, sagte Dr. Stephan Hofmeister, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der KBV, sei richtig und überfällig. Mit politischem Willen ließen sich auch noch offene Details klären. So müsste beispielsweise im Gesetzestext selbst und nicht nur in der Begründung klargestellt werden, dass auch Hausbesuche entbudgetiert werden müssten.
Bei der Entbudgetierung sei vor allen Dingen wichtig, sagte Hofmeister weiter, dass nicht nur vorhandene Mittel umverteilt würden. Der GVSG-Entwurf sehe jedoch bislang keine zusätzlichen Mittel vor.
Die KBV-Vertreterversammlung stimmte mehrheitlich für den Antrag, die im Referentenentwurf zum GVSG enthaltene Budgetierung der Hausärztinnen und -ärzte mit einigen Anpassungen durchzuführen.
Kriterien für die Vergütungsreform
Bei der geplanten Versorgungspauschale für chronisch Kranke und der Vorhaltepauschale, die ebenfalls im GVSG-Entwurf enthalten sind, müsse allerdings sichergestellt werden, dass die Hausarztpraxen nicht für das gleiche Geld mehr arbeiten müssten.
Eine nachhaltige Vergütungsreform müsse folgende Kriterien erfüllen:
- Das Erbringen hausärztlicher Kernleistungen muss im Mittelpunkt der Entwicklung stehen und gefördert werden.
- Die aufwendige Behandlung von multimorbiden Patienten muss angemessen vergütet werden.
- Die Vergütungsreform muss die wachsende Bedeutung von Teamstrukturen in den Praxen berücksichtigen. Dazu gehören beispielsweise Zuschläge für qualifiziertes Personal und vor allem eine Neujustierung der bisherigen Kontaktdefinition.
Dazu hätten KBV und KVen konkrete Vorschläge an das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) übermittelt. Diese seien auch mit dem Hausärztinnen- und Hausärzteverband abgestimmt. Der Verband macht in seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf zudem eigene Vorschläge.
Die KBV-Vorschläge finden sich in einem weiteren Antrag zur Reform des hausärztlichen EBM wieder, der ebenfalls von den Delegierten mehrheitlich angenommen wurde. Folgende Kriterien für die im GVSG angelegten Versorgungs- und Vorhaltepauschalen sollten laut Antrag berücksichtigt werden:
Zur Versorgungspauschale
- Aufgrund der Einführung einer Versorgungspauschale darf die Vergütung für die Behandlung eines chronisch erkrankten Patienten nicht sinken. Die Versorgungspauschale reduziert nicht den medizinisch erforderlichen Behandlungsbedarf pro Patienten. Daher muss der Gesetzgeber klarstellen, dass die Bewertung der Versorgungspauschale nicht geringer sein darf als die Summe der bisherigen Gebührenordnungspositionen, die der Versorgungspauschale zugrunde liegen. Bei einer Jahrespauschale muss die Bewertung der Versorgungspauschale der Summe der Gebührenordnungspositionen aus vier Quartalen entsprechen.
- Bei der Behandlung von chronisch erkrankten Patienten ist im Laufe eines Jahres nicht in jedem Quartal ein Arzt-Patienten-Kontakt erforderlich. Daher können behandlungsfallbezogen drei Kontakte innerhalb eines Jahres an einen Kontakt mit dem Praxisteam (auch telemedizinisch) geknüpft werden. Durch die Einführung eines Praxis-Patienten-Kontakts darf es keinen Spielraum für eine Absenkung der Vergütung gegenüber der aktuellen Vergütung geben.
- Im Fokus der Versorgungs-/Jahrespauschale stehen leichte chronische Erkrankungen, ohne intensiven Betreuungsbedarf durch die hausärztliche Praxis. Die intensive Versorgung von Patientinnen und Patienten mit hohem Betreuungsbedarf muss weiterhin über die bekannten Quartalspauschalen möglich bleiben.
- Mehrfachinanspruchnahmen können durch die Ärzte nicht ausgeschlossen werden. Bei der parallelen Behandlung durch einen Hausarzt und beispielsweise Diabetologische Schwerpunktpraxen, HIV-Schwerpunktpraxen, Substitutionsbehandlung, Schmerztherapeuten oder Psychotherapie liegt eine Mehrfachinanspruchnahme im Interesse der Versorgung. Der Gesetzgeber hat diesen Sachverhalt bei der Einführung der Versorgungspauschale zu berücksichtigen.
Zur Vorhaltepauschale
- Das Finanzvolumen der Vorhaltepauschale muss definiert werden. Die neue Vorhaltepauschale ist daher als Anteil an der derzeitigen Gebührenordnungsposition 03040 des EBM zu bilden.
- Die Vorhaltepauschale darf von den Krankenkassen nicht zur Absenkung von leistungsbezogenen Gebührenordnungspositionen im EBM genutzt werden.
- Es dürfen nur solche Kriterien für die Vorhaltepauschale formuliert werden, die bereits heute üblicher Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung sind. Kriterien, die sehr selten von hausärztlichen Praxen erfüllt werden und deren Erfüllung aufwändig ist, wie z. B. die Samstagssprechstunde, müssen mit neuem Geld finanziert werden.
- Die Voraussetzungen der Abrechenbarkeit der Vorhaltepauschale sind so festzulegen, dass durch die Einführung keine Finanzmittel frei werden. Durch die Einführung der Vorhaltepauschale darf es zu keinem Rückgang des hausärztlichen Leistungsbedarfs und damit möglicher Ausgleichszahlungen der Krankenkassen im Zuge der Entbudgetierung kommen.
- Nicht jede Praxis muss alle Kriterien erfüllen. Welche und wie viele Kriterien (auch als Stufenmodell) durch die Praxen erfüllt werden müssen, ist vom Bewertungsausschuss bedarfsgerecht festzulegen. Strukturelle Benachteiligungen von z. B. Einzelpraxen oder städtischen Praxen müssen dabei ausgeschlossen werden.
- Für die Erfüllung der Kriterien muss sichergestellt werden, dass die Versorgung von HZV-Versicherten und Leistungen, die für diese erbracht werden, berücksichtigt werden (Versichertenzahlen, Anzahl Hausbesuche, sonstige technische Leistungen etc.).