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Wissenschaftliche EvaluationHZV-Patienten leben länger

Seit 15 Jahren besteht die Hausarztzentrierte Versorgung (HZV), ebenso lang wird die Alternative zum KV-System wissenschaftlich evaluiert. Neu vorgelegte Daten zeigen: Vor allem chronisch Kranke werden nicht nur besser und kostengünstiger versorgt, sie leben auch länger. Zudem stellte der Hausärzteverband Ideen zur Weiterentwicklung der HZV vor.

Gemeinsam stellen die Vertragspartner die Evaluationsergebnisse in Berlin vor (von links): Prof. Joachim Szecsenyi, Prof. Ferdinand Gerlach, Prof. Nicola Buhlinger-Göpfarth, Johannes Bauernfeind, Dr. Werner Baumgärtner.

Berlin. Chronisch Kranke werden in der Hausarztzentrierten Versorgung (HZV) besser versorgt als in der Regelversorgung und leben sogar länger. So zeigten Hochrechnungen für die Jahre 2011 bis 2020, dass bei 119.000 Diabetikern über 11.000 schwerwiegende Komplikationen – darunter 350 Fälle von Erblindungen und 2.250 Schlaganfälle – vermieden werden konnten.

Auch die Längsschnittanalyse in der Kohorte mit Patientinnen und Patienten mit Koronarer Herzerkrankung (KHK) zeige signifikante Vorteile, konkret mehr Statin-Verordnungen und weniger Klinikeinweisungen.

Zu diesem Ergebnis kommen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Goethe-Universität Frankfurt und des Universitätsklinikums Heidelberg bei der fortlaufenden Evaluation der HZV, wie die Verantwortlichen am Montag (15. Mai) zum 15-jährigen Bestehen der HZV in Baden-Württemberg präsentiert haben. Bereits bei der Evaluation zum zehnjährigen Bestehen hatten sich Hinweise auf Überlebensvorteile gezeigt, die nun untermauert werden konnten.

Mitverantwortlich sieht Prof. Ferdinand Gerlach, Direktor des Instituts für Allgemeinmedizin der Goethe-Uni Frankfurt, „sehr wahrscheinlich“ die um rund 20 Prozent höhere Teilnahme an Disease-Management-Programmen (DMP), die in der HZV gezielt angereizt werde. Die Versorgung werde so strukturierter und kontinuierlicher.

Blaupause für bundesweites Erfolgsmodell

Der Vertrag von Hausärzteverband, AOK und Medi Baden-Württemberg gilt als der bundesweite Vorreiter der HZV. Die Vertragsunterschrift am 8. Mai 2008 war die Blaupause für viele weitere Verträge. An dem Programm im Südwesten nehmen mittlerweile 5.400 Ärztinnen und Ärzte sowie 1,78 Millionen Versicherte teil.

Neben Baden-Württemberg und Bayern sind die Hausarztverträge inzwischen aber auch in den meisten anderen Bundesländern fest verankert. Bundesweit sei die Teilnehmermarke von zehn Millionen das nächste große Ziel, stellte Dr. Markus Beier, Bundesvorsitzender des Deutschen Hausärzteverbandes, jüngst in Aussicht. 

Schere zwischen HZV und Regelversorgung „geht weiter auf“

Im zeitlichen Verlauf sei besonders „bemerkenswert“, dass sich die Qualitätsschere zwischen HZV und Regelversorgung von Jahr zu Jahr mehr zugunsten der HZV öffne, so Gerlach.

Dies gelte auch vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie. So wurden in der aktuellen Evaluation bei 422.000 Versicherten über 65 Jahre im ersten Pandemiejahr 2020 über 35.000 Influenza-Impfungen mehr und rund 6.500 weniger Verordnungen potenziell inadäquater Medikamente (PIMS) beobachtet. 195 Klinikaufenthalte wegen Hüftgelenksfrakturen seien vermieden worden.

Erneut zeigt die Evaluation dabei eine nicht nur bessere, sondern auch kostengünstigere Versorgung. So seien die jährlichen Kosten pro Patient um rund 40 Euro niedriger als bei einem vergleichbaren Versicherten in der Regelversorgung, erklärte der Baden-Württemberger AOK-Vorstandschef Dr. Johannes Bauernfeind.

Weniger Bürokratie, mehr Freiheiten, mehr Teamgedanke

Die Vertragspartner unterstrichen vor den Journalisten nicht nur die Vorteile für die Patientinnen und Patienten, sondern auch für die teilnehmenden Praxen. So wurden beispielsweise weniger Bürokratie durch ein hohes Maß an Pauschalen und mehr Freiheiten genannt.

