Forum PolitikNachfolger: Das ABC zur Praxisabgabe

Wann soll man mit der Nachfolgersuche beginnen? Wie kann die Übergabe erfolgen? Wie sieht die Zukunft der Praxismitarbeiter aus? Diese Fragen stellen sich, wenn Hausärzte ihre Praxis abgeben wollen. Berater geben Tipps, wie sich ein Nachfolger findet und der Übergang fließend gestaltet werden kann.

Dr. Carl Hans Biedendieck ist ernüchtert. Seit etwa zwei Jahren sucht er einen Nachfolger für seine Allgemeinarztpraxis in Herford, bislang ohne Erfolg. „Ich habe alles versucht: im Ärzteblatt inseriert, in der Börse der Kassenärztlichen Vereinigung ausgeschrieben, einen Weiterbildungsassistenten gesucht – es hat alles nichts gebracht“, sagt er. Auch die Kliniken in der Region hat Biedendieck kontaktiert, ebenfalls ohne Ergebnis. Seit 32 Jahren betreibt er seine Praxis, die rund 1.400 Patienten pro Quartal versorgt, in spätestens drei Jahren möchte er sie abgeben. Bislang haben sich lediglich zwei junge Mediziner vage für die Praxis interessiert. „Der eine hat dann seine eigene Praxis aufgemacht, der andere wollte lieber in einer anderen Stadt praktizieren“, sagt der Hausarzt. „Angeschaut hat sich meine Praxis noch keiner.“

Biedendieck ist nicht der einzige Allgemeinmediziner, der keinen Nachfolger findet. Die Anforderungen der jungen Ärzte an den Beruf haben sich verändert, ländliche Regionen sind als Lebensmittelpunkt für viele Jungmediziner nicht attraktiv. Inzwischen ist Biedendieck sogar bereit, eine Vermittleragentur zu beauftragen, die junge Ärzte aus Osteuropa anwirbt. „Auch wenn ich das eigentlich unethisch finde. Die werden in ihren Ländern für viel Geld ausgebildet und ollen dann hier die Misere ausbaden.“ Beim Zeitpunkt der Nachfolgersuche hat Biedendieck nichts falsch gemacht. „In ländlichen Regionen ist es sinnvoll, sich bereits fünf Jahre vor der geplanten Abgabe mit der Nachfolgersuche zu beschäftigen“, sagt Oliver Frielingsdorf von der Ärzteberatung Frielingsdorf Consult.

Möglichkeiten, potenzielle Kandidaten zu suchen, gibt es viele. Mitglieder des Deutschen Hausärzteverbandes können zweimal gratis in der „Praxisbörse“ in „Der Hausarzt“ ausschreiben. Zudem bieten einige Landesverbände wie Baden-Württemberg (www.perspektive-hausarzt-bw.de) oder Bayern Praxisinhabern und Gemeinden an, online in einer Stellenbörse zu inserieren. Auch die Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) bieten Personalbörsen, in denen Ärzte Anzeigen schalten können. Bei der KV Westfalen-Lippe (KVWL) etwa können Mitglieder kostenfrei inserieren, für Externe kostet eine Anzeige 60 bis 120 Euro.

Aber auch inoffizielle Wege sind erfolgversprechend. „Ärzte sollten ihre Kontakte in andere Praxen oder in umliegende Kliniken aktiv bespielen“, rät Frielingsdorf. „Manchmal sitzt beim Nachbarkollegen ein junger Arzt, der unzufrieden ist, weil er in der Praxis nicht zum Zug kommt und sich vorstellen könnte, eine eigene Praxis aufzumachen.“

Manchmal könnten Pharmavertreter hilfreich sein. „Die kommen herum und wissen unglaublich viel“, sagt Frielingsdorf. Allerdings müsste der Arzt dem Vertreter vertrauen können und sicher sein, dass er nichts von seinen Abgabeplänen weitererzählt. „Das kann der Praxis schaden.“ Wer gar keinen Nachfolger finde, könne auch einen professionellen Headhunter engagieren.

Der Berater hat die Erfahrung gemacht, dass sich Nachfolger manchmal im familiären Umfeld des Allgemeinmediziners finden. So wie bei Dr. Dieter Conrad, dem ehemaligen Vorsitzenden des hessischen Hausärzteverbandes. Der 64-jährige Allgemeinmediziner aus Neuental, einem kleinen Ort rund 45 Kilometer nordöstlich von Marburg, hat zwei Jahre lang nach einem Nachfolger gesucht, ebenfalls ohne Erfolg. Schließlich erklärte sich seine Schwiegertochter bereit, die Praxis zu übernehmen. Dafür musste sie, die eigentlich Fachärztin für Innere Medizin ist, noch einen Facharzt in Allgemeinmedizin draufsatteln. Parallel dazu arbeitet sie ihr Schwiegervater in die Praxisabläufe ein. 2017 soll sie dann übernehmen.

