© privat Lisa Janssen, VERAH® und Studentin im Studiengang "Primärmedizinisches Versorgungs- und Praxismanagement"
Heute ist Lisa Janssen eine von rund 100 Studierenden im Studiengang “Primärmedizinisches Versorgungs- und Praxismanagement”. An drei Standorten – Dortmund, Mannheim, München – haben sie sich zum 1. September eingeschrieben, um noch mehr Wissen für den Praxisalltag zu gewinnen. Was sie eint: Sie alle sind Medizinische Fachangestellte (MFA), die “mehr” wollen.
Akademischer Grad für die VERAH®
Die Hochschule FOM bietet das Studium in Kooperation mit dem Deutschen Hausärzteverband an, der das Curriculum mit entwickelt hat. Es ist quasi ein neues Level für die VERAH®-Weiterbildung, mit der der Verband seit Jahren erfolgreich zur Entlastung von Hausarztpraxen beiträgt.
Mit dem berufsbegleitenden Studium können Versorgungsassistenzen in der Hausarztpraxis (VERAH®) und Nichtärztliche Praxisassistenzen (NäPA) nun auch den akademischen Grad Bachelor of Science (B.Sc.) erwerben.
Das erfreute sich gleich zum Start einer so großen Nachfrage, dass das Studium ab 2023 auf zwei weitere Standorte ausgerollt wird.
Häufige Fragen rund ums Studium
1) Worin unterscheiden sich die Inhalte von denen der VERAH®-Ausbildung?
Die Inhalte gehen weit über die der Weiterqualifizierung zur VERAH® hinaus. Im Studiengang stehen Themen wie Anamnese und Untersuchungstechniken, Qualitätsmanagement und Besonderheiten bei der Versorgung von chronisch erkrankten Patienten im Fokus.
Das Wissen über die Abrechnung vertragsärztlicher Leistungen wird deutlich vertieft; spezielle primärmedizinische Krankheitslehre, aber auch Prävention und Rehabilitation gehören ebenfalls zum Lehrplan.
2) Welche zusätzlichen Aufgaben darf man nach dem Studium in der Praxis übernehmen?
Das Studium befähigt dazu, von der Hausärztin oder dem Hausarzt delegiert zusätzliche Tätigkeiten wie Basisuntersuchungstechniken oder Untersuchungsvorbereitungen zu übernehmen.
Durch die verstärkte sozialmedizinische Kompetenz ist man nicht nur in der Lage, Rehabilitationsanträge auszufüllen, sondern kann auch Anfragen von Ämtern und Kassen bearbeiten, beim Antrag auf Schwerbehinderung unterstützen oder Patienten und Angehörige bei Fragen rund um die Pflegeversicherung beraten. Im Bereich des Praxismanagements können Aufgaben der Praxisorganisation, der Personalplanung, im Prozess- und Qualitätsmanagement oder im sektorenübergreifenden Case-Management übernommen werden.
3) Welche Zugangsvoraussetzungen gibt es?
Hat man kein Abitur oder die Fachhochschulreife, erfüllt man auch mit einer gleichwertig anerkannten Vorbildung, etwa einer abgeschlossenen Ausbildung mit dreijähriger Berufserfahrung oder abgeschlossener Aufstiegsfortbildung, die Voraussetzungen.
Zusätzlich braucht man zum Studienbeginn den Nachweis über eine abgeschlossene Berufsausbildung zum/zur medizinischen Fachangestellten oder einer vergleichbaren Berufsausbildung im Gesundheitswesen (ZFA, OTA, Gesundheits- und Krankenpflege) und muss aktuell in einer hausärztlichen Praxis in Voll- oder Teilzeit beschäftigt sein. Außerdem muss man die Ausbildung zur VERAH® oder zur NäPa erfolgreich absolviert haben.
4) Wie viel Zeit müssen Studierende pro Woche für das Studium einplanen?
Die Online-Seminare finden mittwochs von 18 bis 21:15 Uhr und freitags von 14 bis 17:15 Uhr statt, sowie an zwei Samstagen pro Monat jeweils von 8:30 bis 15:45 Uhr. Der Präsenzunterricht findet in einer Blockwoche pro Semester an den Studienorten Dortmund, Mannheim oder München statt.
5) Wie viel kostet das Studium?
Das Studium kostet 8.850 Euro, zahlbar in 30 Monatsraten à 295 Euro oder in zehn vierteljährlichen Raten à 885 Euro. Die Prüfungsgebühr beträgt 300 Euro. Ob und inwiefern sich der Arbeitgeber beteiligt, ist individuell mit ihm abzusprechen.
Praxistipp: Der Deutsche Hausärzteverband weist darauf hin, dass die Studiengebühren mitunter steuerlich geltend gemacht werden können.
6) Wird die Ausbildung beim Studium angerechnet?
Die abgeschlossene VERAH®- bzw. NäPa-Weiterbildung und die Ausbildung zur MFA wird auf das Studium angerechnet. Dadurch erfolgt der Einstieg direkt ins dritte Semester – die Studienzeit beträgt somit lediglich fünf (statt sieben) Semester.
Mit dem Praxisalltag zu vereinen
Dass das Studium berufsbegleitend ausgerichtet ist, ist dabei essenziell. Ihre Kommilitoninnen sieht Lisa Janssen in erster Linie auf dem Bildschirm: Der Großteil des Studiums findet digital statt. “Für mich ist das sehr praktisch”, unterstreicht sie.
Für einzelne Vorlesungen oder auch eine Prüfung ins rund 150 Kilometer entfernte Dortmund zu pendeln, wäre nicht machbar. Stattdessen begibt sich die Studentin zwei- bis dreimal pro Woche virtuell in den Hörsaal. Einmal im Semester findet zusätzlich eine Woche Präsenzunterricht statt.
