Hausarzt MedizinAtemwegsinfekte: Vom Symptom zur Diagnose

Die Herausforderung bei Patienten mit Atemwegsinfektionen besteht darin, die korrekte Diagnose zu stellen und die wenigen Patienten herauszupicken, die wirklich einer Antibiotikatherapie bedürfen. Zudem hat unser Autor für Sie ein kostenloses Merkblatt für Patienten zusammengestellt.

Bei Patienten mit Atemwegsinfektionen müssen in kurzer Zeit und praktisch ohne technische Unterstützung die richtige Diagnose gestellt und die richtige Therapie eingeleitet werden. Wer systematisch vorgeht und einige Fragen abarbeitet, kann erfolgreich diagnostizieren und therapieren.

Handelt es sich überhaupt um eine Infektion?

Frau A. stellte sich nach drei erfolglosen Antibiotikaphasen mit anhaltendem Hustenreiz vor. Die mitgebrachten Röntgenbilder zeigten einen umschriebenen flauen Bezirk im rechten Oberlappen. Mithilfe von Computertomografie und Bronchoskopie konnte der Verdacht auf eine Tuberkulose gesichert und die korrekte Therapie eingeleitet werden. Daran denken, ist die halbe Diagnose! Das gilt auch für die seltene Tuberkulose.

Herr S. klagte Ende August, zu einem Zeitpunkt, als keine „Sommergrippe“ im Umlauf war, über Hustenreiz und geringe Mengen gelben Auswurfs. Klinisch waren keine Auffälligkeiten festzustellen. Die Lungenfunktionsprüfung belegte den Verlust von fast 1 Liter Vitalkapazität in knapp zwei Jahren, was deutlich über dem altersgemäßen Verlust lag. Die Röntgen-Thorax-Aufnahmen (Abb. 1, 2) zeigten eine unscharfe Begrenzung der rechten Zwerchfellkuppe. Die Bronchoskopie bestätigte die Verdachtsdiagnose Bronchialkarzinom (Abb. 3).

Erläuterung:

Hustenreiz wird häufiger als Indikation für eine Antibiotikatherapie angesehen als diese erforderlich ist!

Ambulant oder stationär?

Die Frage, ob eine Behandlung ambulant erfolgen kann oder der Patient stationär eingewiesen werden muss, ist nicht immer leicht zu beantworten. Für die ambulant erworbene Pneumonie (CAP) kann der abgewandelte CURB-65-Score (Tab. 1) hilfreich sein. Durch Weglassen des Harnstoffwerts wird der Test zum CRB-65-Score und praxistauglich. Die Punktzahl zeigt eine gute Korrelation mit dem Mortalitätsrisiko. Bei einem Punkt ist eine ambulante Behandlung möglich. Ab zwei Punkten sollte eine stationäre Behandlung unter Beurteilung des Gesamtbildes erwogen werden. Der CRB-65-Score eignet sich auch zur weiteren Verlaufsbeobachtung und für Diskussionen bei Problemen.

Viren, Bakterien, Pilze?

Eine Pilzinfektion ist sehr unwahrscheinlich, sollte aber nicht ganz vergessen werden. Bereits mit einer sorgfältigen Anamnese (Tab. 2) kann mit ziemlicher Sicherheit zwischen einer Influenza, einem anderen viralen Infekt und einem bakteriellen Infekt unterschieden werden.

Zu beachten ist, dass verfärbtes Sputum nicht unweigerlich auf einen bakteriellen Infekt hinweisen muss. Selbst in grün verfärbtem Sputum sind nicht immer Bakterien nachweisbar. Bei Allergikern (Asthma) kann die allergische Reaktion z. B. das Sputum gelb verfärben.

Auch der klinische Eindruck und der Auskultationsbefund können täuschen. Oft vermittelt der geräuschintensive Auskultationsbefund bei Asthma oder COPD den Eindruck eines schwer Kranken. Im Vergleich dazu kann ein Patient mit einer ambulant erworbenen Pneumonie einen deutlich gesünderen Eindruck erwecken. Meistens ist es sinnvoller, das Grundleiden zu behandeln und abzuwarten.

Eine Antibiotikatherapie kann bei Notwendigkeit häufig ohne Gefahr auch noch später begonnen werden. Weitere Indizien können den Weg zur korrekten Diagnose erleichtern (Tab. 3).

Können technische Untersuchungen helfen?

