In den Aufnahmeeinrichtungen für Flüchtlinge wird die Eingangsuntersuchung von den Behörden der Länder geregelt, organisiert und finanziert. Da die Amtsärzte bei der Menge an Flüchtlingen überfordert sind, können auch andere Ärzte hinzugezogen werden. Die Vergütung dieser Erstuntersuchungen geht zu Lasten der Behörden. Die Grundlage für die medizinische Versorgung von Asylberechtigten nach Aufteilung auf die Kommunen und Gemeinden ist das Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) von 1993, zuletzt geändert am 23. Dezember 2014.
Umfang der medizinischen Leistung
Doch welche medizinischen Leistungen stehen Asylbewerbern zu? Der Anspruch unterscheidet sich in verschiedenen Punkten von dem der „normal“ Versicherten. Geregelt ist der Versorgungsumfang in Paragraf 4 AsylbLG. Für Hausärzte wichtige Komponenten zusammengefasst sind:
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Akute Erkrankungen und Schmerzzustände inklusive der erforderlichen Versorgung mit Arznei- und Verbandmitteln sowie sonstige zur Genesung, Besserung oder Linderung von Krankheiten oder Krankheitsfolgen erforderliche Leistungen
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Gewährung von ärztlicher und pflegerischer Hilfe und Betreuung, von Hebammenhilfe, Arznei-, Verband- und Heilmitteln bei werdenden Müttern und Wöchnerinnen
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Amtlich empfohlene Schutzimpfungen und medizinisch gebotene Vorsorgeuntersuchungen.
Wie in vielen anderen Situationen in der Praxis ist auch hier die Entscheidung „liegt eine akute Erkrankung oder ein akuter Schmerzzustand vor oder nicht?“, eine Entscheidung des Hausarztes vor Ort. Diese Entscheidung kann ihm kein Beamter und keine Liste abnehmen. Wie werden chronische Krankheiten mit permanentem Behandlungsbedarf behandelt? Muss ich bei einem gut eingestellten Diabetes erst warten, bis aufgrund von Insulinmangel eine akute Verschlechterung und damit eine Akutsituation eintritt? Auch die Länder und die einzelnen Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) beziehen hier nicht immer klar Stellung. Allein in Baden-Württemberg wird die Sachlage klargestellt: „Die Versorgung beinhaltet auch die Versorgung chronischer Erkrankungen, soweit diese aus ärztlicher Sicht erforderlich ist“ (nach einer Entscheidung des Regierungspräsidiums Karlsruhe).
Im Zweifel werden sich Ärzte immer für eine Behandlung entscheiden, um nicht, nach Eintreten eines vorhersehbaren Notfalls, wegen Leistungsverweigerung belangt zu werden. Werdende Mütter Ganz klar geregelt – wenn auch für Hausärzte nicht im Vordergrund – ist die Behandlung Schwangerer und Gebärender inklusive der Versorgung mit Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln. Auch die Durchführung amtlich und damit von der STIKO empfohlener Impfungen als auch gebotener Vorsorgeuntersuchungen sind im Gesetz eindeutig entschieden (siehe Leistungsumfang).
Krankenbehandlungsschein
Kommen Asylbewerber in die hausärztliche Praxis, ist es wichtig, dass sie einen Krankenbehandlungsschein mit sich führen. Diesen stellt der zuständige Sozialhilfeträger, in der Regel das Sozialamt, aus – nur bei allein reisenden, minderjährigen Kindern fällt dies dem Jugendamt zu. Bei den Behandlungsscheinen sollten Hausärzte auf unter Umständen abweichende Gültigkeitsdauern achten; aber auch Hinweise zum Überweisungsverfahren oder sonstige Einschränkungen können vermerkt sein.
