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"Der praktische Fall"Urlaubszeit: Patienten per Videosprechstunde krankschreiben?

Menschen können auch aus dem Urlaub mit ihrer Hausarztpraxis über eine Videosprechstunde leicht in Kontakt treten. Haben Erkrankte im Urlaub dann Anspruch auf eine Krankschreibung ihrer Hausarztpraxis?

Darf sich eine im Urlaub erkrankte Arbeitnehmerin von ihrem Hausarzt per Videosprechstunde krankschreiben lassen?

Zunächst ist festzustellen, dass Krankheitstage keine Urlaubstage sind. Nach Paragraf 9 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) gilt, dass die durch ärztliches Zeugnis nachgewiesenen Tage der Arbeitsunfähigkeit auf den Jahresurlaub nicht angerechnet werden, wenn ein Arbeitnehmer während des Erholungsurlaubs erkrankt, denn dieser Zeitraum kann gerade nicht dem eigentlichen Sinn und Zweck dienen – der Erholung des Arbeitnehmers.

Somit muss sich der erkrankte Arbeitnehmer krankschreiben lassen, seinen Arbeitgeber von der Krankheit unterrichten. Dem Arbeitgeber muss weiterhin die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) zugehen, damit die Krankheitstage eben nicht als Urlaubstage zählen und dem erkrankten Arbeitnehmer weiterhin der Anspruch auf seinen (verbleibenden) Jahresurlaub zusteht.

Im Übrigen gilt zudem die Anzeige- und Nachweispflicht (Paragraf 5 EFZG), wonach der Patient spätestens am 4. Tag der Erkrankung eine digitale ärztliche Bescheinigung ausstellen lassen muss; dies kann von dem Arbeitgeber bereits ab dem 1. Tag (arbeitsvertraglich) eingefordert werden.

Wichtig ist die AU somit auch für den Anspruch des Patienten auf eine Entgeltfortzahlung. Da der Patient allerdings nicht die ersten 2 Tage seines Urlaubsanspruchs “verlieren” will, wird er eine AU bereits ab dem ersten Krankheitstag benötigen, um nachweisen zu können, dass er nicht arbeiten hätte können, wäre er zuhause.

Wie kann sich ein Urlauber krankschreiben lassen?

Die Frage ist letztlich, ob der im Urlaub erkrankte Arbeitnehmer einen Arzt am Urlaubsort aufsuchen muss oder sich von seinem Hausarzt im Wege einer Videosprechstunde krankschreiben lassen darf?

Nach Paragraf 4 Absatz 5 der “Richtlinie über die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit und die Maßnahmen zur stufenweisen Wiedereingliederung nach Paragraf 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 7 SGB V” (sog. Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie) ist eine Krankschreibung per Videosprechstunde grundsätzlich erlaubt – und dies gilt natürlich zunächst unabhängig davon, ob sich der Patient in unmittelbarer häuslicher Nähe zur Praxis befindet.

Darauf müssen Ärztinnen und Ärzte achten

Das Bescheinigen einer AU ist per Videosprechstunde grundsätzlich sowohl bei bekannten als auch bei zuvor unbekannten Patienten vorstellbar und möglich. Bei dem Hausarzt unbekannten Patienten darf die AU für eine Krankheitsdauer von bis zu 3 Tage ausgestellt werden. Bei dem Hausarzt bekannten Patienten ist dies bis für einen Zeitraum von bis zu 7 Tage möglich.

Ist der Patient nach diesem Zeitraum weiterhin erkrankt, muss er grundsätzlich in der Praxis vorstellig werden. Ist dies bei dem Hausarzt nicht möglich, muss eine Praxis am Urlaubsort aufgesucht werden.

Voraussetzung für die Ausstellung einer AU ist in jedem Fall, dass die konkrete Symptomatik eine Abklärung per Videosprechstunde überhaupt zulässt. Der Hausarzt darf zulässigerweise auf die Erforderlichkeit einer unmittelbar persönlichen Untersuchung eines Patienten verweisen und ist zur Ausstellung einer AU somit nicht verpflichtet.

Mit anderen Worten: Ein Anspruch des Patienten auf das Ausstellen einer AU im Rahmen einer Videosprechstunde besteht gerade nicht. Die Entscheidung, ob es medizinisch vertretbar ist, jemanden nach Konsultation im Rahmen der Videosprechstunde krankzuschreiben, trifft in jedem Fall der Arzt.

Kann er die AU im Rahmen der Videosprechstunde nicht ausreichend beurteilen, muss der Patient darauf hingewiesen werden, dass eine persönliche Untersuchung in der Praxis erforderlich ist. Ist die Praxis für den Patienten nicht erreichbar, da er sich an einem anderen Ort aufhält, muss er eine Praxis an dem Urlaubsort aufsuchen.

Weiterhin ist zu beachten, dass eine sog. Folgekrankschreibung mittels Videosprechstunde nur dann möglich ist, wenn der Patient für die vorhergehende AU zu einer persönlichen Untersuchung in der Praxis war.

In diesem Kontext wird schnell klar, dass eine Folgekrankschreibung innerhalb der Urlaubsabwesenheit ohnedies nur schwer vorstellbar sein dürfte, da der Patient in diesem Fall seinen Erholungsurlaub bereits krank angetreten haben müsste.

Der Patient ist im Vorfeld der Videosprechstunde in jedem Fall über die eingeschränkten Optionen der Befunderhebung zum Zweck der Feststellung der AU bei ausschließlicher Nutzung von Fernkommunikationsmitteln – ohne persönliche Anwesenheit von Arzt und Patient am gleichen Ort – aufzuklären.

Patienten im Ausland haben grundsätzliche Pflichten

Innerhalb der Europäischen Union steht dem Patienten ein vereinfachtes Verfahren zur Erfüllung seiner Nachweispflichten gegenüber dem Arbeitgeber zur Verfügung.

Der gesetzlich Krankenversicherte kann sich an den zuständigen ausländischen Sozialversicherungsträger wenden und dort die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des behandelnden (ausländischen) Arztes vorlegen. Der Arbeitgeber des Patienten wird von der gesetzlichen Krankenversicherung des Patienten informiert, die diese Information wiederum von der ausländischen Krankenversicherung erhält.

Auch in nicht EU-Mitgliedsstaaten wird das vereinfachte Verfahren mit Ländern durchgeführt, mit denen ein entsprechendes Sozialversicherungsabkommen geschlossen wurde – hierbei kommt es auf den konkreten Einzelfall an.

Hält sich der erkrankte Patient hingegen in einem anderen Nicht-EU-Land auf, mit dem kein entsprechendes Sozialversicherungsabkommen besteht, verbleibt es bei den allgemeinen Vorgaben zur Anzeige- und Nachweispflicht. Das heißt, der Patient ist in der maßgeblichen Pflicht.

Grundsätzlich bestand somit stets die Pflicht des Patienten, sich an einem ausländischen Urlaubsort bei einem dort ansässigen Arzt vorzustellen, um die Erkrankung im Sinne einer AU feststellen zu lassen. Ob dies zukünftig auch im Wege der Videosprechstunde durch den Hausarzt in Deutschland möglich sein soll, muss sicherlich bei dem Hausarzt bekannten, eigenen Patienten diskutiert werden dürfen.

Eine eindeutige Aussage zu der Zulässigkeit findet sich indes in der aktuellen Fassung der AU-Richtlinie nicht, obgleich das Verbot ausschließlicher Fernbehandlung in der bisherigen Ausprägung berufsrechtlich nicht fortbesteht.

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