Frau Dr. Quellhorst, wie war die Resonanz auf den Aufruf im Kollegenkreis?
Quellhorst: Die Resonanz war sehr positiv! Innerhalb kürzester Zeit hatten sich 150 Kolleginnen und Kollegen gemeldet und 50 Personen aus Assistenzberufen. Und es kommen immer noch Rückmeldungen. Warum machen Sie persönlich mit? Ich möchte meinen Teil dazu beitragen, dass Randgruppen der Gesellschaft mit ihren Nöten nicht vergessen werden. Deshalb engagiere ich mich bei „Ärzte ohne Grenzen“ und jetzt für die Flüchtlinge hier.
Inwieweit können Sie die bei Auslandseinsätzen gemachten Erfahrungen jetzt in Hamburg einbringen?
Man lernt, Situationen schnell zu erfassen. Ein Problem nicht im Kleinen, sondern direkt breitflächig zu erfassen und sagen zu können „Wo brauche ich Hilfe?“, „Was muss jetzt als erstes organisiert werden?“. Ich bin es gewohnt zu organisieren. Bei der medizinischen Arbeit hilft mir sicherlich sehr, eine Vorstellung davon zu haben, wie es in der Heimat des Patienten zugeht.
Wie sieht die Versorgung derzeit in Ihrer Aufnahmestelle aus?
Wir haben eine Praxis eingerichtet in der Erstaufnahmestelle, in der Kranke an sieben Tagen in der Woche Hilfe finden. In der Woche ist sie in zwei Schichten mit einem Hausarzt und einer Assistenz besetzt, am Wochenende in einer. Zweimal in der Woche arbeitet zudem ein Kinderarzt mit.
Mit welchen Krankheitsbildern haben Sie in der Praxis dort am häufigsten zu tun?
Ganz klar mit Schmerzen jeglicher Art. Mit Hauterkrankungen, mit Schwangeren. Und mit psychosomatischen Beschwerden im breitesten Sinne. Mindestens genauso wichtig wie Medikamente ist aber das Zuhören, die menschliche Zuwendung – ganz unabhängig von einer möglichen Sprach- oder Kulturbarriere. Jeder Patient hat seine Geschichte, nicht selten ist die Erkrankung ein Resultat dessen. Deshalb halte ich Allgemeinmediziner auch für besonders geeignet hier zu helfen, die sprechende Medizin gehört bei uns tagtäglich dazu.
Worauf sollten sich Kollegen vorbereiten, die an einer Mithilfe interessiert sind? Ich empfehle jedem Kollegen, zunächst einmal in einer solchen Praxis zu hospitieren, nicht jeder ist gleich gut für diese Tätigkeit geeignet. Das lässt sich für alle Beteiligten bei einer Hospitation am besten feststellen. Zudem ist natürlich sehr wichtig, dass das Umfeld mitspielt, das Team in der eigenen Praxis. Ich habe das Glück, dass mich meine Kollegen dort sehr in meinem Engagement, sei es für „Ärzte ohne Grenzen“ oder jetzt hier, unterstützen. Sonst wäre das alles nicht machbar.
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