Varizen (Krampfadern, Varikose) entstehen durch degenerative Veränderungen der Venenwand der oberflächlichen Venen der Beine.
Unterschieden werden folgende Krampfadertypen:
- Stammvarizen (Veneninsuffizienz der Saphenavenen, typischerweise nur duplexsonografisch, nicht aber klinisch nachweisbar)
- Seitenastvarizen (Durchmesser von ≥ 3,0 Millimeter)
- Perforansvarizen (insuffiziente Verbindungsvene zwischen den extrafaszialen und den subfaszialen Venen, klinisch oft als Faszienlücke tastbar)
- Pelvine Varizen (z. B. Insuffizienz der Vena ovarica, nicht selten mit einem pelvinen Stauungssyndrom verbunden)
- Retikuläre Varizen (1 bis 3 Millimeter Durchmesser, grünliche, auch im Liegen sichtbare Varizen, meist nur von kosmetischer Bedeutung)
- Besenreiservarizen (Durchmesser < 1 Millimeter, roter bis bläulicher Farbton, auch im Liegen sichtbar, ganz überwiegend nur kosmetisch relevant)
Epidemiologie und Risikofaktoren der Varikose
12,4 Prozent der Männer und 15,8 Prozent der Frauen haben Varizen ohne Zeichen einer chronischen Veneninsuffizenz, also ohne Ödeme oder Hautkomplikationen [1]. Bei 11,6 Prozent der Männer und 14,9 Prozent der Frauen bestehen venös bedingte Ödeme.
Zeichen einer fortgeschrittenen chronischen Veneninsuffizienz mit Hyperpigmentierungen, Ekzemen, Dermatosklerose oder Ulcus cruris (CEAP-Klassifikation C4 bis C6) sind bei 3,8 Prozent der Männer und 3,4 Prozent der Frauen nachweisbar.
Insgesamt ist jede fünfte Frau und jeder sechste Mann von einer chronischen Veneninsuffizienz betroffen [1]. Damit haben Frauen zwar häufiger sichtbare Varizen. Schwerere Stadien einer chronischen Veneninsuffizienz sind jedoch bei Männern etwas häufiger nachweisbar.
Die wichtigsten Risikofaktoren für eine Varikose sind fortgeschrittenes Alter, weibliches Geschlecht, Zahl der Schwangerschaften und insbesondere eine positive Familienanamnese [2].
Diagnostik
Zur Charakterisierung der chronischen Venenkrankheiten hat sich international die CEAP-Klassifikation durchgesetzt. Besonders relevant ist die klinische Einteilung (C) nach CEAP (Tab. 1).
Mittels Anamnese und klinischer Untersuchung kann eruiert werden, ob eine spezielle technische Untersuchung der Varikose erforderlich ist. Grundsätzlich gilt, dass keine invasive Therapie einer Varikose ohne präzise technische Untersuchung gemacht werden sollte.
Wesentlicher Bestandteil einer phlebologischen Untersuchung ist neben Funktionsuntersuchungen wie der Photoplethysmografie zur Definition der Venenfunktion insbesondere die Duplexsonografie.
