Berlin. Der Koalitionsvertrag enthält durchaus Anreize, die hausärztliche Versorgung zu stärken – doch letztlich wird es auf die Ausstattung und Verteilung der finanziellen Mittel ankommen. Das betonte Ulrich Weigeldt, Bundesvorsitzender der Deutschen Hausärzteverbandes, am Mittwoch (14. März) vor Journalisten. „Es wird deutlich, dass die Primärversorgung gestärkt werden soll”, sagte er in Berlin. Als Beispiel nannte er etwa die angekündigte Aufwertung der „sprechenden Medizin”. „Letztlich werden wir aber abwarten müssen, wie die Vorhaben durch die langsam mahlenden Mühlen der Selbstverwaltung auch umgesetzt werden.”
Als eines der am drängendsten zu adressierenden Probleme erinnerte Weigeldt am Mittwochmorgen an die Gewinnung hausärztlichen Nachwuchses, der zunehmend auch in unterprivilegierten Stadtvierteln fehle. „Hier wird man auch Geld in die Hand nehmen müssen, um gegenzusteuern”, meint Weigeldt. In ländlichen Regionen sei es zudem wichtig, bestehende Begrenzungen – etwa in Form abgestaffelter Honorare – aufzuheben.
Der Koalitionsvertrag adressiert dieses Problem bereits in Fragen der Bedarfsplanung: „In ländlichen oder strukturschwachen Gebieten entfallen Zulassungssperren für die Neuniederlassung von Ärztinnen und Ärzten, um Unterversorgung zu vermeiden”, heißt es in der „To-Do-Liste” von Union und SPD.
Nicht auf die Regierung verlassen
„Der Koalitionsvertrag allein wird die Probleme jedoch nicht lösen können”, sagte Weigeldt. So seien darüber hinaus Bemühungen wie in Bayern oder Baden-Württemberg nötig, um etwa Studierende im Praktischen Jahr (PJ) oder während ihrer Famulaturen zu unterstützen, um früh mit der Allgemeinmedizin in Kontakt zu kommen.
Die Landesverbände des Deutschen Hausärzteverbandes sind in solche Bemühungen bundesweit involviert; so werden in einem im Februar gestarteten Projekt der Partner des Hausarztvertrages in Baden-Württemberg etwa PJ-lern insgesamt acht sogenannte PJmobile zur Verfügung gestellt, um in hausärztliche Lehrpraxen auf dem Land zu fahren, ohne dass Mehrkosten entstehen.
Ein weiteres Problem sieht Weigeldt in der Bedarfsplanung. So beobachte er drei Arten von Fehlallokationen: Hausarztsitze, die nicht mehr hausärztlich tätig sind – zu identifizieren etwa am Nicht-Ausstellen von Rezepten –, Hausarztsitze, die aufgekauft und dann in eine kardiologische oder andere Schwerpunktpraxis umgewandelt werden, sowie der gezielte Ankauf von Hausarztsitzen zur Umwandlung in Klinik-MVZ. „Hier muss die Zulassungsordnung angepackt werden”, betonte Weigeldt. In Gesprächen mit der früheren Spitze der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) sei über diese Fehlallokationen bereits gesprochen worden.
Team im Ministerium steht
Am Tag der Vereidigung des neuen Bundeskabinettes machte Weigeldt nur wenige Kilometer von dem ersten großen Auftritt von Merkels Ministerriege entfernt deutlich, dass er bewusst das Gespräch mit dem neuen Ministerium suchen wolle. Ein Punkt sei etwa der Abbau der Bürokratie. In Fällen wie einem defekten Rollatorrad oder einer durchgelegenen Dekubitusmatratze könne es nicht sein, dass der Hausarzt ein Attest ausstellen müsse und mit dem Vorgang allerhand Auflagen verbunden seien. „Das sind Ärgernisse, die sich ausbreiten und die junge Menschen vom hausärztlichen Beruf abschrecken”, meint Weigeldt. In diesem Zusammenhang übte Weigeldt auch deutliche Kritik an der geplanten Ausweitung der Mindestsprechstundenzahl von 20 auf 25 Stunden pro Woche.
Mit der Besetzung des Ministeriums zeigt sich Weigeldt hingegen zufrieden. Bereits im Vorfeld hatte er die gesundheitspolitische Expertise des neuen Ministers Jens Spahn (CDU) gelobt; am Mittwoch betonte er darüber hinaus, dass auch die Besetzung der Staatssekretärsposten durch bislang gesundheitspolitisch unbekannte Namen kein Nachteil sein müsse. So könnten Thomas Gebhart und Sabine Weiss durch ihren neuen Blickwinkel neuen Schwung in die Arbeit bringen.
Wenig Schwung hingegen wird laut Weigeldt wohl in die Entwicklung einer neuen Honorarordnung kommen. Laut Koalitionsvertrag soll eine Kommission die Möglichkeit einer gemeinsamen Gebührenordnung für gesetzliche und private Krankenkassen prüfen. Diesen Prozess werde man als Verband eng begleiten. „Angesichts der langjährigen Ringens um eine GOÄ-neu gehe ich jedoch nicht davon aus, dass sich schnell etwas tun wird.”