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Alarmsignal des Hausärztinnen- und HausärzteverbandesZukunft mit Versorgungslücken?

Am Donnerstag und Freitag tagen rund 120 Hausärztinnen und Hausärzte in Berlin. Zum Auftakt warnt ihre Bundesspitze mit deutlichen Worten vor irreparablen Versorgungslücken in der Zukunft - wenn die Politik nicht endlich das Ruder rumreißt.

Deutschlandkarte: Damit auch in Zukunft flächendeckend eine hausärztliche Versorgung zur Verfügung steht, muss die Politik jetzt das Ruder herumreißen, warnt der Hausärztinnen- und Hausärzteverband.

Berlin. Die Hausärztinnen und Hausärzte in Deutschland warnen vor einem drohenden Kollaps der ambulanten Versorgung. „Der Notstand ist längst da, aber die Politik ist nach wie vor untätig“, kritisierten Dr. Markus Beier und Prof. Nicola Buhlinger- Göpfarth als Bundesspitze des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes in einer Pressekonferenz anlässlich des 44. Hausärztinnen- und Hausärztetags.

Rund 120 hausärztliche Delegierte aus ganz Deutschland werden dazu am Donnerstag (21. September) und Freitag (22. September) in Berlin erwartet.

“Politik muss Reformen endlich umsetzen”

Mit dem Herbstbeginn nehmen die Infekte zu, Patientinnen und Patienten wollen gegen Grippe und Corona geimpft werden, andere brauchen Unterstützung, weil das verordnete Arzneimittel in der vertrauten Apotheke nicht verfügbar ist. Diese zusätzlichen Leistungen erhöhten aktuell die Arbeitslast in den hausärztlichen Praxen. „Immer mehr sind Praxen gezwungen, neue Patientinnen und Patienten abzuweisen, wenn diese keine Notfälle sind“, sagte Beier.

Der Blick in die Zukunft verspricht keine Besserung. Mehr als 35 Prozent der Hausärztinnen und Hausärzte sind laut Verband älter als 60 Jahre und werden bald ihre Praxen aufgeben – auch wenn der Nachwuchs fehlt. „Wir Hausärzte warten seit Jahren darauf, dass die Politik nachhaltige Reformen endgültig umsetzt. Die Politik nimmt unsere Arbeit als selbstverständlich und tanzt stattdessen jede Woche um den stationären Sektor“, ärgerte sich Beier.

Vor bald sieben Jahren sei die Reform des Medizinstudiums beschlossen worden, um mehr Studierende für den Arztberuf zu begeistern. Wenn diese direkt umgesetzt worden wäre, könnten jetzt die ersten Absolventen ihre Weiterbildungen in den hausärztlichen Praxen beginnen. In  vielen Regionen werde aber nach wie vor händeringend nach Nachfolgern gesucht. „Gute Ansätze reichen eben nicht, wenn es an der Umsetzung hapert“, sagte Beier. Die Politik habe jetzt die Chance, das Ruder herumzureißen – es sei jedoch nicht mehr viel Zeit.

Versprochene Entbudgetierung muss kommen

An erster Stelle der politischen Forderungen steht für den Hausärztinnen- und Hausärzteverband die Entbudgetierung hausärztlicher Leistungen in Form einer “MGV plus” wie bei den Kinder- und Jugendärzten. Aktuell komme es vor, so Beier, dass pro Quartal nur etwa 75 Prozent der Gesamtvergütung ausbezahlt würden – und dies, obwohl die Ausgaben für die Praxen weiter hochbleiben oder gar steigen.

„Die Politik täte gut daran, endlich die Augen zu öffnen und die notwendigen Maßnahmen umzusetzen – beginnend bei denen, die sie sich selbst bereits auf die Fahnen geschrieben hat. So ist es vollkommen unverständlich, warum unsere Kolleginnen und Kollegen in Regionen wie beispielsweise Hamburg oder Berlin gerade in diesen herausfordernden Zeiten noch immer unbezahlte Sonderschichten schieben müssen, weil die versprochene Entbudgetierung der hausärztlichen Leistungen weiterhin auf sich warten lässt“, so Beier.

Hausärztliche Arbeit als “Maschinenraum der Versorgung”

Bei der Abrechnung gelte es zudem, die „reine Quartalslogik“ aufzugeben. „Es ist eine medizinische Entscheidung, wie engmaschig chronisch Kranke begleitet werden müssen. Dies darf nicht über den Einheitliche Bewertungsmaßstab (EBM) definiert werden“, betonte Prof. Nicola Buhlinger-Göpfarth.

Die Erste stellvertretende Bundesvorsitzende verglich die hausärztliche Arbeit mit „dem Maschinenraum in der Versorgung“. Dieser sei bereits jetzt völlig überlastet und drohe angesichts der zusätzlichen Aufgaben bald komplett auszufallen. „Unsere Praxen laufen heiß. Die Versorgung ist am Kippen und wird nur noch durch unsere Bereitschaft aufgefangen, immer wieder Sonderschichten zu schieben“, so Buhlinger-Göpfarth.

Team-Zuschlag nach HZV-Vorbild gefordert

Die jetzt startende Impfsaison stellt die Praxen vor zusätzliche Herausforderungen. „Die Bundesregierung hat es versäumt, eine Kommunikationsstrategie für die gesamte Bevölkerung zu entwickeln, um die Vorteile der Impfung deutlich zu machen“, sagte Buhlinger-Göpfarth. Zum einen sei  dadurch der individuelle Beratungsbedarf zum Grippeschutz und zur Corona-Infektionen erhöht, zum anderen erschwerten weitere Rahmenbedingungen – etwa die Tatsache, dass noch immer keine Biontech-Vakzine in Einzeldosen angekündigt ist – die Arbeit. Auch fehle eine digitale Lösung zur Impfdokumentation, um die Arbeit in den Praxen zu entlasten.

Die Bundesspitze, die am Donnerstag erneut zur Wahl stehen wird, forderte weiter, den Team-Zuschlag aus der Hausarztzentrierten Versorgung (HZV) in die Regelversorgung zu übernehmen. Nur darüber könnte die notwendige Zusammenarbeit in den Praxen entsprechend gestärkt und vergütet werden.

Eine deutliche Abfuhr gab es indessen für den Plan von Bundesgesundheitsminister Lauterbach, bundesweit 1000 Gesundheitskioske aufzubauen. Beier schätzte die jährlichen Kosten dafür auf mindestens 400 Millionen Euro. Der dafür zu erwartende Nutzen aber sei gering: „Dies wird die hausärztliche Versorgung nicht entlasten.“ (swe)

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