Gibt ein Arzt seine Praxis auf, muss er sich auch mit dem Verbleib der Patientenakten beschäftigen. Denn Patienten haben gemäß Paragraf 810 des Bürgerlichen Gesetzbuches ein Recht auf Einsicht oder Aushändigung der Unterlagen, wenn sie den Arzt wechseln wollen oder müssen. Wegen der hohen forensischen Bedeutung der ärztlichen Dokumentation müssen Allgemeinmediziner, die ihre Praxis abgeben wollen oder schließen müssen, die Unterlagen so aufbewahren, dass sie sie auch nach Jahren den Patienten auf Anfrage zur Verfügung stellen können.
Generell gilt: Die Akten müssen nach Paragraf 10 der Berufsordnung für Ärzte zehn Jahre lang aufbewahrt werden. Je nach Art der Unterlagen, der Krankheit und der Therapie gelten aber längere oder kürzere Fristen. Aufzeichnungen und -berechnungen zu Röntgenbehandlungen dürfen 30 Jahre lang nicht vernichtet werden. Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen müssen dagegen nicht länger als ein Jahr aufbewahrt werden. Detaillierte Listen, welche Befunde Patienten wie lange zur Verfügung gestellt werden müssen, bieten die Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) an (siehe Links).
Grundsätzlich gilt: „Die Frist beginnt beim letzten Praxisbesuch des Patienten“, sagt Uta Plohmann, Expertin aus der Abteilung Praxisberatung und Bedarfsplanung bei der KV Westfalen-Lippe (KVWL). Die Aufbewahrung kann entweder digital auf einem elektronischen Datenträger oder in einer manuellen Patientenkartei erfolgen. „In beiden Fällen ist wichtig: Der Arzt muss verhindern, dass die Daten verändert, vernichtet oder unrechtmäßig von Dritten verwendet werden können“, sagt Plohmann.
Hat der Arzt einen Nachfolger gefunden, gilt weiterhin seine ärztliche Schweigepflicht. Der neue Kollege darf erst dann auf die Akten zugreifen, wenn der Patient eingewilligt hat. „Am besten organisiert der Abgeber eine schriftliche Einwilligungserklärung jedes Patienten“, sagt Plohmann. Wichtig: Der Nachfolger muss in dem Schreiben konkret benannt werden, sonst ist die Einwilligung unwirksam. „Ist der Patient nicht einverstanden, muss der Arzt die Akte an ihn zurückgeben.“ Digital gespeicherte Patientenunterlagen sollten mit einem Passwort gesperrt werden. Erst wenn die Patienteneinwilligung vorliegt, kann der Nachfolger darauf zugreifen. Kennt sich der Mediziner nicht gut genug mit der Technik aus, kann er für die Sperrung der Daten eine EDV-Firma beauftragen.
Auch Allgemeinmediziner, die keinen Nachfolger finden, müssen sich darum kümmern, dass die Akten für die Patienten zugänglich bleiben. „Das kann zum Beispiel in einem angemieteten Raum, im Keller oder in der Garage sein“, sagt Plohmann. „Es muss allerdings gewährleistet sein, dass Dritte keinen Zugriff darauf haben.“ Die KV Bayerns (KVB) weist darauf hin, dass manuelle Patientenkarteien auch in „gehörige Obhut“ gegeben werden können, wenn sich kein Nachfolger findet. Das kann beispielsweise ein Kollege übernehmen. „Dieser Kollege hat die Aufzeichnungen unter Verschluss zu halten und darf sie nur mit Einwilligung des Patienten einsehen oder weitergeben“, heißt es. Auch Praxispersonal kann die Verwaltung der Daten übernehmen, schreibt die KVB. „Das ist möglich, wenn die Arzthelferin beim Praxisabgeber gearbeitet hat.“
Findet sich absolut kein Nachfolger, Erbe oder anderer Kollege, der die Akten verwalten kann, kann auch die Ärztekammer die Unterlagen in Obhut nehmen. „Die Ärztekammer Nordrhein steht seit einigen Jahren immer häufiger vor dem Problem,,herrenlose‘ Patientenakten zumindest vorübergehend in Verwahrung nehmen zu müssen“, berichtet ÄKNo-Justiziar Dr. Dirk Schulenburg.
Links
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Aufbewahrungsfristen, Merkblatt der KV Berlin
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Patientenunterlagen, Merkblatt der Ärztekammer Bremen
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