Dieses Modell ermöglicht VERAH® bundesweit die Teilnahme. “Es studieren auch MFA, die aus Schleswig-Holstein kommen, also nicht aus der Nähe einer der Hochschul-Standorte”, weiß Lisa Janssen. Auch darüber hinaus freut sie sich über eine bunte Mischung im “Hörsaal”: Zwischen Mitte 20 und Mitte 50 seien alle Altersstufen vertreten, erzählt sie von den ersten Vorlesungen am PC.
Die berufsbegleitende Ausrichtung zeigt sich auch mit Blick auf die Vorlesungszeiten: Mittwochabend und Freitagnachmittag stehen Lerninhalte auf dem Programm, zudem an zwei Samstagen im Monat.
Das ist ohne Frage zeitintensiv. Lisa Janssen ist die Entscheidung fürs Studium trotzdem leicht gefallen – auch wenn ihr mit ihrem Arbeitsalltag und dem gerade ein Jahr alt gewordenen Sohn auch ohne Studium nicht langweilig zu werden drohte, wie sie lachend sagt. “Aber ich sehe das Studium als Chance und eine solche ergibt sich vielleicht nicht wieder, daher habe ich sie beim Schopfe gepackt.”
Ihre Familie unterstützt sie dabei: Während der Vorlesungen passen ihr Mann oder ihre Schwiegereltern auf den Sohn auf und geben ihr somit Freiraum fürs Pauken.
Studium Primärmedizinisches Versorgungs- und Praxismanagement
Hochschulabschluss: Bachelor of Science (B.Sc.)
Dauer: 7 Semester (durch Anrechnung der abgeschlossenen VERAH®- oder NäPA-Weiter- bildung erfolgt der Einstieg in das 3. Semester, damit nur 5 Semester)
Studienform: berufsbegleitend, meist digital
Standorte: Dortmund, Mannheim, München (ab dem Wintersemester 2023 auch Leipzig und Hannover
Semesterbeginn: September
Semesterferien: August und Mitte bis Ende Februar
Anmeldung: bis Ende Juni empfohlen; später nach Absprache möglich
Studiengebühren: 8.850 Euro, zahlbar in’
30 Monatsraten à 295 Euro oder 10 viertel- jährlichen Raten à 885 Euro. Die Kosten sind ggf. steuerlich absetzbar.
Praxis stärkt den Rücken
Unterstützung erhält sie zudem von ihrer Arbeitgeberin: Für den einwöchigen Präsenzunterricht etwa müsse sie keinen Urlaub einreichen, sagt Lisa Janssen. Freitags habe sie ohnehin frei. “Doch auch bei Kommilitoninnen, deren Praxen freitags länger geöffnet haben, finden sich im Gespräch mit den Chefs gute Lösungen”, beobachtet sie.
Denn: Auch die Arbeitgeber profitieren vom Studium der Arbeitnehmerin. “Ein gut eingespieltes, kompetentes und engagiertes Team ist mit eine Voraussetzung, eine Praxis erfolgreich zu führen”, weiß Anke Richter-Scheer, Chefin von Janssen und Vorsitzende des Hausärzteverbandes Westfalen-Lippe.
Dass sie ihre MFA im Studium unterstützt – etwa mit Blick auf den Dienstplan in Prüfungszeiten oder auch der Übernahme der Studiengebühren –, habe daher nie zur Debatte gestanden. Im Gegenteil: Den Anstoß zum Studium hat sie selbst gegeben.
Link-Tipp: Eine Auflistung aller Studieninhalte – aufgeschlüsselt nach Semestern – sowie alle wichtigen Infos auch zur Anmeldung finden sich im 4-seitigen Fact Sheet der Hochschule: www.hausarzt.link/PqaFD
“Der Bedarf nach hausärztlicher Versorgung ist bereits heute hoch und wird künftig eher mehr als weniger. Eine Antwort darauf muss die Weiterqualifikation unserer Mitarbeitenden sein, die unter unserer Leitung mehr Verantwortung übernehmen und uns so den Rücken stärken”, erklärt Dr. Markus Beier, Bundesvorsitzender des Deutschen Hausärzteverbandes, die Grundidee. “. Die Teampraxis wird damit zum Gegenbild einer weiteren Zersplitterung der Versorgung.”
Darüber hinaus erhöht der Studiengang die Attraktivität des Berufsbildes der MFA – was in Zeiten des Fachkräftemangels immer wichtiger wird. “Ich könnte mir sogar vorstellen, dass einige die VERAH®-Weiterbildung machen, nur um sich damit für das Studium zu qualifizieren”, meint Studentin Lisa Janssen. Sie selber sieht die Chance für sich, aufgrund des Studiums innerhalb des Teams in Zukunft Leitungsfunktionen übernehmen zu können.
Erste Prüfungen im Januar
Für Lisa Janssen eröffnet sich mit dem Studium letztlich ein völlig neuer Lebensweg: Nach dem Besuch des Gymnasiums bis zur elften Klasse hatte sie sich ursprünglich gegen das Abitur und für eine Ausbildung mit einem Realschulabschluss entschieden. “Ein Studium, dachte ich damals, sei nichts für mich”, schmunzelt sie heute. Und auch wenn sie die Ausbildung zur MFA nie bereut habe – so sei es doch schön, nun noch einmal das Leben als Studentin kennenzulernen.
Mit einer Prise Nervosität blickt sie nun schon in den Januar: Dann stehen die ersten Prüfungen an. “Aber die Dozenten machen uns Mut”, sagt sie optimistisch – und freut sich auf die Herausforderung. Immerhin wird es nur ein weiterer Nachweis ihres neu erlangten Wissens für den Praxisalltag sein.