Leipzig. Die Reform der hausärztlichen Versorgung darf nicht weiter verzögert werden und ist dringend nötig, mahnten die beiden Bundesvorsitzenden des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes, Prof. Nicola Buhlinger-Göpfarth und Dr. Markus Beier zum Start der Frühjahrstagung des Verbandes am Freitag (12.4.) in Leipzig.
Die hausärztliche Versorgung, die das Fundament bilde, sei fast kaputtgespart worden. Es gebe immer mehr Kolleginnen und Kollegen, die nicht mehr könnten oder wollten. Und auch die Patienten würden längst unter der Situation leiden, erklärte Buhlinger-Göpfarth im traditionellen Bericht zur Lage.
Lauterbach greift Verbandsforderungen auf
Vor einem halben Jahr hätte die Hausärzteschaft deshalb bei ihrer letzten Delegiertenversammlung einen Krisengipfel eingefordert und im Dezember mit einer Protestveranstaltung die Dringlichkeit noch einmal unterstrichen. Nur ein Tag später habe Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach (SPD) reagiert und sei dem Wunsch der Hausärzteschaft nach einem Krisengipfel nachgekommen.
Hier habe Lauterbach auch auf die Forderungen des Verbandes reagiert – sieben Forderungen der Hausärztinnen und Hausärzte seien in den Entwurf des Versorgungsgesetzes eingeflossen, erklärte Buhlinger-Göpfarth. Ein großer Erfolg für den Hausärztinnen- und Hausärzteverband.
Zu den Forderungen, die sich im Gesetzentwurf wiederfinden, gehören zum Beispiel die Entbudgetierung nach MGV plus, eine jahresbezogene Versorgungs- und Vorhaltepauschale, ein Bonus für die Einschreibung in die Hausarztzentrierte Versorgung (HZV) sowie die Einführung einer Bagatellgrenze für Wirtschaftlichkeitsprüfungen.
“Reform darf nicht gestoppt werden!”
An vielen Stellen werden noch Korrekturen nötig sein, sagte Buhlinger-Göpfarth und reagierte damit auf Kritik an den hausärztlichen Reformen von Kassen, Politik oder auch Selbstverwaltung. Dennoch, unterstrichen Buhlinger-Göpfarth und Beier mehrfach: „Nichtstun ist keine Option!“ Die Reform dürfe nicht länger herausgezögert werden – die für die Hausarztpraxen so wichtigen Verbesserungen müssten jetzt schnellstmöglich auch in den Praxen ankommen.
Das Fazit der Bundesvorsitzenden: Anpassung der Reformpunkte – ja bitte! Aber: Die hausärztliche Reform darf auf keinen Fall gestoppt werden!
Buhlinger-Göpfarth: „Wir erwarten von allen Koalitionspartnern, dass sie kleinkarierte Streitigkeiten jetzt ad acta legen und gemeinsam dafür arbeiten, dieses Gesetz gut und zügig umzusetzen. Jedem muss klar sein: Wer die Hausärztinnen und Hausärzte und ihre Patientinnen und Patienten in dieser Krisensituation im Regen stehen lässt und das Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz blockiert oder torpediert, der muss mit unserem massiven Widerstand rechnen.“
Hausärzte fordern Willen zur Veränderung von Selbstverwaltung
Im Vorfeld der hausärztlichen Tagung hatte ein Brief der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) mit ersten beispielhaften Berechnungen zu den möglichen finanziellen Auswirkungen struktureller Änderungen bei einer jährlichen Versorgungs- und Vorhaltepauschale im EBM für Unruhe unter hausärztlichen Praxen gesorgt.
Co-Bundesvorsitzender Dr. Markus Beier beruhigte: Das Gesetzgebungsverfahren stehe noch ganz am Anfang und die konkrete Ausgestaltung obliege dem Bewertungsausschuss. „Währenddessen werden wir immer wieder neue Berechnungen brauchen“, erklärte er und betonte, dass der Verband selbstverständlich den gesamten Prozess kritisch und konstruktiv begleiten werde.
So werde er eigene Vorschläge beispielsweise zu den Kriterien der Vorhaltepauschale einbringen und sieht hier „dringenden Nachbesserungsbedarf“. Zum Beispiel komme es auch darauf an, wie die einzelnen Kriterien ausgestaltet und gewichtet würden. „Klar ist, am Ende des Tages braucht es mehr Geld für die hausärztliche Versorgung“, sagte Beier. In diesem Zug ergänzte Co-Bundesvorsitzende Prof. Nicola Buhlinger-Göpfarth: „Die hausärztliche Versorgung hat ein Preisschild und das ist aktuell zu niedrig!“
Beier unterstrich allerdings zum wiederholten Mal in Richtung Selbstverwaltung: „Wir brauchen jetzt dringend Reformen, um die hausärztliche Versorgung zu sichern. Damit das gelingt, ist ein politisches Zeichen nötig, dass wir konstruktiv gemeinsam die Situation verbessern wollen.“ Dafür sei der KBV-Brief nur bedingt geeignet gewesen, kritisierte er.
Vier Punkte aus Versorgungsgesetz gestrichen
Noch während der Tagung wurde am Nachmittag eine neue Fassung des Entwurfs für das Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GVSG) bekannt, der „Der Hausarzt“ vorliegt. Dabei sind vor allem vier große Vorhaben dem Rotstift des Finanzministeriums geopfert worden.
Gestrichen wurden die Passagen zu den Gesundheitskiosken, den Primärversorgungszentren, Gesundheitsregionen sowie die Förderung zusätzlicher Medizinstudienplätze. Die Pläne für 5.000 neue Studienplätze hatte der Hausärztinnen- und Hausärzteverband zuvor an die Bedingung geknüpft, dass dies überhaupt nur mit der Reform der Approbationsordnung sinnvoll sei, da sonst langfristig nicht mehr Hausärztinnen und Hausärzte für unterversorgte Regionen ausgebildet würden.
Am Abend bewertete der Hausärztinnen- und Hausärzteverband in einer ersten Reaktion die neue Entwurfsfassung als gutes Zeichen, dass im Gesetzgebungsprozess endlich der nächste Schritt gegangen wurde.