Frankfurt/Main. Sie sind nur zwei bis sechs Millimeter groß und ähneln harmlosen Stubenfliegen, doch ihre Stiche sind äußerst unangenehm: Kriebelmücken. Einer im Fachjournal “Science of the Total Environment” erschienenen Studie eines Forschungsteams der Goethe-Universität und des Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrums in Frankfurt zufolge könnten die Insekten hierzulande bald deutlich häufiger vorkommen.
Zukünftige höhere Temperaturen könnten “zu verkürzten Entwicklungszeiten, zu mehr Generationen pro Jahr und damit insgesamt zu einem häufigeren Auftreten von Kriebelmücken führen”, berichten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.
Kriebelmücken können Krankheitserreger übertragen
Die flugfähigen und überwiegend schwarzen Insekten gehören laut Forschern zu den “Poolsaugern”: Weibliche Tiere raspeln mit ihren scharfen Mundwerkzeugen die Haut des Wirts auf und nehmen anschließend den sich dort bildenden Blutstropfen zu sich.
Durch die von den Mücken in die Wunde eingeleiteten gerinnungshemmenden und betäubenden Substanzen könnten die Stiche schwerwiegende allergische Reaktionen auslösen, erklärte Professor Sven Klimpel von der Universität Frankfurt.
“Kriebelmücken sind zudem vektorkompetent, also in der Lage, durch ihren Stich Infektionskrankheiten auslösende Erreger zu übertragen», sagte Klimpel. Der bekannteste durch Kriebelmücken übertragene Erreger sei der auf dem afrikanischen Kontinent heimische Fadenwurm Onchocerca volvulus, der die Flussblindheit auslösen könne.
Fast alle Kriebelmücken-Arten ernähren sich von Blut
Etwa 98 Prozent der insgesamt 2.000 auf allen Kontinenten – mit Ausnahme der Antarktis – vorkommenden Kriebelmücken-Arten ernährten sich von Blut, sagte Erstautorin Dr. Sarah Cunze von der Universität Frankfurt. In Deutschland wurden bisher 57 Kriebelmücken-Arten entdeckt.
Anhand von 1.526 Datensätzen aus Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Sachsen haben die Forscherinnen und Forscher die zwölf häufigsten dort heimischen Arten in drei biogeografische Gruppen unterteilt: “Arten, die an Gewässeroberläufen leben, über verschiedene Landschaften weit verbreitete Arten und Tieflandarten”, erklärte Cunze.
Aggressives Stechverhalten
Für die drei Gruppen sagen die Forschenden in ihrer aktuellen Studie unterschiedliche Entwicklungen voraus: Die Gruppe der Arten mit einem Verbreitungsschwerpunkt in den Gewässeroberläufen wird aufgrund steigender Temperaturen und zunehmender chemischer Belastung der Gewässer als potenziell gefährdet eingeschätzt.
Tieflandarten hingegen zeichneten sich durch eine höhere Toleranz gegenüber menschengemachten Veränderungen aus und könnten in Zukunft häufiger auftreten. Zu ihnen gehören auch medizinisch bedeutende Arten. Sie zeichnen sich durch ein besonders aggressives Stechverhalten gegenüber Säugetieren und Menschen aus und treten häufig in sehr großer Zahl auf.
Zukünftige höhere Temperaturen könnten zu verkürzten Entwicklungszeiten, zu mehr Generationen pro Jahr und damit insgesamt zu einem häufigeren Auftreten von Kriebelmücken führen, so Cunze. In weiteren Arbeiten möchte das Forscherteam durch Labortests klären, inwieweit Kriebelmücken-Arten in der Lage sind, bestimmte Erreger von Infektionskrankheiten unter in Europa herrschenden Bedingungen zu übertragen.
dpa