Hämorrhagische Diathese: Wann und wie screenen?
Schon die klinische Manifestation einer hämorrhagischen Diathese lässt Rückschlüsse auf die Ursache zu. So muss man bei einer Purpura bzw. Petechien vorrangig an eine Störung der Thrombozytenzahl oder –funktion denken, bei Ekchymosen oder Hämatomen dürfte die Ursache dagegen im plasmatischen Gerinnungssystem liegen.
Bei der Abklärung einer spontanen Blutungsneigung werden zunächst Globaltests durchgeführt. Dazu gehört das Blutbild, um die Thrombozytenzahl zu erfassen, die Bestimmung der Blutungszeit, des Quick- bzw. INR-Wertes, auch Thromboplastinzeit genannt, und der aktivierten partiellen Thromboplastinzeit (aPTT).
Um die Ursache genau erfassen zu können, müssen anschließend Gerinnungs-Spezialtests durchgeführt werden. Dazu gehören die Bestimmung der Thrombinzeit bzw. des Fibrinogens und auch die gezielte Faktorenbestimmung. Damit werden auch sehr seltene Ursachen wie ein Faktor XIII-Mangel erfasst.
Häufiger und somit wichtiger aber ist der Nachweis eines von Willebrand-Syndroms, das mit den üblichen Gerinnungsuntersuchungen nicht erfasst wird.
Zu den angeborenen Ursachen einer Störung der plasmatischen Gerinnung gehören die Hämophilie A und B, die Afibrinogenämie und das von Willebrand-Syndrom. Erworben werden kann die Blutungsneigung durch eine Leberzirrhose, Hemmkörper gegen Gerinnungsfaktoren, Verbrauchskoagulopathie oder Antikoagulanzien.
Eine Thrombozytopenie kann ebenfalls entweder angeboren z.B. bei einer Fanconi-Anämie oder erworben sein z.B. bei einer aplastischen Anämie, Leukämie, Urämie, Leberzirrhose oder immunologisch bzw. medikamentös induziert sein. Die häufigste Ursache sind heute die Thrombozyten-aggregationshemmer (Cornelia Wermes, Hildesheim, Werner Streif, Innsbruck, Andreas Tiede, Hannover).
Ursachen einer Thrombophilie
Etwa acht Prozent aller Menschen haben eine hereditäre Thrombophilie. Ursachen sind: Ein Mangel an Antithrombin III, Protein C oder Protein S, eine APC-Resistenz (Faktor V-Leiden) oder ein Prothrombin-Polymorphismus. Bei einem heterozygoten Faktor V-Leiden ist das Thrombose-Risiko um das 7-fache, bei der homozygoten Form sogar um das 100-fache erhöht.
Bei den erworbenen Ursachen muss an ein Antiphospholipid-Syndrom, an myeloproliferative Erkrankungen wie die CML oder die Polycythämia vera, Leukämien und solide Tumoren gedacht werden. Aber auch Medikamente können eine Thrombose induzieren. Dazu gehören orale Kontrazeptiva, Tamoxifen, Raloxifen, Aromatasehemmer, Chemotherapeutika und Erythropoietin.
Ein Thrombophilie-Screening empfiehlt sich bei Patienten mit einer unprovozierten Thrombose bzw. Lungenembolie und bei einer Thrombose in der Schwangerschaft. Bei Patienten ohne Thrombose ist ein Screening nur dann sinnvoll, wenn der Patient jünger als 60 Jahre ist und bei Verwandten eine Thrombophilie bekannt ist.
Auch Frauen mit entsprechender Familienanamnese für Thrombosen oder nachgewiesener Thrombophilie in der Familie, die orale Antikonzeptiva einnehmen möchten, sollten gescreent werden (Frauke, Bergmann, Hannover).
Tumor und Thrombose: Eine unheilsame Allianz
Zirka zehn Prozent aller Krebspatienten werden im Verlauf ihrer Tumorerkrankung eine Thrombose bzw. eine Lungenembolie erleiden und 3,5 Prozent aller Krebspatienten versterben an einem solchen Ereignis. Somit kommt der Thromboembolie bei diesen Patienten eine große prognostische Bedeutung zu. Nicht selten ist das thromboembolische Ereignis auch die erste Manifestation eines Tumorleidens.
