Grundsätzlich ist Arbeitsunfähigkeit (AU) zu bescheinigen, wenn jemand aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage ist, seine Tätigkeit auszuüben. Dies gilt auch, wenn zu befürchten ist, dass sich eine Krankheit durch diese Arbeit verschlechtern würde (Paragraf 2 Abs. 1 AU-Richtlinie).
Wichtig: Bei Krankschreibungen sind Ärztinnen und Ärzte daher verpflichtet, nach der genauen Tätigkeit zu fragen. Sonst können sie nicht beurteilen, ob Arbeitsfähigkeit für diese Tätigkeit besteht oder nicht.
Anders bei Arbeitslosen (s.u.): Hier ist nach dem Umfang zu fragen, für den diese sich arbeitssuchend gemeldet haben (Vollzeit, halbe Stelle, etc.).
Anspruch auf AU-Bescheinigungen haben zudem arbeitende Rentnerinnen und Rentner (etwa Minijob), jüngere geringfügig Beschäftigte oder Mitarbeitende von Werkstätten für behinderte Menschen o.Ä. (Paragraf 2 AU-Richtlinie).
Drei Fälle von Arbeitslosigkeit
Herausfordernd sind die vielen Details der AU bei Menschen ohne Arbeit.
Tipp: Es lohnt sich, die AU-Richtlinie zu lesen (www.hausarzt.link/sVnEF)!
Paragraf 2 unterscheidet drei Gruppen:
- Arbeitslose (Abs. 3),
- Empfänger von Grundsicherung nach SGB II (Abs. 3a), “Hartz IV”/ “Bürgergeld”,
- arbeitslose An- oder Ungelernte (Abs. 4).
Für diese nennen die jeweiligen Paragrafen verschiedene Grundlagen zur Bewertung der Arbeitsfähigkeit.
Arbeitslose sind grundsätzlich nach den Anforderungen des allgemeinen Arbeitsmarktes (“leichte Tätigkeiten”) zu beurteilen und gelten dann als arbeitsunfähig, wenn sie nicht in dem Umfang arbeiten können, für den sie sich arbeitssuchend gemeldet haben (beispielsweise Vollzeit oder 50 Prozent).
Merke: Laut Paragraf 2 Abs. 3 der AU-Richtlinie ist es dabei “unerheblich, welcher Tätigkeit die/der Versicherte vor der Arbeitslosigkeit nachging”.
Wer hingegen im erwerbsfähigen Alter “Bürgergeld” (nach SGB II) bezieht, gilt als arbeitsunfähig, wenn nicht mindestens drei Stunden täglich gearbeitet oder an einer Eingliederungsmaßnahme teilgenommen werden kann. Die AU-Bescheinigung dient hier vor allem der rechtzeitigen Information der Arbeitsagentur, da diese Menschen alle Angebote nutzen müssen, um ihre Hilfebedürftigkeit zu verringern.
Eine Besonderheit betrifft Menschen, die während der Arbeitsunfähigkeit arbeitslos wurden (weil zum Beispiel der Arbeitsvertrag auslief) und die vorher keinem anerkannten Ausbildungsberuf nachgingen – sogenannte “An- oder Ungelernte“.
Hier wird die Arbeitsfähigkeit in Hinblick auf die letzte (oder eine ähnliche) Tätigkeit beurteilt – also nicht in Bezug auf den allgemeinen Arbeitsmarkt (“leichte Tätigkeit”)! Eigentlich soll die Kasse Ärztinnen und Ärzte informieren,
- dass der Patient jetzt arbeitslos ist,
- er als An- oder Ungelernter zu beurteilen ist und
- ähnliche Tätigkeiten benennen.
Tatsächlich können die “Rauchenden Köpfe” sich in jeweils mehr als zehn Jahren Praxistätigkeit an keine solche Mitteilung einer Krankenkasse erinnern. Beginnen An- oder Ungelernte eine neue Beschäftigung während der AU-Zeit (z.B. zuvor unterzeichneter Vertrag), ist die Arbeitsfähigkeit in Hinblick auf den neuen Job zu beurteilen.
Rückwirkende Ausstellung
Eine weitere Besonderheit sind rückwirkende Bescheinigungen. Wie kann in folgender Situation gehandelt werden? Frau Müller ist montags in der Sprechstunde, mit starken Rückenschmerzen, wird untersucht und beraten, lehnt aber die AU-Bescheinigung ab. Sie brauche diese nicht, weil sie am Donnerstag wieder arbeiten könne und die ersten drei Tage (“Karenztage”) könne sie auch so fehlen.
Am Freitag bittet sie nachträglich um die Bescheinigung, weil ihr Arbeitgeber mit Verweis auf ihren Arbeitsvertrag nun doch eine haben wolle.
Laut AU-Richtlinie Paragraf 5 darf nur in begründeten Ausnahmefällen für “in der Regel bis zu drei Tage rückwirkend” AU festgestellt oder bescheinigt werden – und nur nach “gewissenhafter Prüfung”. Ob eine Ausnahme gegeben ist, liegt im ärztlichen Ermessen.