Das Arzt-Patienten-Verhältnis ist von Vertrauen geprägt. Doch was tun, wenn dieses erschüttert wird? Ein Blick in die Gesetze zeigt: Beim Kündigen des Behandlungsvertrags sollten Hausärzte Vorsicht walten lassen.
Zweitmeinung oder Arztwechsel?
Bei dem Wunsch zur Einholung einer Zweitmeinung im Beispielfall muss geprüft werden, ob der Patient den Wunsch äußert, insgesamt von einem anderen Arzt behandelt zu werden und damit den Behandlungsvertrag konkludent kündigt, oder ob er lediglich die Diagnose und Behandlung durch den zweiten Arzt bestätigt haben möchte. Falls diesbezüglich Zweifel bestehen, sollte der Arzt diesen Punkt in einem sachlichen Gespräch mit dem Patienten zu klären versuchen.
Da der Patient hier aber lediglich nach der Einholung einer Zweitmeinung gebeten hat, wird man diese Äußerung nicht als Kündigung auffassen können. Zu beachten ist, dass der Arzt bei einem begründeten Wunsch des Patienten nach einer Zweitmeinung eine weitere Ärztin oder einen weiteren Arzt hinzuziehen soll, so lautet Paragraf 7 Abs. 2 S. 3 der Musterberufsordnung für Ärzte (MBO-Ä). Der Patient kann unter Umständen sogar einen gesetzlichen Anspruch auf eine Zweitmeinung haben (Paragraf 27b Sozialgesetzbuch V, s. Kasten).
Weiter stellt sich die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen der Arzt das Behandlungsverhältnis selber kündigen kann. Für den Arzt setzt die Behandlung kein derart gesteigertes Vertrauensverhältnis voraus, wie dies für den Patienten der Fall ist, weshalb eine Kündigung des Behandlungsverhältnisses durch den Arzt nicht grundlos erfolgen sollte.
Merke: Gemäß Paragraf 627 Abs. 2 BGB ist eine Kündigung durch den Arzt grundsätzlich möglich, sofern sichergestellt ist, dass der Patient anderweitig versorgt werden kann. Falls dies nicht der Fall ist, erfolgt die Kündigung “zur Unzeit”. Ausgenommen hiervon ist eine “außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund”, etwa bei Tätlichkeiten gegen den Arzt (s. Praxis-Tipp unten).
Bei einer grundlosen Kündigung zur Unzeit hätte der Arzt dem Patienten den Schaden zu ersetzen, den er wegen der unzeitigen Kündigung erleidet. Ein besonderer Grund für eine Kündigung “zur Unzeit” liegt aber nicht ohne weiteres in der Kritik des Patienten an der Behandlung durch den Arzt. Paragraf 7 Abs. 6 der MBO-Ä sieht vielmehr ausdrücklich vor, dass bei Meinungsverschiedenheiten mit der Kritik sachlich umzugehen sei.
Fazit: Kritik ist nicht gleich Kritik
Es muss folglich – wie immer – auf den Einzelfall abgestellt werden: Zu beachten ist insbesondere, in welcher Form die Kritik vorgebracht wurde. Bei der Annahme eines wichtigen Grundes zur Kündigung “zur Unzeit” ist insgesamt Zurückhaltung geboten. Das bedeutet im vorliegenden Fall, dass der Unmut des Arztes zwar nachvollziehbar ist, aber die Grenze zur sofortigen Kündigung des Behandlungsverhältnisses wohl nicht erreicht ist. Jedenfalls ist darauf zu achten, dass im Falle einer Kündigung die Weiterbehandlung sichergestellt ist und kein Notfall vorliegt.
Praxis-Tipp: Wenn es über den hier geschilderten Fall hinaus zu Beleidigungen bis hin zu Handgreiflichkeiten des Patienten kommt, so liegt der Sachverhalt anders und eine Kündigung ist jederzeit möglich.
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