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Neue Nomenklatur“Nierenversagen” oder “Dialysepflichtigkeit”?

Die Beschreibung von Nierenfunktion und Nierenkrankheiten ist bisher höchst uneinheitlich - und erschwert darüber hinaus das Patienten-Empowerment. Nun haben die deutschsprachigen Nephrologie-Gesellschaften eine neue Nomenklatur erarbeitet. Hausärztinnen und Hausärzte können entscheidend dazu beitragen, diese im allgemeinen Sprachgebrauch zu verankern.

Derzeit sind in Deutschland circa 120.000 Nierenkranke an der Dialyse oder in der Transplantationsnachsorge.

Etwa jeder Zehnte ist heute von einer Einschränkung der Nierenfunktion betroffen. Das sind demnach in Deutschland acht Millionen Nierenkranke. In dieser Zahl sind aber auch die Menschen enthalten, die eine leichtgradige, oft nur altersbedingte Reduktion der Nierenfunktion aufweisen, die in der Regel nicht schnell voranschreitet und daher auch keiner intensiven Therapie und fachärztlichen Versorgung bedarf.

Auf eine Nierenersatztherapie sind letztlich nur gut ein Prozent der Betroffenen angewiesen: Derzeit sind circa 120.000 Nierenkranke an der Dialyse oder in der Transplantationsnachsorge. Mit der Alterung der “Babyboomer” sowie den zunehmenden Prävalenzen von Übergewicht, Diabetes mellitus und Bluthochdruck steigt allerdings die Sorge, dass die Zahl der chronischen Nierenkrankheiten (CKD) mit Nierenversagen zunimmt.

Ziel muss also sein, die CKD-Patientinnen und -Patienten, bei denen die Erkrankung progredient verläuft, frühzeitig zu erkennen und effektiv zu behandeln, um die Notwendigkeit einer Nierenersatztherapie zu verhindern oder möglichst lange hinauszuschieben. Hausärzte und Allgemeinmediziner sind dafür die wichtigsten Weichensteller. Therapieempfehlungen finden sie in der S3-Leitlinie “Versorgung von Patienten mit nicht-dialysepflichtiger Niereninsuffizienz in der Hausarztpraxis” [1]. Diese Leitlinie wird derzeit aktualisiert und auch sprachlich überarbeitet.

“Was hab ich denn nun?”

Das bedeutet aber auch: Hausärztinnen und Hausärzte sind die ersten, die mit Betroffenen über Nierenkrankheiten reden. Dies ist durchaus eine Herausforderung, denn die Beschreibung von Nierenfunktion und Nierenkrankheiten ist im Deutschen, wie übrigens auch in vielen anderen Sprachen, bisher wenig präzise, kaum intuitiv verständlich und höchst uneinheitlich.

Das erschwert das Verstehen und die Information über die Krankheit. Beispiel: Die eine Ärztin spricht von “terminalem Nierenversagen”, der andere Arzt von “chronischer Nierenerkrankung Grad 5” und in einem Internetportal wiederum ist von “Niereninsuffizienz im Endstadium” zu lesen. “Ja, Himmel, was habe ich denn nun?” werden sich viele Betroffene verzweifelt fragen.

Die jetzige Vielstimmigkeit erschwert Transparenz und das “Patienten-Empowerment”, also die Befähigung der Patientinnen und Patienten, sich umfassend zu informieren und Therapieentscheidungen zu fällen.

Hinzu kommt: Bestimmte, häufig verwendete Begriffe entsprechen ohnehin nicht den Grundprinzipien einer modernen Patientenorientierung. Wie kann der Patient im Mittelpunkt stehen, wenn er durch die Verwendung von Fachbegriffen, die für Laien nicht herleitbar sind, aus der Kommunikation ausgeschlossen wird? Und Begrifflichkeiten wie “terminal” oder “Insuffizienz” sind nicht nur unpräzise, sondern auch negativ belegt.

Eine effektive Kommunikation zwischen Ärzten, Betroffenen, Angehörigen und letztlich aller an der Gesundheitsversorgung Beteiligten bedarf klarer, also auch eindeutiger, und verständlicher Begriffe. Nur so kann Patiententeilhabe und ein “shared decision making” letztlich sichergestellt werden.

Mehr Präzision und Patiententeilhabe

Die internationale Leitlinieninitiative “Kidney Disease: Improving Global Outcomes” (KDIGO) hat 2019 angestoßen, eine englischsprachige Nomenklatur für Nierenfunktion und Nierenkrankheiten zu entwickeln, die drei Grundprinzipien Rechnung trägt: 1. Patientenzentrierung, 2. Präzision und 3. Konsistenz mit den Leitlinien.

Diese Initiative wurde nun international ausgerollt – alle nephrologischen Fachgesellschaften wurden gebeten, entsprechende Nomenklaturen in ihrer Landessprache zu entwickeln. Die nephrologischen Fachgesellschaften in Deutschland, Österreich und der Schweiz haben mit Unterstützung von Patientenverbänden im letzten Jahr ein entsprechendes Glossar und ein Positionspapier [2] erarbeitet (s. Link-Tipp), die wichtigsten Begriffe finden Sie im Infokasten.

Wichtig ist nun, diese neuen Begrifflichkeiten in die Breite zu tragen und im Sprachgebrauch aller zu etablieren. Nur so kann es zu einer Vereinheitlichung und Vereinfachung kommen, die für eine geglückte Kommunikation zwischen Behandelten und Behandelnden notwendig ist. Wichtige Multiplikatoren für die Verbreitung dieser neuen Nomenklatur sind dabei wir Ärztinnen und Ärzte.

Die Deutsche Gesellschaft für Nephrologie (DGfN) bittet daher auch im Namen ihrer österreichischen und Schweizer Partnergesellschaften alle Ärztinnen und Ärzte, die erarbeiteten Begrifflichkeiten zu verwenden, um sie im Sprachgebrauch zu etablieren und Nephrologie für alle ein Stück weit klarer und verständlicher zu machen.

Literatur:

  1. S3-Leitlinie “Versorgung von Patienten mit nicht-dialysepflichtiger Niereninsuffizienz in der Hausarztpraxis”, abrufbar unter www.degam.de/degam-leitlinien-379.html
  2. Eckardt KU et al. Nomenklatur für Nierenfunktion und Nierenkrankheiten – Durch Präzision und Verständlichkeit zu besserer Erfassung und Prognose. Dtsch Med Wochenschr. 2022 Oct;147(21):1398-1406. doi: 10.1055/a-1908-5163. Epub 2022 Sep 29.

Interessenkonflikte: Der Autor hat keine deklariert.

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