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Elektronische PatientenakteLauterbachs Liebling: Wann kommt die E-Akte in die Praxis?

Schon heute haben GKV-Versicherte ein Anrecht auf eine elektronische Patientenakte. Praxisberichte zeigen jedoch: Wunsch und Wirklichkeit klaffen noch weit auseinander. Hausärztinnen und Hausärzte berichten von ihren ersten Gehversuchen.

Warum läuft die Einführung der E-PA so schleppend?

Nicht nur im Koalitionsvertrag ist die beschleunigte Einführung der elektronischen Patientenakte (E-PA) fixiert. Auch Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach (SPD) will die E-PA vor allen anderen digitalen Anwendungen vorantreiben. Aber warum läuft es so schleppend? Und was wünschen sich Ärztinnen und Ärzte, die mit dem Instrument arbeiten müssen?

Bereits seit dem 1. Januar 2021 haben gesetzlich Versicherte die Möglichkeit, sich von ihrer Krankenkasse eine E-Akte anlegen zu lassen und dort Dokumente hochzuladen. Seit Juli 2021 sind Ärzte und Psychotherapeuten verpflichtet, die digitalen Akten mit Befunden oder Therapieplänen zu befüllen und Daten auszulesen, sofern der Versicherte dies wünscht.

Die Basis: Wie kommen Versicherte an die Akte?

Im Koalitionsvertrag wurde festgehalten, dass alle Versicherten eine DSGVO-konforme E-PA zur Verfügung gestellt bekommen, deren Nutzung auf freiwilliger Basis erfolgt. Ähnlich wie bei der Organspende kommen hierbei grundsätzlich eine sogenannte Opt-in- oder eine Opt-out-Lösung infrage:

  • Bislang ist eine Opt-in-Lösung umgesetzt: Versicherte müssen sich aktiv um das Anlegen der Akte bemühen.
  • Bei der Opt-out-Lösung, die sowohl die Regierungskoalition als auch der Sachverständigenrat im Gesundheitswesen präferieren, würde ein Bürger bei Geburt oder Zuzug automatisch eine E-PA erhalten (s. zweiter Serien-Teil). Perspektivisch könnten Ärzte somit davon ausgehen, dass die meisten ihrer Patienten im Besitz einer E-PA sind. Damit verbunden ist die Hoffnung, dass Nachfragen und Aufklärungen über den Sinn der E-PA wegfallen könnten. Der eigenständige Zugriff auf ihre Gesundheitsdaten könnte Patienten nicht zuletzt helfen, gut informiert ins Arztgespräch zu gehen. Der 126. Deutsche Ärztetag hat sich im Mai daher nach teils kontroversen Diskussionen für die initiale Anlage einer E-PA durch die Krankenkassen ausgesprochen – und den Gesetzgeber aufgefordert, bei den weiteren Überlegungen die Stimme der Ärzteschaft zu hören.

In der Tat sammeln Hausärztinnen und Hausärzte aktuell erste – wenn auch noch rare – Erfahrungen mit der E-Akte.

Blick in die Praxis: Noch ist die E-Akte eine Seltenheit

Obwohl Versicherte ein Anrecht auf ihre E-Akten haben, sind diese im Praxisalltag bislang noch eine Rarität, sagt Dr. Kristina Spöhrer, Allgemeinärztin in Winsen. Das liegt wohl auch daran, dass die wenigsten von dieser Möglichkeit wissen, meint Spöhrer.

Unabhängig davon, ob es am Ende eine Opt-in- oder eine Opt-out-Lösung gebe, müsse ein breites Informationsangebot mit Film, Text und Audio geschaffen werden, findet die Hausärztin. Denn nur so könnten sich Patienten gut informiert für oder gegen das Nutzen der Akte entscheiden.

Begrüßen würde Spöhrer eine E-PA – sofern sie denn funktioniert – auf jeden Fall. Denn oft sei es sehr zeitaufwändig, an Befunde von Gebietsfachärzten oder Krankenhäusern ranzukommen. “Die Vorstellung, schnell über alle wichtigen Berichte und Befunde der Patientinnen und Patienten zu verfügen, ist sehr attraktiv”, erklärt die Allgemeinärztin, die auch im Hausärzteverband Niedersachsen aktiv ist.

Interesse bei Patienten gering

Damit die E-PA der Praxis Nutzen stiftet und nicht zu viel Arbeit macht, müssen sich nach Spöhrers Ansicht genügend Patienten dafür entscheiden. Wenn bei einer 1.000-Scheine-Praxis nur eine Handvoll eine E-PA hätten, ergebe das wenig Sinn, erklärt sie.