In folgenden Situationen sollte eine spezielle Untersuchung der Varikose erfolgen, die auch eine Duplexsonografie beinhaltet:
- Varikose mit chronischen Symptomen wie Ödemen, Hyperpigmentierungen, Stauungsekzemen, Dermatosklerose, Ulcus cruris
- Kaliberstarke Varizen von ≥ 4 Millimeter Durchmesser
- Akute Komplikation einer Varizenerkrankung wie Varizenblutungen, oberflächliche Venenthrombosen, Ulcus cruris venosum
- Vor jeder invasiven Varizentherapie, d. h. auch vor einer Sklerosierungsbehandlung von Besenreiservarizen
Therapieoptionen
Heute steht ein breites Spektrum an Therapieoptionen zur Behandlung der Varikose zur Verfügung:
- Konservative Maßnahmen
- Kompressionstherapie
- Physikalische Maßnahmen
- Medikamentöse Therapie
- Operative Verfahren
- Stammvenenausschaltende Verfahren
- Stammvenenerhaltende Verfahren
- Endovenöse thermische Verfahren
- Endovenöse Lasertherapie
- Endovenöse Radiofrequenztherapie
- Endovenöse Heißdampf Therapie
- Endovenös chemische Verfahren
- Sklerosierungstherapie
- Cyanoacrylatkleber
Welche Therapie im Einzelfall zur Anwendung kommt, richtet sich sowohl nach dem phlebologischen Befund als auch nach der Gesamtsituation des Patienten. In der Regel werden unterschiedliche Verfahren miteinander kombiniert, insbesondere invasive Verfahren, Kompressionstherapie und medikamentöse Therapie ergänzen sich häufig sinnvoll.
Die Kompressionstherapie der Varikose kommt insbesondere zur Überbrückung des Zeitraums bis zu einer definitiven, invasiven Sanierung der Varikose und zur Nachbehandlung nach invasiven Eingriffen zum Einsatz. Eine langfristige Kompressionstherapie der Varikose, ohne dass eine invasive Sanierung der Varikose zumindest geprüft worden ist, sollte vermieden werden.
Die medikamentöse Therapie mit Extrakten aus rotem Weinlaub oder Rosskastaniensamen oder mit Oxerutin spielt insbesondere dann eine Rolle, wenn Patienten mit Varikose auch nach einer invasiven Behandlung noch Beschwerden in Form von Unterschenkelödemen und Schweregefühl haben. Die Effekte dieser Präparate in Bezug auf die Ödemreduktion und die Reduktion der Missempfindungen sind in Placebo-kontrollierten randomisierten Studien gut dokumentiert.
Zur invasiven Therapie der Varikose stehen neben den offen chirurgischen Verfahren (Crossektomie und Stripping, extraluminale Valvuloplastie) endovenöse ablative Verfahren zur Verfügung. Bei allen varizenausschaltenden Verfahren beschränkt sich die Behandlung auf die tatsächlich erkrankten Venenabschnitte, eine prophylaktische Behandlung von gesunden Venen ist nicht sinnvoll.
Eine Therapie der Stammveneninsuffizienz wird häufig dann für erforderlich gehalten, wenn die Refluxlänge ≥ 1 Sekunde ist und der Durchmesser der V. saphena magna 3 cm distal der saphenofemoralen Junktion 5 mm überschreitet, bzw. wenn der Durchmesser der V. saphena parva 3 cm distal der saphenopoplitealen Junktion über 3 mm liegt. Die verschiedenen invasiven Therapien haben unterschiedliche Vor- und Nachteile.
Die Sklerosierung mit aufgeschäumten Verödungsmitteln als endovenös chemisches Verfahren hat den Vorteil einer Behandlung ohne operativen Eingriff, was gerade für Patienten mit Operationsangst oder Kontraindikationen gegenüber Operationen von Bedeutung sein kann. Allerdings ist die Rezidivrate nach Verödungen der Saphenavenen etwa doppelt so hoch wie nach operativen Verfahren der Crossektomie und Stripping-Operationen und der endoluminalen thermischen Ablation.
Mit der offenen Varizenchirurgie können Befunde aller Art therapeutisch angegangen werden, insbesondere auch Rezidivvarizen oder Varizen, die durch postthrombotische Verwachsungen für die thermisch ablativen Katheter nicht passierbar sind. Auch sehr kaliberstarke Venen sind eine wichtige Indikation für die offene Chirurgie, da die Rezidivrate nach endovenös thermisch ablativen Verfahren mit zunehmendem Venenkaliber steigt.
Daher wird in vielen Zentren ab einem Stammvenendurchmesser über 10 mm am Messpunkt 3 cm distal der saphenofemoralen Junktion eine offene chirurgische Sanierung intensiver diskutiert.
