„Zur gezielten Förderung der geriatrischen und palliativmedizinischen Versorgung sowie der Versorgung von Kindern mit chronischen Erkrankungen und/oder Behinderungen werden neue Gebührenordnungspositionen in den EBM aufgenommen. Das mit den Krankenkassen vereinbarte zusätzliche Honorarvolumen gemäß des Beschlusses des Bewertungsausschusses in der 288. Sitzung am 22. Oktober 2012 wird für die gezielte Verbesserung dieser drei Versorgungsbereiche verwendet.“ So heißt es im Beschluss des Bewertungsausschusses vom 31. Mai 2013, mit dem der Einheitliche Bewertungsmaßstab (EBM) für den hausärztlichen Bereich für die Jahre 2013 und 2014 weiterentwickelt werden sollte.
Kommentar
Konkret bedeutet dies, dass die einzelnen Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) das Honorar nach den geriatrischen EBM-Positionen 03360 und 03362 sowie den palliativmedizinischen Leistungen 03370 bis 03373 EBM so verteilen müssen, dass das zur Verfügung gestellte Honorarvolumen ausschließlich zur Finanzierung dieser Leistungen Verwendung findet. Möglich ist die Umsetzung dieser Vorgabe nur, wenn im betreffenden Honorarverteilungsmaßstab (HVM) der KV diese Leistungen als „freie“ Leistungen in einem eigenen Honorarsektor angesiedelt sind. Eine Honorarverteilung über das Regelleistungsvolumen (RLV) oder auf der Grundlage eines Qualitätszuschlages (QZV) hingegen wird dieser eindeutigen Vorgabe des Bewertungsausschusses nicht gerecht.
Praxen mit hohen Fallzahlen und etwa einem geringen Anteil an geriatrischen und palliativmedizinischen Fällen bekommen im letztgenannten Fall ein sehr hohes QZV-Volumen zugeordnet, das sie nicht ausschöpfen können. Da nicht verbrauchte Honoraranteile des praxisindividuellen QZV auf das praxisindividuelle RLV übertragen werden, dienen diese Honoraranteile dort – entgegen der Auflage des Bewertungsausschusses – zur Vergütung von Leistungen bei nicht-geriatrischen oder nicht-palliativmedizinischen Fällen. Die korrekte Umsetzung über ein QZV wäre nur möglich, wenn die Ermittlung des QZV-Wertes nur auf die im EBM definieraten Fälle der Geriatrie oder Palliativmedizin bezogen würden.
So gesehen verhalten sich viele KVen bei der Honorierung dieser neuen Leistungen rechtswidrig, wenn sie nicht in ihrem HVM eine Vergütung als freie Leistung vorsehen. Inwieweit im Falle einer Klage gegen derart rechtswidrige Honorarverteilungsmaßstäbe ein Sozialgericht dem Einzelkläger Recht gibt, wäre deshalb zu klären. Unabhängig von diesem Punkt dürfte die Vorgehensweise der KVen, die sich hier nicht rechtskonform verhalten, auch ein honorarpolitisches Nachspiel haben. Warum sollte ein Hausarzt künftig, wenn er diese Rahmenbedingungen erst einmal verstanden hat, sich noch die Mühe machen, den nicht unerheblichen Dokumentationsaufwand zu betreiben, der notwendig ist, um diese Leistungen abrechnen zu können, wenn er doch auf einfacherem Weg den gleichen finanziellen Effekt erreichen kann? Wer keine Geriatrie- oder Palliativleistungen abrechnet, schöpft bekanntlich zwar sein QZV nicht aus, das Geld wird aber dem RLV zugeschlagen – und das auszuschöpfen, ist für jeden Hausarzt schließlich kein Problem.
Genau darauf wartet aber ein neuer „Player“ im Gesundheitswesen. Mit dem Paragraf 118a SGB V hat der Gesetzgeber die Grundlage für die Ermächtigung von Geriatrischen Institutsambulanzen (GIA) zur verbesserten fachspezifischen und strukturierten wohnortnahen Versorgung geriatrischer Patienten geschaffen. Nach Abschluss eines Schiedsverfahrens tritt eine Vereinbarung zu den Geriatrischen Institutsambulanzen zum ersten Oktober 2015 in Kraft. Zulassungsausschüsse dürfen dann geriatrische Fachkrankenhäuser, Allgemeinkrankenhäuser mit selbstständigen geriatrischen Abteilungen, geriatrische Rehabilitationskliniken und dort angestellte Ärzte sowie Krankenhausärzte zu einer strukturierten und koordinierten ambulanten geriatrischen Versorgung der Versicherten zulassen, wenn die Versorgung durch Vertragsärzte nicht sichergestellt wird.
Die Abrechnung der Leistungen dieser Ambulanzen erfolgt aus dem vertragsärztlichen Honoraranteil und damit – da es sich hier ausschließlich um Leistungen handelt, die Hausärzte abrechnen können – zulasten des hausärztlichen Honorars. Pikant ist, dass diese GIA nur diagnostische Leistungen erbringen dürfen, aber Therapieempfehlungen geben sollen. Die eigentliche Arbeit bei den alten Patienten verbleibt damit beim Hausarzt und wird eventuell durch kluge Ratschläge noch erschwert.