Spöhrer hat deswegen schon einmal bei ihren Patienten herumgefragt. Entgegen anderer Werte aus Umfragen hat sie in ihrem Patientenstamm nur wenige ausgemacht, die interessiert daran sind, eine E-PA auszuprobieren.

So lud Spöhrer einen technisch versierten älteren Patienten am Ende der Sprechstunde zu einem E-PA-Befüllungsversuch ein. Mit Laptop, Smartphone und PIN ausgerüstet, schafften sie es, Dokumente in die App hochzuladen. Allerdings: Der Vorgang dauerte nicht nur eine gefühlte Ewigkeit, auch die Dokumente mussten in der App erst einmal mit einem neuen Namen versehen werden.

Erstes Zwischenfazit: Handling ist wenig praxistauglich

Das Hochladen der Dokumente funktionierte erfreulicherweise zwar rasch, so Spöhrer. Insgesamt eine Stunde probierten die beiden aber an der Befüllung herum – für viele Patientinnen und Patienten, die keine Angehörigen zur Seite haben, ist das alleine kaum schaffbar, geschweige denn für Hausärztinnen und Hausärzte im normalen Praxisalltag. Viele Versicherte dürften bereits bei der Beantragung der E-Akte bei ihrer Krankenkasse scheitern.

Bei einem anderen Patienten stellte sich heraus, dass Dokumente zwar hochgeladen, in der E-PA des Patienten aber nicht auffindbar bzw. verschwunden waren. Erstes Fazit von Spöhrer: “Das alles ist bisher noch nicht praxistauglich, dauert viel zu lange und ist enorm umständlich.”

Das findet auch Dr. Jens Lassen, Hausarzt in Leck und stellvertretender Vorsitzender des Hausärzteverbandes Schleswig-Holstein. Die E-PA, sagt er, ist für Patienten “viel zu aufwendig”. Als digital affine Praxis bietet Lassen E-AU und E-Rezept an, die E-PA habe bislang keine Alltagsrelevanz, obwohl die technischen Voraussetzungen in seiner Praxis vorhanden sind.

Und auch er sagt: “Es wäre super, wenn wir Zugriff auf Laborwerte, Krankenhausberichte, Befunde etc. hätten.”

Gute Struktur ist essenziell

Ein weiterer, immens wichtiger Punkt für die zukünftige E-PA: Wenn alle Daten (auch von Patienten selbst) in die Akte eingelesen werden, müsse eine gute Struktur vorgegeben werden, sagt Spöhrer. Je mehr Eingaben individuell möglich seien, desto restriktiver müssten die Vorgaben sein.

Würden Vitalparameter beispielsweise in falschen Unterordnern abgespeichert, könnten Ärztinnen und Ärzte später Schwierigkeiten haben, diese Daten zu finden. “Man stelle sich einen Aktenordner vor, in den alles reingeworfen wird. Jeder kann sich vorstellen, wie schwierig es ist, dort ein Dokument zu finden.”

Abgleich mit Fachkollegen

In diesem Zusammenhang setzt die Allgemeinärztin Hoffnung in die Medizinischen Informationsobjekte (MIO), die Praxen eine echte Arbeitserleichterung bringen könnten. Extrem hilfreich fände es Spöhrer, wenn es möglich wäre, Befunde von Kollegen direkt in der eigenen Patientenakte abzuspeichern und damit auch Vergleiche möglich zu machen.

Ein Beispiel: Laborbefunde, die im Krankenhaus erhoben werden, könnten in der E-PA so gespeichert werden, dass sie den anderen Blutwerten des Patienten automatisch zugeordnet würden. Das gelte natürlich auch für EKG, Lufu, radiologische Befunde etc. So könnten Hausärztinnen und Hausärzte schauen, ob und wie andere Fachärzte aus Praxen und Kliniken die Werte des Patienten beurteilten und diese Einschätzung mit der eigenen abgleichen.

Fazit

  • e E-Patientenakte kann helfen, die Versorgung zu verbessern. Hausärztinnen und Hausärzte stehen der Nutzung offen gegen- über, jedoch ist die Handhabung bislang wenig praxistauglich.
  • Knackpunkte: Befunde müssen leicht und rasch auffindbar sein, außerdem müssen Unterlagen, Befunde etc. vollständig sein.
  • Versicherte müssen gut informiert werden, um sich für oder gegen die Nutzung entscheiden zu können und den Beratungs- bedarf in der Hausarztpraxis gering zu halten
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