Das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) zur Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) wirft in Arztpraxen Fragen auf. Am 30. November 2023 (s. Kasten oben) hatte das BSG entschieden, dass die gesetzlichen Krankenkassen dazu verpflichtet sind, ihren Versicherten Krankengeld zu zahlen, auch wenn eine Krankschreibung erst verspätet eingereicht wird.
Ärztinnen und Ärzte fragen sich nun, wie sie bei Bedarf rechtssicher nachweisen können, eine AU korrekt und vor allem zeitnah versandt zu haben, ohne selbst ggf. in Zahlungspflicht genommen werden zu können. Vor allem vor dem Hintergrund, dass es auch immer wieder zu technischen Schwierigkeiten beim Empfang der elektronischen AU (E-AU) seitens der Kassen kommt.
Keine Fehlermeldung gilt als zugestellt
Nach dem elektronischen Versand der E-AU durch die Arztpraxis besteht die Möglichkeit, eine Zustellbestätigung von der Krankenkasse anzufordern, bei den meisten Praxisverwaltungssoftwaren (PVS) erfolgt dies bereits automatisch. Krankenkassen sind jedoch nicht zur Ausstellung einer solchen Empfangsbestätigung verpflichtet.
Sollte 24 Stunden nach der Übermittlung der E-AU an die Krankenkasse keine Fehlermeldung von deren Seite eingegangen sein, gilt die E-AU als erfolgreich zugestellt. Wenn die Empfangsbestätigung nach dem elektronischen Versandt eingegangen ist, hat der Vertragsarzt zunächst seine ihm obliegende Übermittlungspflicht gewahrt.
Tipp: Sinnvoll ist, diese wenn nicht ohnehin dauerhaft angezeigt, in der jeweiligen Patientenakte per Screenshot o.ä. mit Datum und Uhrzeit abzuspeichern.
Scheitert die Übermittlung der Arbeitsunfähigkeitsdaten, bleibt weiterhin der Vertragsarzt zur Meldung der AU an die Krankenkasse verpflichtet. Sollte innerhalb von 24 Stunden keine Versandbestätigung seitens der jeweiligen Krankenkasse eintreffen, wird im Regelfall eine Fehlermeldung kommuniziert. Die Arztpraxis ist im Störfall dann angewiesen, den digitalen Versand innerhalb von 24 Stunden nachzuholen.
Besteht das technische Problem weiterhin, sollen Arztpraxen in diesem Fall die AU-Bescheinigung (Ausdruck der Ausfertigung Krankenkasse) postalisch an die zuständige Krankenkasse schicken und sich an den Softwarehersteller wenden.
Tipp: In einem solchen Fall kann sie dafür die 40130 EBM abrechnen.
Zu empfehlen ist, die jeweiligen Eingangsbestätigungen, Fehlermeldungen und den ggf. erfolgten postalischen Versand in der jeweiligen Patientenakte zu dokumentieren. Weiterhin kann sinnvoll sein, eine entsprechende Arbeitsanweisung diesen Ablauf betreffend zu formulieren, damit im Bedarfsfall darauf abgestellt werden kann, dass die Einhaltung dieser Prozessschritte gängiger Arbeitsalltag in der Praxis ist.
Eine etwaige Zahlungspflicht der Vertragsärztinnen und -ärzte dürfte aber auch bei einem Unterbleiben des Versands nicht anzunehmen sein. Denn das BSG hat in seiner Entscheidung klargestellt, dass der Anspruch auf Krankengeld der Patientinnen und Patienten durch einen mangelnden Versand nicht ruht, sondern weiterhin besteht.
Somit dürfte weder in Richtung Versicherten noch in Richtung Krankenkasse ein Schaden begründbar sein. Ob die Nichtübermittlung der AU dem Vertragsarzt oder -ärztin oder der Krankenkasse zuzurechnen ist, ist somit für den Bestand des Krankengeldanspruchs der Versicherten unerheblich.
Auch die vermeintliche verzögerte Ermöglichung einer zeitnahen Nachprüfung der Krankengeldansprüche durch die Krankenkasse wird wohl keinen begründbaren Schaden der Krankenkasse darstellen, der etwa durch die Vertragsärztinnen und -ärzte zu ersetzen wäre.
Ausdruck für Arbeitgeber keine Pflicht
Ein weiteres Problem, mit dem sich einige Arztpraxen konfrontiert sehen, ist, dass Arbeitgeber nach wie vor eine ausgedruckte AU wünschen, obwohl sie eigentlich die elektronischen Daten bei der Krankenkasse abfragen müssten. Wie können Praxen dies rechtssicher beantworten?
Seit dem 1. Januar 2023 sollen auch Arbeitgeber die AU-Daten nur noch digital erhalten und sind verpflichtet, diese bei den Krankenkassen abzurufen, sobald ihnen die Information über die Krankeschreibung durch die Beschäftigten vorliegen. Seitdem muss der Ausdruck für den Arbeitgeber also nicht mehr regelhaft erstellt werden.
Vertragsärztinnen und -ärzte müssen die AU-Bescheinigung für den Arbeitgeber also nur noch in Ausnahmefällen auf Wunsch der Patientin oder des Patienten ausdrucken. Dies ist insbesondere für Arbeitslose, Studierende und Schülerinnen und Schüler wichtig, da hier noch kein digitaler Empfang der Arbeitgeberdaten möglich ist.
Merke: Die Versicherten haben also auch nach Ablauf der E-AU-Pilotphase gemäß Paragraf 73 Abs. 2 Satz 1 Nr. 9 SGB V weiterhin Anspruch darauf, dass der Arzt oder die Ärztin ihnen die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung in Papier aushändigt.
Dies gilt jedoch nur für die Ausfertigung für die Versicherten selbst. Die Arbeitgeber hingegen können von ihren Arbeitnehmern nicht mehr die Vorlage eines AU-Ausdrucks verlangen. Hierauf haben sie keinen Anspruch mehr. Versicherte können daher darauf hingewiesen werden, dass Praxen demnach nur noch den AU-Ausdruck für die oben genannten Ausnahmen ausdrucken müssen. •