Hohe Berufszufriedenheit

Conrad hat seinen Beruf gerne ausgeübt. Auch nach Eintritt in den Ruhestand kann er sich deswegen vorstellen, seiner Nachfolgerin auszuhelfen, indem er Vertretungen übernimmt oder telefonisch Hilfe gibt. Vielen Hausärzten geht es wie ihm. Sie lieben ihren Job und können sich nicht vorstellen, etwas anderes zu machen. Wissenschaftler der Medizinischen Hochschule Hannover und der Universität Bremen haben 2012 eine Untersuchung veröffentlicht, für die sie mehr als 1.000 Allgemeinmediziner zu ihrer Berufszufriedenheit befragt haben. 64 Prozent von ihnen waren sehr zufrieden oder zufrieden. Am zufriedensten (73 Prozent) sind dabei junge Allgemeinmediziner zwischen 29 und 45 Jahren [1].

Bei den fachlichen Anforderungen, die ihr Beruf an sie stellt, haben Allgemeinmediziner ebenso keinen Grund zur Klage: 84 Prozent gaben an, damit sehr zufrieden zu sein. Das gängige Vorurteil, dass der Hausarzt nur Grippe und kleinere Beschwerden behandelt, und den Patienten bei komplexeren Erkrankungen sofort an den Facharzt überweist, stimmt nicht. Immerhin werden 80 Prozent der Patienten abschließend in der Hausarztpraxis behandelt. Ein Fakt, der gerade unter Medizinstudenten noch wenig bekannt ist.

Geschlossener oder offener Planungsbereich?

Nicht nur die Nachfolgersuche kann dauern, auch die formalen Ansprüche einer Praxisübergabe brauchen Zeit. Wer darüber nachdenkt, in Ruhestand zu gehen, sollte sich zwei Jahre vorher über alle notwendigen Schritte informieren, rät Uta Plohmann, Expertin aus der Abteilung Praxisberatung und Bedarfsplanung bei der KVWL. Zunächst ist es wichtig, herauszufinden, ob sich eine Praxis in einem gesperrten oder offenen Planungsbereich befindet. Das lässt sich über die Abteilung Sicherstellung der KVen erfahren.

Die Praxen von Conrad und Biedendieck liegen in unterversorgten Gebieten. Ärzte, die n solchen Regionen tätig sind, können die Praxis einfach ausschreiben und, falls sie einen geeigneten Nachfolger finden, mit ihm die Übergabemodalitäten verhandeln.

In gesperrten Planungsbereichen dagegen, in denen eine Überversorgung herrscht, wartet eine Menge Bürokratie auf den abgabewilligen Arzt. „Nach dem Versorgungsstärkungsgesetz muss der Arzt beim Zulassungsausschuss einen Antrag auf Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens stellen“, sagt Plohmann. „Der Ausschuss entscheidet darüber, ob eine Nachbesetzung aus Versorgungsgründen erforderlich ist oder nicht.“

Erst nach Bewilligung durch den Ausschuss kann der Arzt einen Nachfolger suchen. Entscheidet das Gremium für die Erhaltung der Praxis, schreibt die KV den Vertragsarztsitz aus und erstellt eine Liste mit eingehenden Bewerbungen. „Der abgabewillige Mediziner kann sich dann mit den Bewerbern über die Übergabemodalitäten einigen“, sagt die Expertin. Letztendlich aber hat der Zulassungsausschuss das letzte Wort. „Er entscheidet, welches der geeignetste Kandidat für die Nachfolge ist.“ Kriterien sind unter anderem die berufliche Eignung, das Approbationsalter und ob der Bewerber Ehepartner, Lebenspartner oder Kind des bisher tätigen Arztes ist.

Außerdem muss der Arzt gegenüber dem Zulassungsausschuss seinen Verzicht auf die Zulassung erklären. Viele KVen empfehlen, die Verzichtserklärung unter dem Vorbehalt abzugeben, dass ein Nachfolger für die Praxis gefunden wird. So kann der abgebende Arzt verhindern, dass der Verzicht wirksam wird, auch wenn die Übergabe scheitern sollte. Das kann etwa der Fall sein, wenn sich die Parteien nicht auf einen Preis einigen können. „Die abzugebende Verzichtserklärung sollte erst kurz vor oder in der Sitzung des Zulassungsausschusses abgegeben werden und mit der Bedingung, dass ein Nachfolger bestandskräftig zugelassen wird“, empfiehlt Plohmann.

Wie kann der Übergang gestaltet werden?

Ist ein geeigneter Nachfolgekandidat gefunden, müssen sich Abgeber und Interessent über die Übergabemodalitäten einigen. Ein wichtiger Punkt ist der Wert der Praxis. Bei der Ermittlung des Verkaufswertes können Mediziner sich Hilfe bei den KVen suchen. Sie bieten als Service an, einen Schätzwert zu erstellen [2].

