Die Prävalenz chronischer Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen wird mit 16 Prozent angegeben und betrifft damit ca. 2 Millionen Patienten in Deutschland. Dabei reichen die Krankheitsbilder von ADHS über Depressionen bis zu seltenen Stoffwechselerkrankungen (Tab. 1).
Die Pubertät, das Erwachsenwerden, ist für Jugendliche ohnehin eine schwierige Phase. Selbstfindung, Lösung vom Elternhaus, Sexualität und Zukunftsplanung sind Stichworte, die diesen Lebensabschnitt kennzeichnen. Chronisch kranke Adoleszente müssen sich darüber hinaus mit ihrer Erkrankung und mit den daraus unter Umständen resultierenden Einschränkungen auseinandersetzen. Ein schwieriges Unterfangen. Man schätzt, dass etwa 30 bis 40 Prozent der chronisch kranken Heranwachsenden nicht lückenlos in der Erwachsenenmedizin ankommen. Die Ursachen für diese Fälle sind bekannt.
Problemfelder
Im Zuge der Transition soll die Verantwortung für Krankheitseinschätzung, Therapieführung und Strategien zur Krankheitsbewältigung zunehmend in die Hände des Patienten gegeben werden. Analysiert man die Probleme der chronisch kranken Jugendlichen in der Transition, können drei Bereiche unterschieden werden.
Die strukturellen Probleme sind gekennzeichnet durch das Fehlen organisierter Transitionsprozesse. Es gibt einzelne Projekte, in denen krankheitsspezifische Transitionsstrukturen erprobt werden, aber flächendeckende Konzepte existieren nicht. Der geordnete Übergang eines chronisch kranken Jugendlichen in die Erwachsenenmedizin ist derzeit noch allein von der Empathie und dem Engagement der beteiligten Ärzte (Primärversorger wie Hausärzte und hausärztliche Pädiater sowie Spezialisten) abhängig. Aber ohne die Mitwirkung des Patienten geht es eben auch nicht.
Die individuellen Probleme sind sehr stark von der Persönlichkeitsstruktur des Jugendlichen, seinem Elternhaus, seinem sonstigen sozialen Umfeld wie Schule, Peergroup etc. abhängig. Ein kommunikationsoffenes Wesen des Patienten, Eltern, die loslassen können und den Jugendlichen nicht durch Überfürsorge „entmündigen“, und eine Peergroup, die die Erkrankung akzeptiert, sind positive Bewältigungsmomente im Transitionsprozess. Wichtig ist die Rolle des Arztes. Er muss den Patienten als vollwertigen Partner, natürlich in Abhängigkeit vom Alter und Reifegrad, in den Behandlungsprozess einbinden. Ein ständig erhobener Zeigefinger mit entsprechenden Ermahnungen kommt bei den Jugendlichen schlecht an.
Das alte Prinzip der Compliance als die Bereitschaft des Patienten, ärztlich verordnete Maßnahmen zu befolgen, trägt nicht mehr. Adhärenz ist angesagt. In der Arzt-Patienten-Beziehung wird der Patient zum aktiven Partner, dessen Zustimmung zu den ärztlichen Empfehlungen nötig ist. Nur so sind die medizinischen Probleme, die sehr stark krankheitsspezifisch sind, zu bewältigen, wie die folgenden Beispiele zeigen.
Diabetes mellitus
Der Diabetes mellitus Typ 1 ist im Kindesalter mit Abstand die häufigste Stoffwechselerkrankung – Tendenz zunehmend. Für Europa wird bis 2020 mit einer Zunahme der Prävalenz um 70 Prozent gerechnet. Ist die intensivierte Insulintherapie mit 4 bis 6 Blutzuckermessungen und ebenso vielen Injektionen heute Standard, kommt doch immer mehr die Pumpentherapie zum Einsatz.
Die Blutzuckerschwankungen sind in der Pubertät am größten, z.T. biologisch, aber auch durch die spezifischen psychischen Probleme bedingt. Der Wunsch der Jugendlichen nach Flexibilität führt nicht selten zu einem „Blindflug“ in der Diabetestherapie. Deshalb sind das Gespräch mit den Patienten und wiederholte Schulungen ein wesentlicher Erfolgsfaktor. HbA1c-Werte unter 7,5 Prozent werden als gute Stoffwechseleinstellung, Werte über 9 Prozent als ungenügende Einstellung gewertet.
Im Transitionsprozess ist die Kommunikation zwischen den Versorgungsebenen – Hausarzt/Pädiater und Pädiatrischer Diabetologe/Erwachsenen-Diabetologe von entscheidender Bedeutung. Im Bedarfsfall müssen auch andere Professionen, z.B. ein Kinder- und Jugendpsychologe, hinzugezogen werden. Immerhin entwickeln 10 Prozent der betroffenen Jugendlichen als Komorbidität eine Depression.
CED
Chronisch entzündliche Darmerkrankungen (CED) gehören ebenfalls zu den Top-Ten der chronischen Erkrankungen bei Jugendlichen (aktuell Platz 6). Führend ist hier der Morbus Crohn mit einer geschätzten Prävalenz von 58/100.000 Kindern, gefolgt von der Colitis ulcerosa und der Colitis indeterminata.