Ursächlich verantwortlich für die Thrombophilie bei Tumorpatienten ist eine komplexe bidirektionale Interaktion zwischen Tumorerkrankung und Hämostase. So führt einerseits der Tumor zu einer Aktivierung des plasmatischen und thrombozytären Gerinnungssystems, andererseits fördert die aktivierte Gerinnung auch das Tumorwachstum, die Metastasierung und die Tumorangiogenese.
Im Rahmen eines operativen Eingriffs ist die Thromboseprophylaxe mit einem NMH unverzichtbar. Ambulante Patienten sollten eine Thromboseprophylaxe erhalten, so lange sie chemotherapeutisch behandelt werden. Wird eine Vollremission erreicht, so gibt es keine generelle Empfehlung dafür, die Thromboseprophylaxe fortzuführen (Florian Langer, Hamburg, Edelgard Lindhoff-Last, Frankfurt a.M.).
HIT Typ 2: Selten aber gefährlich
Die Gabe eines Heparinpräparates– prophylaktisch und therapeutisch – kann immer zu einer Thrombozytopenie führen. Unterschieden werden zwei Formen der Heparin-induzierten Thrombozytopenie: HIT Typ 1 und HIT Typ 2.
HIT Typ 1 manifestiert sich in den ersten Tagen nach Beginn der Heparintherapie. In der Regel fallen die Thrombozyten nicht unter 80.000/µl. Diesem harmlosen Phänomen liegt eine direkte Aktivierung der Thrombozyten durch das Medikament zu Grunde. Ein Absetzen des Heparinpräparates ist nicht erforderlich.
Gefährlich dagegen ist HIT Typ 2, die durch eine Antikörperbildung gegen Heparin/Protein-Komplexe hervorgerufen wird. Sie tritt meist erst zwischen Tag 5 und Tag 14 nach Beginn der Heparintherapie auf. Wurde der Patient aber früher einmal mit Heparin behandelt, so kann sich HIT Typ 2 auch sofort nach Beginn einer erneuten Heparingabe manifestieren.
Bei einem NMH tritt ein HIT Typ 2 viel seltener als bei UFH. Es kommt zu einem raschen Abfall der Thrombozyten um mindestens 50 Prozent des Ausgangswertes.
Klinisch entwickeln sich potenziell lebensbedrohliche Komplikationen, nämlich arterielle und venöse Thrombosen bis hin zur Lungenembolie. Ein Frühsymptom kann eine blutende Hautnekrose an der Einstichstelle sein. Schon bei Verdacht auf HIT Typ 2 muss Heparin sofort abgesetzt und der Patient auf ein alternatives Koagulans umgestellt werden (Katharina Thom, Wien).
Von Willebrand-Syndrom: Keine Dauertherapie
Beim von Willebrand-Syndrom handelt es sich um die häufigste erbliche Blutgerinnungsstörung, d.h. ein Prozent der Bevölkerung ist betroffen. Die Vererbung erfolgt autosomal dominant, so dass beide Geschlechter gleich häufig betroffen sind.
Ursächlich liegt der hämorrhagischen Diathese ein qualitativer oder quantitativer Defekt des von-Wille-brand-Faktors (vWF) zu Grunde. Dieser Faktor spielt eine wichtige Rolle bei der Thrombozytenadhäsion und ist außerdem ein Trägerprotein des Faktor VIII. Ein Mangel an vWF führt zu einer Hämophilie A-ähnlichen Symptomatik.
Klinische Befunde, die auf das Vorliegen dieser Erkrankung hinweisen, sind: verlängertes Schleimhautbluten z.B. nach Zahnextraktion oder Tonsillektomie, häufiges und starkes Nasenbluten aus beiden Nasenlöchern und die Neigung zu oberflächlichen Hämatomen.
Bei Frauen ist eine Hypermenorrhoe mit sekundärem Eisenmangel charakteristisch. Bei einer basalen Labordiagnostik fallen diese Patienten nicht auf. Der Quick- bzw. INR-Wert ist immer normal, die PTT kann, muss aber nicht verlängert sein.
Der Nachweis der Erkrankung erfordert eine Aktivitätsbestimmung des vWF und des Faktors VIII. Eine Dauertherapie ist meist nicht erforderlich. Es empfiehlt sich insbesondere vor operativen Eingriffen die Gabe von Desmopressin. Wenn dies nicht ausreicht, muss vWF substituiert werden (Ingvild Birschmann, Bad Oeynhausen).