Dr. Werner Baumgärtner, Vorstandsvorsitzender von Medi Baden-Württemberg, unterstrich dies am Beispiel der Telematikinfrastruktur (TI). In der HZV habe man nicht mit Sanktionen gedroht, sondern sei mit positiven Anreizen und funktionierenden Strukturen voranmarschiert. Und: Die in den Praxen befindlichen Komponenten sowie der entstehende Zeitaufwand seien vollständig kompensiert worden.

Prof. Joachim Szecsenyi, Senior Professor und langjähriger Ärztlicher Direktor der Abteilung Allgemeinmedizin und Versorgungsforschung des Universitätsklinikums Heidelberg, erinnerte darüber hinaus daran, dass in der HZV seit Beginn an besonders auf den Teamgedanken fokussiert worden sei. Im HZV-Vertrag der AOK Baden-Württemberg wurde deshalb seit Beginn die Weiterqualifikation von MFA zur VERAH im Praxisteam vergütet.

Prof. Nicola Buhlinger-Göpfarth, erste stellvertretende Bundesvorsitzende des Deutschen Hausärzteverbandes, unterstrich in diesem Zusammenhang die Bedeutung des Einbezugs von akademisierten VERAH und Physician Assistants. Ab Juli fördern die Vertragspartner deren Ausbildung mit 300 Stipendien zu je 5.000 Euro und nach Abschluss auch die Bezahlung dieser Fachkräfte.

Kassen in der Pflicht

Für Szecsenyi sind die vorliegenden Daten ein Aufruf an die Politik, die HZV endlich konsequent zu fördern. “Die Fakten liegen auf dem Tisch”, sagte er zur Vorstellung der neuen Daten.

Auch für seinen Kollegen Gerlach ist die Evidenz “überwältigend”. Zwar handele es sich nicht um randomisierte Placebo-Studien, jedoch verteidigte er die “extrem hohe” Plausibilität der Ergebnisse. Sie verfügten über das methodisch höchste Maß von Zuverlässigkeit, auch Kritiker habe man bewusst immer wieder die eigene Methodik prüfen lassen.

“Diese Kunde muss sich verbreiten und zu politischen Konsequenzen führen”, so Gerlach.

Für viele Kassen sei der Kollektivvertrag aber immer noch zu bequem, monierten die Vertragspartner unisono. Die gesetzliche HZV-Kassenpflicht, die vorschreibt eine HZV anzubieten, reiche nach den Erfahrungen nicht aus. Prof. Nicola Buhlinger-Göpfarth unterstrich in diesem Zusammenhang einmal mehr die Forderung eines Bonus für teilnehmende Patientinnen und Patienten. Der Deutsche Hausärztetag hatte dazu jüngst einen Beschluss gefasst.

Vorteile nicht allen bekannt

Denn in der Tat bestünden bei den Versicherten teils große Wissenslücken in Bezug auf die HZV. Zwar zeigt die Evaluation eine hohe Zufriedenheit der Eingeschriebenen: Laut Vorstandschef der AOK Baden-Württemberg, Johannes Bauernfeind, ergeben regelmäßige Befragungen, dass rund 90 Prozent der Teilnehmenden die HZV weiterempfehlen und mehr als 90 Prozent sehr zufrieden mit dem Versorgungsangebot seien.

Jedoch kennen laut Buhlinger-Göpfarth nur etwa vier von zehn Versicherten das Angebot überhaupt. “Hier sind die Kassen gefragt.”

Neues Konzept: HZV-Praxen statt HZV-Ärzte

Für die Zukunft stellten die Vertragspartner einen neuen Kerngedanken vor: Versicherte sollen sich künftig in Praxen statt bei einzelnen Ärzten einschreiben. „Derart erweiterte HZV-Praxen sind leistungsstärker, flexibler und attraktiver für Mitarbeitende. Und sie können deutlich mehr Versicherte betreuen. Das ist ein eminent wichtiger Beitrag, um auch zukünftig landesweit eine hochwertige Primärversorgung anbieten zu können”, so Buhlinger-Göpfarth.

Das stützt ein weiteres Untersuchungsergebnis: Denn erstmals wurde auch der Trend der Anstellung wissenschaftlich evaluiert. Hintergrund: Zum Start der HZV im Jahr 2008 gab es im ambulanten Bereich rund 12.500 angestellte Ärztinnen und Ärzte, mittlerweile hat sich die Zahl vervierfacht.

„Deshalb sind wir der Frage nachgegangen, ob und wie sich die Versorgungsqualität zwischen HZV-Praxen mit und ohne Angestellte unterscheidet”, so Szecsenyi. Das Ergebnis: „Die Analyse wichtiger Indikatoren wie etwa vermeidbarer Krankenhausaufnahmen ergab, dass Patienten in HZV-Praxen mit angestellten Ärzten genauso gut versorgt werden wie in HZV-Praxen ohne.”

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