Berlin. Sollten niedergelassenen Ärzten und Psychotherapeuten aufgrund der Corona-Pandemie Umsatzeinbußen entstehen – etwa durch ausbleibende Patienten -, so sollen sie dafür “Ausgleichszahlungen” erhalten. Auch sollen sie durch “zeitnahe Anpassungen der Honorarverteilung” geschützt werden. Die Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) erhalten zudem die zusätzlichen Kosten für die Finanzierung außerordentlicher Maßnahmen, etwa die Einrichtung von „Fieberambulanzen“, von den Krankenkassen erstattet.
Das sieht das COVID19-Krankenhausentlastungsgesetz vor, das das Bundeskabinett als Teil eines beispiellosen Hilfspakets am Montag (23. März) beschlossen hat.
Voraussetzung für eine solche Ausgleichszahlung, die zunächst von der KV gezahlt werden soll, ist demnach, dass die Minderung mehr als zehn Prozent des Gesamthonorars des Vorjahresquartals ausmacht (“im Durchschnitt entspricht dies einem Betrag in Höhe von rund 5.600 Euro im Quartal”) und in einem Fallzahlrückgang aufgrund einer geringeren Patienteninanspruchnahme als Folge der aktuellen Epidemie begründet ist. Sie ist beschränkt auf Leistungen, die außerhalb der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung vergütet werden. Für die konkrete Ausgestaltung sind laut Gesetzentwurf die KVen gemeinsam mit den Krankenkassen und Ersatzkassen gefordert, da diese die Ausgleichszahlungen zu erstatten haben.
Auch Pflegeeinrichtungen wird durch eine darin enthaltene neue Regelung die Sicherheit gegeben, durch die Pandemie bedingte finanzielle Mehrausgaben oder Mindereinnahmen über die Pflegeversicherung erstattet zu bekommen. Die Pflege soll darüber hinaus durch ein Aussetzen des neuen “Pflege-TÜV” entlastet werden.
Medizinstudierenden und anderen Menschen in Ausbildung, die “aktuell einen wertvollen Beitrag zur Entlastung des Gesundheitssystems leisten”, werden keine Nachteile beim Bezug von BAföG erleiden, wie Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Montag betonte.
Damit die Hilfen rasch ankommen, soll im Schnellverfahren bereits am Mittwoch (25.) der Bundestag, am Freitag (27.) der Bundesrat den Maßnahmen zustimmen.
Durch Änderungen am Infektionsschutzgesetz – ebenfalls Teil des “Notpakets” – sollen außerdem Kompetenzen im Krisenreaktionsfall gebündelt werden können. So sollen Zeitverzögerungen durch uneinheitliches Handeln der Länder künftig verhindert werden.
Zur Rettung von Arbeitsplätzen und Unternehmen will sich der Bund in diesem Jahr mit der Rekordsumme von rund 156 Milliarden Euro neu verschulden. Zudem sollen Mieter entlastet, Hartz-IV-Anträge erleichtert und insbesondere Kliniken unterstützt werden.
So soll Kliniken geholfen werden:
Krankenhäuser erhalten nach dem COVID19-Krankenhausentlastungsgesetz einen finanziellen Ausgleich für verschobene planbare Operationen und Behandlungen, um Kapazitäten für die Behandlung von Patienten mit einer Coranavirus-Infektion frei zu halten. Für jedes Bett, das dadurch im Zeitraum vom 16. März bis zum 30. September 2020 nicht belegt wird, erhalten die Krankenhäuser eine Pauschale in Höhe von 560 Euro pro Tag. Der Ausgleich wird aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds, der aus dem Bundeshaushalt refinanziert wird, bezahlt.
Krankenhäuser erhalten einen Bonus in Höhe von 50.000 Euro für jedes Intensivbett, das sie zusätzlich schaffen. Die Kosten dafür werden ebenfalls aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds finanziert; darüber hinaus sollen die Länder kurzfristig weitere erforderliche Investitionskosten finanzieren.
Für Mehrkosten, insbesondere bei persönlichen Schutzausrüstungen, erhalten Krankenhäuser vom 1. April bis zum 30. Juni 2020 einen Zuschlag je Patient in Höhe von 50 Euro, der bei Bedarf verlängert und erhöht werden kann.
Darüber hinaus wird die Rechnungsprüfung durch den Medizinischen Dienst zur Entlastung der Kliniken erleichtert, der so genannte Fixkostendegressionsabschlag für das Jahr 2020 ausgesetzt und deutlich mehr Flexibilität bei den Erlösausgleichen eingeräumt. Die Liquidität der Krankenhäuser wird durch eine auf fünf Tage verkürzte Zahlungsfrist in diesem Jahr zusätzlich gestärkt.
GKV finanziell gefordert
Die Ausgleichzahlungen für die Freihaltung von Bettenkapazitäten durch die Verschiebung planbarer Operationen, Eingriffe und Aufnahmen in Krankenhäusern bedeuten laut Angaben des Bundesgesundheitsministeriums Mehrausgaben für den Bundeshaushalt in Höhe von voraussichtlich rund 2,8 Milliarden Euro in 2020. Für die GKV entstehen durch das Hilfspaket im Krankenhausbereich in diesem Jahr geschätzte Mehrausgaben in Höhe von rund 5,9 Milliarden Euro, von denen 1,5 Milliarden Euro direkt aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds finanziert werden.
Die Mehrausgaben im Bereich der vertragsärztlichen Versorgung sind laut Ministerium nicht quantifizierbar.
Der GKV-Spitzenverband bestätigte in einer ersten Reaktion am Montag (23.) die “ausdrückliche” Unterstützung. Man stehe “an der Seite der Krankenhäuser”.
apoBank sagt auch Unterstützung zu
Erst vergangene Woche hatte die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) – eigenen Angaben zufolge auch in einer Videobotschaft an Gesundheitsminister Spahn – appelliert, den geplanten “Schutzschirm” für Kliniken auch über Praxen “aufzuspannen”. Man brauche einen “Airbag” für “die Praxen, die angesichts der Corona-Krise ernsthafte wirtschaftliche Einbußen fürchten, weil ihnen die Patientinnen und Patienten fernbleiben – aus Angst vor dem Virus oder aus Solidarität, wenn sie der Aufforderung folgen, das Haus nur zu verlassen, wenn es zu diesem Zeitpunkt unbedingt sein muss”, sagte KBV-Chef Dr. Andreas Gassen am Freitag (20. März).
Die Deutsche Apotheker- und Ärztebank (apoBank) hat unterdessen angekündigt, Arztpraxen, Apotheken sowie Unternehmen im Gesundheitswesen bei Liquiditätsbedarf, der durch die Corona-Epidemie ausgelöst wurde, zu unterstützen. Kunden sind aufgerufen, sich in diesem Fall an ihren Berater zu wenden. Auch öffentliche Mittel, wie zum Beispiel KfW-Kredite, könnten vermittelt werden.
Die apoBank hat drei Hauptszenarien identifiziert, aus denen wirtschaftliche Schwierigkeiten resultieren könnten:
- Empfehlungen zur Minimierung der sozialen Kontakte –> planbare Operationen oder Termine in Zahnarzt- oder Facharztpraxen werden abgesagt
- Lieferengpässe für Produkte des medizinischen Bedarfs bei Großhändlern –> Einrichtungen des Gesundheitswesens sind nicht mehr ausreichend mit Material versorgt und müssen mitunter schließen
- Quarantäneauflagen oder Erkrankungen –> drohende (temporäre) Schließung