Da hierfür die Länder zuständig sind, gibt es entsprechend unterschiedliche Vorgaben. Aus Platzgründen können wir nicht auf alle eingehen. Eine Ausnahme bilden Hamburg und Bremen. Hier erhalten Flüchtlinge durch einen Vertrag mit der AOK Bremen/Bremerhaven eine Chipkarte und sind – außer beim Leistungsumfang – wie „normale“ Versicherte zu behandeln. Auch Nordrhein-Westfalen hat sich im August mit mehreren Kassen einer Rahmenvereinbarung geschlossen – die Einführung läuft.
Überweisung
Immer wenn eine Überweisung zum Facharzt fällig ist, offenbart sich das Chaos der länderspezifischen Modelle. In Mecklenburg-Vorpommern etwa bedarf die Überweisung an einen Facharzt einer Genehmigung und eines Stempels der Sozialbehörde, ebenso in Bayern. In Thüringen muss der Sozialhilfeträger einen neuen Originalschein ausfüllen. Und in Baden-Württemberg erfolgt die Überweisung auf normalem Formular. Manchmal ist auch die Genehmigung, isoliert bei bestimmten Fachgruppen wie Gynäkologe und Augenarzt, nicht erforderlich.
Ebenso finden sich bei der Notfallversorgung im organisierten Notfalldienst verschiedene Varianten: Grundsätzlich gilt auch hier das Muster 19. In Thüringen müssen Ärzte dann vor Abrechnung dieses Notfallscheines eine Kostenübernahme beim Sozialamt beantragen, in Bayern muss die Notfallbehandlung dort lediglich angezeigt werden. Bei Krankenhaus-Einweisungen muss grundsätzlich – außer im Notfall – eine vorherige Kostenübernahme beim Sozialhilfeträger beantragt und genehmigt werden.
Arznei-, Heil- und Hilfsmittel
Asylbewerber müssen nie zu Arzneimittel- und Heilmittelverordnungen zuzahlen. Sogenannte Bagatellarzneimittel können bei Asylbewerbern frei sein, manchmal kann auch eine Kosten-übernahme mit dem Sozialhilfeträger geklärt werden. Heil- und Hilfsmittel hingegen muss der Sozialhilfeträger genehmigen!
Abrechnung
Die Abrechnung von Asylbewerbern erfolgt immer außerhalb des Regelleistungsvolumens (RLV). Der Abrechnungsweg geht in der Regel über die KV. Aber auch vereinzelte Direktabrechnungen mit Sozialhilfeträgern kommen vor. Die Abrechnung erfolgt nach EBM.
Fazit
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Aufgrund der Vielfalt der länderspezifischen Regelungen sollten Sie bei jeder Unklarheit bei der für Sie zuständigen KV nachfragen.
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Bei Erstinanspruchnahme sollte bei jedem dieser Patienten die Identität geprüft werden, ob auch der Behandlungsschein zum Patienten passt.
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Im Zweifel sollte eine Behandlung immer vorgenommen werden, auch wenn die Akuität aktuell nicht gegeben ist.
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Wünschenswert wäre eine bundeseinheitliche Regelung, etwa auch mit Ausgabe einer elektronischen Gesundheitskarte, um vor allem das Prozedere in den Hausarztpraxen zu vereinfachen. So regeln es bereits Hamburg und Bremen, in Nordrhein-Westfalen hat die Umsetzung begonnen, Gespräche werden im Saarland, Rheinland-Pfalz und Brandenburg geführt, in Thüringen und Berlin ist dies in Planung (bis Redaktionsschluss). Viele Länder wollen aber auch eine Regelung auf Bundesebene vorantreiben.
Leistungsberechtigt gemäß Paragraf 1 AsylbLG sind
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Ausländer mit Aufenthaltserlaubnis wegen Kriegszustand in ihrem Heimatland,
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Ausreisepflichtige Ausländer, die aus verschiedenen Gründen aktuell nicht ausreisen können, und
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Ehegatten, Lebenspartner oder minderjährige Kinder der oben genannten Personen, auch wenn die dort genannten Voraussetzungen für sie selbst nicht erfüllt sind.
Quellen: EBM 2015, http://www.gesetze-im-internet.de/asylblg/, Internetauftritte der regionalen KVen
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