Ältere Therapieregime konzentrierten sich im Wesentlichen auf die Linderung der Symptome und Folgen wie chronische Bauchschmerzen, Osteoporose und Wachstumsretardierung. Untersuchungen zeigen, dass bei 20 Prozent der jugendlichen CED-Patienten die Endgröße im Erwachsenenalter mehr als 8 cm unter der zu erwartenden Länge liegt.
Heute wird jedoch das Erreichen einer Schleimhautheilung angestrebt. Langzeitfolgen schwerer Verlaufsformen (Strikturen bei M. Crohn, Kolektomien bei rezidivierendem Verlauf der Colitis ulcerosa) sollen verhindert werden.
Beim Morbus Crohn ist die Ernährungstherapie mit einer polymeren Trink- oder Sondennahrung zur Induktion einer Remission Mittel der ersten Wahl. Die Erfolgsquote ist der einer Steroidtherapie vergleichbar. Steroide sollen nur dann eingesetzt werden, wenn eine Ernährungstherapie nicht umsetzbar ist. Zur Remissionserhaltung sollten in erster Linie Immunmodulatoren (Azathioprin, 6-Mercaptopurin) eingesetzt werden. Bei mangelndem Erfolg oder Unverträglichkeit sind Methotrexat oder TNF-alpha-Antikörper (z.B. Infliximab, Adalimumab) Alternativen.
Bei der Colitis ulcerosa werden bei Kindern und Jugendlichen zur Remissionsinduktion 5-Aminosalicylate (Sulfasalazin, Mesalazin) eingesetzt. Steroide sollten, wenn notwendig, nur kurzfristig über etwa 8 Wochen gegeben werden. Zur Remissionserhaltung kommen Thiopurine oder TNF-alpha-Blocker zum Einsatz. Auch bei CED-Patienten ist die Depression eine wichtige Komorbidität. Bis zu 25 Prozent haben eine solche Gesundheitsstörung.
Gesprächsführung
Die Beispiele zeigen exemplarisch die Schwierigkeiten und z.T. komplexen medizinischen Therapieprobleme bei chronisch kranken Kindern und Jugendlichen im Transitionsprozess. Dabei ist zum einen entscheidend, einen Zugang zu den jugendlichen Patienten finden. Regelmäßige Gespräche sind ein notwendiges und hilfreiches Instrument. Der Arzt sollte ausreichend Zeit einräumen und dem Patienten klar zu erkennen geben, dass dessen Vorstellungen wichtig sind. Grundlegende Elemente der Gesprächsführung sind in Tabelle 2 zusammengefasst.
Transitionskonferenz
Der zweite wichtige Aspekt im Therapiekonzept der Transition ist die Kommunikation der behandelnden Ärzte untereinander. Bei einer Umfrage unter betroffenen Jugendlichen wünschten sich 72 Prozent eine vollständige Zusammenstellung der Unterlagen für den neuen Arzt, 48 Prozent erwarteten gar eine persönliche Kontaktaufnahme des bisherigen Arztes mit dem zukünftigen betreuenden Arzt.
Bei komplexen Krankheitsbildern können mehrere Schnittstellen entstehen, wenn neben Allgemeinärzten und hausärztlichen Pädiatern z.B. auch pädiatrische Kardiologen und Erwachsenenkardiologen eingebunden werden müssen. Als Kommunikationsebene bietet sich das Konstrukt einer Transitionskonferenz, in Anlehnung an die bewährte Tumorkonferenz, an. In übersichtlichen Krankheitsfällen kann dabei eine IT-gestützte oder telefonische Kontaktaufnahme ausreichen, bei komplizierten Fällen kann auch eine Telefonkonferenz oder in seltenen Fällen ein gemeinsames Treffen notwendig sein.
Fazit
Unter Transition versteht man die Überleitung chronisch kranker Jugendlicher von der pädiatrischen Medizin in die Erwachsenenmedizin. 30 bis 40 Prozent dieser Patienten erreichen nicht lückenlos die Erwachsenenmedizin. Strukturelle, individuelle und medizinische Probleme sind dafür verantwortlich. Fehlende organisatorische Strukturen erschweren die geordnete Überleitung der Patienten. Der Patient muss als vollwertiger Partner angesehen werden. Die Adhärenz ist wichtig. Die medizinische Behandlung muss den spezifischen Anforderungen des Übergangs von der pädiatrischen zur Erwachsenenmedizin gerecht werden. Die Transitionskonferenz ist eine Kommunikationsplattform für die behandelnden Ärzte (Hausärzte, Spezialisten). Sie ist fallspezifisch ausgestaltet.
Mögliche Interessenkonflikte: Der Autor hat keine deklariert.
Literatur
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Deutsche Diabetes-Hilfe (Hrsg) : Deutscher Gesundheitsbericht Diabetes 2015, S: 130
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Oldhafer M : Transitionsmedizin, Schattauer-Verlag 2016
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Reincke M, Zepp F, (Hrsg) : Medizinische Versorgung in der Transition. 2011, Report Versorgungsforschung, Band 5
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Thelen R : Transition, IhF-Modul, 2015