„Anhand des Umsatzes wird ein Ertragswert ermittelt“, sagt Plohmann. „Auch der durchschnittliche Verkaufspreis des vergangenen Jahres kann ein Anhaltspunkt sein.“ Daneben spielen Anzahl der Privatpatienten, Region und Geräteausstattung eine wichtige Rolle. „Wie viel der Nachfolger dann tatsächlich für die Praxis zahlt, ist Verhandlungssache“, so die Beraterin.

Seine Schwiegertochter wird wohl keinen allzu hohen Preis für die Übernahme der Praxis zahlen, erwartet Conrad. „Ich kann ja froh sein, dass sie sie übernimmt.“ Die Ausrüstung seiner Praxis sieht der Hausarzt als hochwertig an. „Ich habe die EDV-Anlage vor zwei Monaten komplett modernisieren lassen“, sagt er. Acht Arbeitsplätze können seine Mitarbeiterinnen jetzt nutzen, dazu hat er in einen modernen Mehrschachtdrucker investiert. „Früher gehörte der Praxisverkauf zur Altersvorsorge, heute kann man das glatt vergessen“, meint er.

Neben dem Verkaufspreis muss der Arzt daran denken, den Mietvertrag für die Praxisimmobilie und eventuell vorhandene Versicherungen rechtzeitig zu kündigen. Auch die Zukunft der Mitarbeiter muss der Arzt im Blick haben. Wird der Nachfolger die Medizinischen Fachangestellten übernehmen oder bringt er eigenes Personal mit?

„In der Regel gehen die Personalverträge über auf den Nachfolger, es sei denn, das Personal widerspricht. Hierzu sollte im Zweifel juristischer Rat eingeholt werden“, sagt Berater Frielingsdorf.

Wer einen Nachfolger gefunden hat, hat mehrere Möglichkeiten, wie er den jungen Kollegen oder die Kollegin in die Praxis einarbeitet. Viele ältere Mediziner wünschen sich, nach und nach etwas kürzer zu treten. „Mit einer Übergangsgemeinschaftspraxis kann der Arzt seinen Nachfolger über etwa ein Jahr einbinden, so dass sich die Patienten langsam an den Nachfolger gewöhnen können. Junge Ärzte schätzen zudem die Einarbeitung durch den Praxisabgeber“, weiß Frielingsdorf. „Das kann entweder über Jobsharing-Modelle funktionieren oder über eine Zulassungshalbierung.“ Über diese Modelle könnte der Arzt dann seine Tätigkeit in Teilzeit ausklingen lassen.

Der Experte warnt allerdings davor, die Praxis langsam herunterzufahren und erst dann zu verkaufen, wenn der Arzt seine Praxistätigkeit endgültig aufgeben will. „Das ist riskant, vor allem wenn der Arzt noch einen guten Verkaufspreis erzielen will“, sagt er. Denn das neue Versorgungsstärkungsgesetz sieht vor, dass die KVen Arztsitze in überversorgten Gebieten aufkaufen können. Betroffen sind vor allem kleinere, nicht versorgungsrelevante Praxen mit wenigen Patienten. Zwar erhält der Arzt in einem solchen Fall eine Entschädigung, doch die liegt deutlich niedriger als bei einer Versorgerpraxis.

Praxisbörse

So funktioniert’s: Mitglieder des Deutschen Hausärzteverbandes können zweimal im Jahr kostenlos eine Kleinanzeige in „Der Hausarzt“ platzieren. E-Mail an: Barbara Kanters, kanters@medizinundmedien.eu

Tipps

  • Rechtzeitig mit der Nachfolgersuche beginnen. Gerade im ländlichen Bereich sind fünf Jahre vor der geplanten Abgabe nicht zu früh.

  • Inserieren können Ärzte in den Praxis- und Personalbörsen des Deutschen Hausärzteverbandes und seiner Landesverbände (z.B. Baden-Württemberg, Bayern, Nordrhein-Westfalen), der KVen oder dem Deutschen Ärzteblatt.

  • Rechtzeitig mit den organisatorischen Fragen beschäftigen. Gerade in gesperrten Planungsbereichen dauert es, bis alle formalen Schritte gegangen sind, dazu gehören: Antrag auf Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens stellen, Verzichtserklärung gegenüber dem Zulassungsausschuss abgeben, Bewerber sichten.

  • Verzichtserklärung unter dem Vorbehalt abgeben, dass ein geeigneter Nachfolger zugelassen wird.

  • Vorsicht: Ohne Nachfolger nicht einfach die Tätigkeit ausklingen lassen! Sonst sinkt der Wert der Praxis.

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Quellen:

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