Berlin. Muss es in Zeiten übervoller Hausarztpraxen sein, dass sich Hausärztinnen und Hausärzte mit lapidaren Dingen – wie etwa blaue Flecken anschauen oder Zecken entfernen – beschäftigen müssen?
Nein, findet Hausärztin Dr. Laura Dalhaus, die am Freitag (20.9.) beim 45. Hausärztinnen- und Hausärztetag betonte: Derartige Dinge hätte früher eine Mutter gemacht. In Zeiten, in denen es den Bürgern bei einfachen Fragen rund um die Gesundheit an Kompetenz fehle, werde die Entlastung etwa durch Primary Care Managerinnen und – Manager (PCM) immer wichtiger, sagte Dalhaus. Allerdings wurden in Berlin auch kritische Stimmen an der Delegation von verantwortungsvolleren Aufgaben an nichtärztliche, besonders qualifizierte Fachkräfte laut, die betonten, dass medizinische Kompetenz – zum Beispiel bei der Beurteilung von Infektpatienten – unbedingt nötig sei (zum Beispiel Gefahr einer unentdeckten Myokarditis). Schließlich ist bei dem vom Hausärztinnen- und Hausärzteverband entwickelten Konzept HÄPPI (Hausärztliches Primärversorgungszentrum – Patientenversorgung interprofessionell) auch der Einsatz von PCM in den Hausarztpraxen bei Bedarf möglich.
Hohe Akzeptanz für PCM-Studium
Zuvor hatte Dr. Hans- Michael Mühlenfeld, Vorsitzender des Instituts für hausärztliche Fortbildung (IHF), den hausärztlichen Delegierten ein Update zum PCM-Studium gegeben.
Die Akzeptanz für das PCM-Studium sei gut, erklärte Mühlenfeld; die Abbruchrate sei unterdurchschnittlich – auch wenn das Studium sowohl intellektuell als auch persönlich eine Herausforderung sei. Eine Befragung der Studierenden habe außerdem ergeben, dass diese gerne einen stärkeren Fokus auf medizinische Themen hätten. Die Themen rund um die Praxisorganisation sollten dabei beibehalten werden.
Die Wünsche konkret: 87,3 Prozent möchten nach dem PCM-Studium ärztlich delegierbare Tätigkeiten übernehmen, 64,3 möchten mit dem Management der Praxisabläufe betraut sein und 77,2 Prozent interessieren sich für die Beratung. Sie möchten gerne zum Beispiel Gespräche zu sozial medizinischen Themen übernehmen oder das Case Management begleiten. Diese Wünsche wurden bereits in das neue Curriculum für das PCM Studium 2025 eingearbeitet – das Studium enthält nun mehr medizinische Bausteine.
Bislang haben MFA und VERAH bereits die Möglichkeit, ein Studium zum PCM absolvieren. Diese Begrenzung hat sich als zu eng erwiesen. 2025 soll das Studium zum PCM deshalb erweitert werden, auch junge Leute mit Fachabitur können dann einen Bachelor of Science Abschluss erreichen.
MFA, VERAH und PCM aus einem Guss
Attraktiv sei dies für junge Menschen und die Praxen auch deshalb, hieß es in Berlin, weil mit Abschluss des PCM-Studiums auch der Abschluss zur MFA und die Weiterbildung zur VERAH automatisch vorliege. Denn im etwas länger dauernden PCM-Studium für Fachabiturienten werde auch das Wissen für die Ausbildung zur MFA und zur VERAH vermittelt. Dazu seien sechs Semester erforderlich. Bereits fertige MFA und VERAH können das PCM-Studium hingegen bereits in vier Semestern schaffen. Die Kosten für das PCM-Studium für Fachabiturienten belaufen insgesamt rund 13.000 Euro.
Zwei wichtige Punkte beim PCM-Studium sind noch zu klären, meinte Mühlenfeld. Zum einen sei den Praxen und Studierenden wichtig, das spätere Tätigkeitsfeld detaillierter zu definieren. Auch sei die Abrechenbarkeit von PCM-Leistungen in der HZV ein wichtiges Thema. Hier würden verschiedene PCM-Arbeitsgruppen im Hausärztinnen- und Hausärzteverband derzeit beschäftigt, Details zu Tätigkeitsfeld und Abrechenbarkeit zu erarbeiten sowie Marketingmaßnahmen zu entwickeln. Mühlenfeld appellierte in Berlin auch an die Praxen, weiter VERAH auszubilden. 16.000 VERAH gebe es und bislang 250 PCM.
Blick auf das neue Pflegegesetz
Dr. Matthias Berndt, Landesverband Niedersachsen, erinnerte bei den Diskussionen, dass die Personalprobleme in den Praxen alleine mit den PCM nicht gelöst werden können. „Wir brauchen auch Mitarbeiter, die die ganz normale Arbeit – wie etwa Impfen oder DMP – in unseren Praxen erledigen“, erklärte er vor den Delegierten. Während er früher aus 100 Bewerbungen habe auswählen können, seien in den letzten Jahren fünf bis 7 Bewerbungen pro ausgeschriebene Stelle bei ihm eingegangen. Keine von denen sei für die Ausbildung zur MFA geeignet gewesen.
Auch rechtliche Fragen treiben die Hausärztinnen und Hausärzte bei der Delegation von ärztlichen Leistungen an PCM um: Ist die Delegation (Beispiel Infektsprechstunde) überhaupt erlaubt und deckt die Haftpflichtversicherung Schäden, wenn der besonders qualifizierten Fachkraft ein Fehler unterläuft? „Nach den uns vorliegenden Bedingungen der Haftpflichtversicherer“, so Joachim Schütz, Hauptgeschäftsführer und Justiziar des Hausärztinnen- und Hausärzteverband in Berlin, werde in den Verträgen nicht zwischen Hilfs- und besonders qualifiziertem Personal unterschieden.
Was die Delegation ärztlicher Leistungen angeht, sei das Thema Rechtsicherheit durchaus strittig. Diese Fragen korrespondierten mit dem Pflegegesetz und dem neuen Paragrafen 73d. Hier ginge es um die Delegierbarkeit von Leistungen an Pflegefachkräfte. Es werde es einen Rahmenvertrag zwischen GKV-Spitzenverband, der KBV und der Pflegespitze geben. „Wir versuchen, uns dort einzubringen und den inhaltlichen Switch auf uns zu schaffen“, sagte Schütz. Wenn das gelinge, hätten die Hausärztinnen und Hausärzte im Vergleich zur jetzigen Delegationsvereinbarung wesentlich mehr Rechtssicherheit gewonnen.