Für Hausärzte stellen sich oft rechtliche Fragen. Praxistipps geben Experten des Deutschen Hausärzteverbands im ‚praktischen Fall‘.
Ab 1. Oktober 2021 erfolgt der Versand der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) an die Krankenkassen mit dem sogenannten TI-Dienst KIM.
Wichtig: Die Patientin A. erhält weiterhin einen Papierausdruck für sich und den Arbeitgeber, allerdings nicht mit dem bekannten Muster 1, sondern über das Praxisverwaltungssystem (PVS) auf ein sogenanntes “Stylesheet”.
Ab 1. Juli 2022 erfolgt die digitale Weiterleitung der AU an den Arbeitgeber durch die Krankenkassen (“Der Hausarzt” 15/20). Der Patientin müsste die Hausärztin H. jedoch weiterhin eine AU-Bescheinigung in (analoger) Papierform aushändigen.
Die eAU wird über das PVS der Praxis verschickt. Neben der Anbindung an die Telematikinfrastruktur (TI) bedarf es also eines Konnektor-Updates, des KIM-Dienstes, des elektronischen Heilberufsausweises und eines PVS-Updates für die eAU.
Die AU-Feststellung durch die Ärztin H. muss aus mehreren rechtlichen Gesichtspunkten beurteilt werden.
- Das berufsrechtliche Verbot von Fernbehandlungen wurde 2018 gelockert. So sind Fernbehandlungen, unter die auch die Feststellung einer Erkrankung fällt, über Kommunikationsmedien zulässig. Die ausschließliche Fernbehandlung ist aber nur im Einzelfall erlaubt, wenn dies ärztlich vertretbar unter Berücksichtigung der ärztlichen Sorgfaltspflichten erfolgt und die Patientin hinreichend aufgeklärt wird. Die Feststellung einer Arbeitsunfähigkeit über einen Videokontakt wird grundsätzlich für möglich und vertretbar gehalten, wenn dies – je nach Erkrankungsbild – ohne den persönlichen Kontakt verlässlich festgestellt werden kann.
- Anders wird die Lage allerdings aktuell aus sozialrechtlicher Sicht beurteilt. Denn die Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) lässt zwar die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit über eine Videosprechstunde auch zu, aber nur dann, wenn bereits ein Kontakt zwischen Hausärztin H. (oder einer Kollegin, sofern es sich um eine Berufsausübungsgemeinschaft handelt!) und Patientin stattgefunden hat; B. müsste in der Praxis also bereits (unmittelbar) persönlich bekannt sein.
Tipp: Wann gilt ein Patient als “bekannt”? Die “Rauchenden Köpfe” haben verschiedene Szenarien aufgeschlüsselt: www.hausarzt.link/RRg1V
Die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit kann nur für die Dauer von bis zu sieben Kalendertagen erfolgen. Eine Verlängerung ist nur zulässig, wenn bei der Patientin B. bereits aufgrund persönlicher, unmittelbarer Untersuchung die zur AU führende Erkrankung festgestellt worden ist.
Dieses derzeitige Auseinanderfallen der Regularien wird durch den Gesetzgeber als wenig zufriedenstellend gewertet. Daher möchte er durchsetzen, dass der G-BA die AU mittels ausschließlicher Fernbehandlung in seinen Richtlinien ermöglicht. Die gesetzliche Entwicklung muss im Blick behalten werden.
Fazit: Im konkreten Fall der Patientin B. kann die AU auch im Rahmen der Fernbehandlung mittels Videosprechstunde festgestellt werden, da sie bereits lange Jahre in der Praxis bekannt ist. Die Übermittlung der AU erfolgt sodann als eAU über das PVS der Praxis (s. Fallbeispiel 1); B. kann die Krankschreibung in Papierform dann später in der Praxis abholen (lassen).
Durch zeitlich befristete Sonderregelungen will der G-BA Arztpraxen die Arbeit in der Corona-Pandemie erleichtern (www.hausarzt.link/WHDMj). Diese betreffen teils auch die Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie.
Mindestens bis 30. Juni 2021 kann die Hausärztin bei C., da dieser unter einer leichten Atemwegserkrankung leidet, für die Dauer von bis zu sieben Kalendertagen die Arbeitsunfähigkeit auch allein aufgrund einer telefonischen Befragung feststellen. Eine Verlängerung der AU für weitere sieben Kalendertage ist bis dahin ebenfalls aufgrund eines telefonischen Kontakts möglich.
Es ist aufgrund des aktuellen Infektionsgeschehens davon auszugehen, dass die Frist erneut verlängert wird und die Telefon-AU bei leichten Atemwegserkrankungen weiter zulässig bleibt. Tipp: Über eine Verlängerung der Sonderregeln informiert “Der Hausarzt” im Newsletter: www.hausarzt.digital/newsletter-info
Fazit
- In einer stufenweisen Umsetzung wird die digitale eAU eingeführt. Der Zwischenschritt läuft über die Krankenkassen. Praxen müssen für die eAU an die TI angeschlossen sein, die Komponenten ggf. geupdatet werden.
- Die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit nach Videosprechstunde ist aktuell nur zulässig, wenn die Patienten in der Praxis bereits bekannt sind. Dies könnte in Zukunft geändert werden.
- Anlässlich der Corona-Pandemie ist die Telefon-AU bei leichten Atemwegs- erkrankungen noch bis mindestens 30. Juni 2021 möglich.