Spahn greift einÄrger um Hochdosis-Grippeimpfung

Die Bestellung der Influenza-Impfstoffe für den kommenden Herbst sorgt in Hausarztpraxen für Aufregung. Jetzt will das Gesundheitsministerium Klarheit schaffen. Die neue Verordnung soll ab Montag gelten und die Sorge vor Regressen nehmen.

Ab kommenden Herbst sollen Versicherte ab 60 Jahren den Hochdosis-Grippeimpfstoff erhalten.

Berlin. Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) schaltet sich jetzt in die Diskussion um den neuen Hochdosis-Grippeimpfstoff ein. Per Verordnung bessert es quasi den Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) zur Änderung der Schutzimpfungs-Richtlinie nach, wonach ab 60 Jahren künftig ein Hochdosis-Influenzaimpfstoff verabreicht werden soll.

Aus Kreisen aus Berlin erfuhr „Der Hausarzt“, dass Praxen demnach an Versicherte ab 60 Jahren auch weiterhin quadrivalente Influenza-Impfstoffe verabreichen dürfen, sofern die Hochdosis-Vakzine nicht verfügbar ist.

Was heißt „nicht verfügbar“?

Ein Knackpunkt: Wie „nicht verfügbar“ auszulegen ist, wird wohl nicht genauer definiert. Es bleibt also offen, ob damit ein bundesweiter oder lokaler Lieferengpass gemeint ist oder dazu auch zählen kann, ob der Impfstoff nur in der jeweiligen Praxis nicht vorrätig ist.

Ebenso soll das BMG in der Verordnung klarstellen, dass die Gabe des Hochdosis-Impfstoffs als „wirtschaftlich“ anzusehen ist, obwohl er erheblich mehr kostet als die bisherigen Grippeimpfstoffe. Die sogenannte „Verordnung zum Anspruch auf Schutzimpfung gegen Influenza und Masern“ soll schon am Montag (8.3.) in Kraft treten. Bisher ist sie auf der Webseite des Ministeriums aber noch nicht einsehbar.

Rechtssicherheit für Hausärzte

Die Klarstellung des BMG begrüßt der Deutsche Hausärzteverband grundsätzlich in seiner Stellungnahme zum Verordnungsentwurf. So werde gesichert, dass Senioren ab 60 auf jeden Fall gegen Grippe geimpft werden können – und dafür auch der Einsatz der quadrivalenten Impfstoffe unter den genannten Voraussetzungen erlaubt ist.

Der Hausärzteverband fordert den Gesetzgeber aber dazu auf, die Versicherten auch über den Impfstoffwechsel gut aufzuklären, um Diskussionen mit Patienten um „gute versus schlechte Impfstoffe“ zu vermeiden.

Konflikt schwelt seit Januar

Die Hochdosis-Vakzine sorgt seit ein paar Wochen für Unruhe in den Hausarztpraxen. Was war passiert? In der ersten Januarwoche hatte die Ständige Impfkommission am Robert Koch-Institut (STIKO) ihre neue Empfehlung zur Grippeimpfung für die Saison 2021/22 veröffentlicht.

Darin rät sie, alle Personen ab 60 Jahren mit dem Hochdosis-Impfstoff zu immunisieren. Die frühe Veröffentlichung sollte dazu dienen, dass dies bei der Impfstoffproduktion sowie bei den Bestellungen durch die Arztpraxen bereits berücksichtigt werden kann.

In vielen Praxen warf dies jedoch Fragen auf. Denn Praxen orientieren sich bei der Bestellung an der Schutzimpfungs-Richtlinie des G-BA. Dieser übernahm die Empfehlung bereits am 21. Januar, jedoch war erst Ende Februar klar, dass das BMG den Beschluss nicht beanstandet. Und rechtlich in Kraft tritt die neue Fassung erst am 1. April.

Das Dilemma: Kassenärztliche Vereinigungen (KV) und Apotheken halten Ärztinnen und Ärzte seit jeher dazu an, den Grippeimpfstoff frühzeitig zu bestellen, damit die Impfstoffhersteller ihre Produktionskapazitäten entsprechend planen können.

Impfstoffe meist schon bestellt

Folglich orderten die meisten Praxen bereits im Januar und Februar. Viele haben sich dabei an ihrem Bedarf und der bisher gültigen Richtlinie orientiert und nun für „ihre Senioren“ vor allem quadrivalenten Influenzaimpfstoff bestellt. Dabei spielten drei weitere Gedanken eine Rolle:

  1. Es herrschte große Unsicherheit, ob die Bestellung des Hochdosis-Impfstoffs für die Ärzte als unwirtschaftlich anzusehen ist und später mit einem Regress geahndet werden könnte. Denn bislang gibt es nur einen Anbieter für den Hochdosis-Impfstoff, dieser ist deutlich teurer als die quadrivalenten Vakzinen und zum Bestellzeitpunkt war die neue Impf-Richtlinie noch nicht in Kraft.
  2. Ebenso war zu dieser Zeit der Hochdosis-Impfstoff in der EU erst ab 65 Jahren zugelassen. Weswegen G-BA und STIKO eine Art „Schlupfloch“ vorsahen: Solange die Zulassung nicht erweitert ist, rät sie für die 60- bis 64-Jährigen zu den quadrivalenten Impfstoffen.
  3. Bei Grippeimpfstoffen kommt es aufgrund der schwierigen Produktionsbedingungen mitunter öfter zu Lieferengpässen. Auch vor diesem Hintergrund ist es nachvollziehbar, dass sich Praxen nicht allein darauf verlassen wollen, ausschließlich Hochdosis-Impfstoff zu bestellen.

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Änderungsfristen erfragen

Für Ärger bei Hausärztinnen und Hausärzten sorgte vergangene Woche daher, dass einige KVen in Rundschreiben jüngst darauf hinwiesen, dass GKV-Spitzenverband und Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) einig seien, dass quadrivalente Vakzinen nun nicht mehr zu Lasten der GKV verabreicht werden könnten, da die Hochdosis-Variante diesen beim Schutz überlegen sei. „Es ist den Versicherten grundsätzlich nicht zuzumuten, auf eine im Vergleich unterlegene Leistung verwiesen zu werden“, zitierten KVen aus dem Konsens auf Bundesebene.

Diese Einschätzung revidiert das BMG nun mit der neuen Rechtsverordnung. Ärgerlich für Praxen ist jetzt aber weiterhin, dass viele gezwungen sind, ihre Bestellungen nochmal zu ändern. Und ihnen hierzu oft nur noch wenige Tage bleiben. So setzt beispielsweise die KV Sachsen dafür die Frist 19. März.

Praxistipp: Für Praxen ist es daher ratsam, sich bei ihrer KV zu den in ihrer Region gültigen Fristen für Bestelländerung und -stornierung zu erkundigen.

Regress eher unwahrscheinlich

Es gibt aber auch gute Nachrichten: Kreise aus Berlin bestätigten gegenüber „Der Hausarzt“, dass GKV-Spitzenverband und KBV die Corona-Sonderregelungen bei der Grippeimpfstoffbestellung für dieses Jahr verlängert haben.

Das heißt, Hausärztinnen und Hausärzte können bis zu 30 Prozent mehr Impfstoff ordern, als sie brauchen und müssen dafür keine finanziellen Rückzahlungen fürchten. Zu Nicht-Pandemie-Zeiten gilt hier eine Grenze von zehn Prozent.

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