Berlin. Die Kritik am geplanten Gesunde-Herz-Gesetz war heftig. Mitte Juli hatte der Hausärztinnen- und Hausärzteverband zusammen mit anderen Vertretern der Ärzteschaft, der Wissenschaft, Krankenkassen und Selbstverwaltung gefordert, das Gesetz in der vorliegenden Form zu stoppen. Weder seien die Maßnahmen evidenzbasiert, noch seien die richtigen Schwerpunkte gesetzt, hatten die beiden Bundesvorsitzenden des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes, Prof. Nicola Buhlinger-Göpfarth und Dr. Markus Beier resümiert.
Insbesondere dürfe die Einführung der neuen Leistungen – Tabakentwöhnung, breiterer Einsatz von Statinen, Ausweitung der Gesundheitsuntersuchungen – nicht dazu führen, dass für Ärztinnen und Ärzte das Regressrisiko steigt, forderte der Verband.
Das geplante Gesunde-Herz-Gesetz (GHG) „ist das wichtigste Gesetz für die Gesundheit der Bevölkerung“, erklärte Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach (SPD) bei einer Bundespressekonferenz am Mittwoch (28.8.) – kurz nachdem das Bundeskabinett das geplante GHG in veränderter Form beschlossen hatte.
Bis zu 10.000 Kinder pro Jahr betroffen
Bei dem jetzt erst bekannt gewordenen, überarbeiteten Entwurf sind die konkreten Vorgaben zur Verordnung von Statinen gestrichen worden. Bei vielem ist es aber es geblieben. Lauterbach begründete etwa den geplanten erweiterten Anspruch auf Frühkennung von Feststoffwechselerkrankungen schon in der U1 und U 9, aber auch bei Erwachsenen damit, dass Todesfälle aufgrund von Herz-Kreislauf-Erkrankungen infolge unentdeckter Hypercholesterinämien so vermieden werden könnten.
5.000 bis 10.000 Kinder seien jährlich von einer Hypercholesterinämie betroffen. Dabei sei die Erkrankung durch eine gute Prävention fast heilbar. Ansonsten drohten den Betroffenen schon ab 25 Jahren ein Herzinfarkt oder Schlaganfall. „Und dann hat es die Mutter oder der Vater auch. Vielleicht hat es der Bruder der Mutter auch. Wir untersuchen das in einer Kaskade“, erklärte Lauterbach.
Zu einem solchen Kaskadenscreening, bei dem Kinder und Jugendliche auf Hypercholesterinämie untersucht werden, wenn in ihrer Familie damit zusammenhängende Risiken oder Erkrankungen bekannt sind, hat jüngst auch das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) empfohlen.
Andere Länder zum Vorbild genommen
Bei den Vorgaben habe man sich an internationalen Regelungen orientiert, sagte Lauterbach. In den Niederlanden, Finnland, England habe man deutlich bessere Ergebnisse bei der Vorbeugung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen erzielt.
Für die Gabe von Statinen müssten die Grenzwerte geändert werden, erklärte Lauterbach. Die “notwendigen Änderungen”, so Lauterbach, bereite der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) derzeit vor. Der G-BA sei mit seinen Empfehlungen zur Statintherapie wahrscheinlich auch rechtzeitig zum Inkrafttreten des GHG fertig.
Vom Inhalt her erwarte er, dass die Selbstverwaltung bei den Grenzwerten zu Statinen zum gleichen Ergebnis wie das Bundesgesundheitsministerium kommen werde. “Wir haben die Initiative des G-BA gesehen und begrüßt. Es ist mir lieber, wenn die Selbstverwaltung das macht und es nicht ins Gesetz geschrieben werden muss”, sagte Lauterbach.
“Deutlicher Nachbesserungsbedarf”
Auf die Frage, ob das als Kritik an der Selbstverwaltung zu verstehen sei, sagte Lauterbach: “Ich kritisiere die Selbstverwaltung nicht, sondern lobe sie.” Es sei auch sehr schnell reagiert worden. Allerdings betonte Lauterbach auch: Hätte der G-BA nicht reagiert, hätte das BMG die Werte ins Gesetz geschrieben. “Wir hätten den G-BA dann in dieser wichtigen Frage überholt.”
“Mit dem heute beschlossenen Entwurf stimmt auch der Weg wieder: umfassende Recherche der aktuellen wissenschaftlichen Studienlage, breite fachliche Diskussion und Abwägen von Nutzen und Risiken”, erklärte Prof. Josef Hecken, unparteiischer Vorsitzender des G-BA am Mittwoch. Bedauerlich sei, dass der Kabinettsbeschluss der Primärprävention nicht die Bedeutung beimesse, die ihr zukommen sollte. Gerade bei der Vorbeugung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen könne in vielen Fällen eine gesundheitsbewusstere Lebensgestaltung und Änderung des Lebensstils wesentlich effektiver sein, als die lebenslange Verabreichung von Medikamenten, so Hecken.
“Eine umfassende Bewertung des Entwurfs steht noch aus. Dass das Gesetz nun dem Vernehmen nach an entscheidenden Stellen noch einmal entschärft wurde, ist eine gute Nachricht” erklärte Beier nach Bekanntwerden des überarbeiteten Entwurfs. Positiv nannte es Beier, dass der G-BA deutlich umfassender eingebunden werden soll. Wie sich das im Detail darstelle, müsse man aber erst einmal abwarten.
Dennoch sieht der Hausärztinnen- und Hausärzteverband weiterhin deutlichen Nachbesserungsbedarf, insbesondere beim DMP. “Die DMP sollen sich zukünftig auch an Versicherte richten, die noch gar nicht erkrankt sind, bei denen aber ein erhöhtes Risiko vorliegt. Wir reden hier von vielen Millionen Menschen. Für diese Menschen gibt es deutlich bessere Lösungen, als sie allesamt in DMP einzuschreiben. Es ist auch vollkommen unklar, woher die Ressourcen dafür kommen sollen”, erklärt Beier.