Weltweit und auch in Deutschland nehmen die endovenös thermisch ablativen Verfahren einen zunehmend höheren Stellenwert in der Behandlung der Stammveneninsuffizienz ein. Wesentliche Vorteile sind:
- Geringere Invasivität (keine Einschnitte über 3 Millimeter Länge erforderlich)
- Geringere Schmerzen in den ersten Tagen nach der Operation
- Geringere Hämatome
- Kürzere Arbeitsunfähigkeit
- Unmittelbar postoperativ bessere Lebensqualität
- Geringeres Risiko von Wundinfekten
Als Nachteile der endovenös thermisch ablativen Verfahren gegenüber den operativen Verfahren sind die steigenden Rezidivraten bei zunehmenden Venendurchmessern (insbesondere über 15 Millimeter) und die Gefahr durch Hyperpigmentierungen durch Hämosiderinablagerungen bei sehr oberflächlich verlaufenden Stammvenen zu sehen.
Was passiert, wenn Krampfadern unbehandelt bleiben?
Unbehandelte Krampfadern führen häufig zu Komplikationen wie Ödemen, trophischen Hautveränderungen bis hin zum Ulcus cruris venosum, Oberflächenthrombosen und sekundärer tiefer Leitveneninsuffizienz [4]. Nicht zu vernachlässigen ist ferner das erhöhte Risiko, eine tiefe Beinvenenthrombose zu entwickeln, insbesondere in zeitlichem Zusammenhang mit dem Vorliegen einer oberflächlichen Venenthrombose [5].
Möglichkeiten der Prävention
Gegenüber der Neubildung und dem Fortschreiten der Varikose gibt es keine wissenschaftlich belegten Präventivmaßnahmen. Allerdings gibt es sehr wohl präventive Maßnahmen, um eine Progression einer symptomlosen Varikose (Stadium C2 der CEAP-Klassifikation) in eine symptomatische Varikose mit einer chronischen Veneninsuffizienz zu verhindern.
Zu nennen sind hier insbesondere eine Gewichtsnormalisierung, da Abdominalfett bei entsprechender Ausprägung die Beckenvenen komprimieren und dadurch den venösen Abfluss nachhaltig beeinträchtigen kann. Eine zweite präventive Maßnahme ist die Optimierung der Muskelpumpenfunktion des Unterschenkels.
Eine gute Beweglichkeit des Sprunggelenks sowie eine ausreichende Kraft der Wadenmuskulatur fördert messbar den venösen Rückstrom. Die Muskelpumpenfunktion kann durch das Tragen von Kompressionsstrümpfen (ausreichend sind hier Kompressions-Kniestrümpfe) positiv beeinflusst werden.
Literatur:
- Rabe E, Pannier-Fischer F, Bromen K, et al. Bonner Venenstudie der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie. Phlebologie. 2003;32:1-14.
- Pannier F, Noppeney T, Alm J et al. S2k-Leitlinie zur Diagnostik und Therapie der Varikose. AWMF-Leitlinien-Register Nr. 037/018, Entwicklungsstufe S2k, 2019. https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/037-018l_S2k_Varikose_Diagnostik-Therapie_2019-07.pdf
- Lurie et al. The 2020 update of the CEAP classification system and reporting standards. J Vasc Surg Venous Lymphat Disord. 2020 May;8(3):342-352. doi: 10.1016/j.jvsv.2019.12.075. Epub 2020 Feb 27. Erratum in: J Vasc Surg Venous Lymphat Disord. 2021 Jan;9(1):288 (14).
- Pannier F, Rabe E. Progression in venous pathology. Phlebology. 2015;30(1_suppl):95-97. doi:10.1177/0268355514568847
- Guex J. Thrombotic complications of varicose veins. A literature review of the role of superficial venous thrombosis. Dermatol Surg. 1996;22:378-382.