Die Ergebnisse der meisten technischen Untersuchungen liegen leider zu spät vor, um bei der Entscheidungsfindung hilfreich sein zu können, und sie sind in der Regel unspezifisch. Die für die ambulant erworbene Pneumonie zur Bestätigung geforderte Röntgen-Thorax-Aufnahme ist selbst in Großstädten selten zeitnah zu erhalten. Häufig muss eine Therapie ohne Bestätigung eingeleitet oder der Patient zur Sicherheit und nicht wegen eines erhöhten Krankheitsrisikos stationär eingewiesen werden.

In der Praxis bietet lediglich ein quantitativer CRP-Schnelltest eine gewisse Hilfe (Tab. 4), um einen viralen von einem bakteriellen Infekt unterscheiden zu können, sowie für die Verlaufskontrolle. Bedauerlicherweise ist der Test unspezifisch (Sensitivität 8 – 98 Prozent, Spezifizität 27 – 99 Prozent) und kann bei zahlreichen Erkrankungen erhöht sein.

Im Gegensatz zum CRP-Test ist der Procalcitonin-Test spezifisch. Bei einem Virusinfekt bleibt er normal, bei einem bakteriellen Infekt steigt er dagegen an, und er bleibt von anderen Krankheiten unbeeinflusst. Mit seiner Hilfe kann ein bakterieller Infekt zweifelsfrei nachgewiesen werden, sodass eine gezielte Antibiotikatherapie und damit vor allem eine Einsparung von Antibiotika möglich wird.

Beachtenswert in einer Studie zum Procalcitonin-Test ist der seltener erhöhte Procalcitonin-Wert und die daraus abgeleitete Indikation zu einer Antibiotikatherapie im Gegensatz zum häufigeren Antibiotikaeinsatz allein nach klinischem Eindruck. Offensichtlich induziert die „intensive Musik“ bei der Auskultation mehr Antibiotikatherapien als dies wirklich erforderlich wäre. Den schon lange angekündigten Procalcitonin-Schnelltest für die Praxis gibt es leider noch nicht.

Wie es nicht sein sollte

Die junge, unter Termindruck stehende Sängerin litt unter den Beschwerden eines Atemwegsinfekts. Geduldig hatte sie die Beschwerden eine Woche ertragen und sich mit den in der Apotheke erhältlichen Symptomatika behandelt, drängte jetzt aber auf eine hilfreiche Therapie. Anamnese und klinische Untersuchung sprachen für einen Virusinfekt. Um die frustrane Diskussion und Forderung nach einem Antibiotikum zu beenden, wurde ein Tetracyclin verordnet. Nur drei Tage später wurde anlässlich eines nötig gewordenen Hausbesuchs eine Pneumonie diagnostiziert und mit einem anderen, dieses Mal erfolgreichen Antibiotikum behandelt. Die Fehler (unter der Voraussetzung, dass primär tatsächlich ein Virusinfekt vorgelegen hatte):

  • Entgegen der Überzeugung, dass ein Virusinfekt vorliegt, wurde ein Antibiotikum verordnet.

  • Die Resistenzlage für Tetracycline ermöglichte die Entwicklung einer Pneumonie.

Service

Für Ihre Patienten gibt es das Merkblatt „Infektion der Atemwege – was Sie wissen sollten“ als pdf zum Download unter www.medizinundmedien.eu/Patienteninfo

Literatur

  • 1 CRB Aujesky et al. AJM 2005

  • 2 Van der Meer, Victor; Arie Knuistingh Neven; Peterehans J van den Broek, Willem J.J.Assendelft: Diagnostic value of C reactive protein in infections oft he lower respiratory tract: systemic review BMJ, doi:10.1136/bmj.38483.478183.EB

  • 3 Christ-Crain, M. et al Effect of procalcitonin-guided treatment on antibiotic use and outcome in lower respiratory tract infections cluster-randomised, single blinded intervention The Lancet Vol 363, February 21,2004

  • 4 Gompertz S et al., Farbe des Sputums und Art der Infektion Eur Respir J 2001; 17: 1112-1119

  • 5 Harnisch, Christopher Was gegen Schnupfen hilft Der Hausarzt 02/2015

  • 6 Hvild et al. Antibiotic use and inflammatory bowel diseases in childhood Gut 2011;60:49-54 doi:10.1136/gut.2010.219683

  • 7 Thalhammer Umfrage bei Digivote Bezirksärztefortbildungen in Österreich

Mögliche Interessenkonflikte: Beratertätigkeit, Vorträge und Artikel für die Firmen Aerocrine, Bayer, Boehringer Ingelheim, Mundipharma und Novartis.

Lesen Sie dazu auch: Atemwegsinfekte – Wann ein Antibiotikum nötig ist

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