Wenige Debatten emotionalisieren Ärztinnen und Ärzte so stark wie die um die Novellierung der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ). Und keine Reform nimmt so einen langen Anlauf! Seit Jahrzehnten wird über sie gestritten und diskutiert – und seit Jahrzehnten ist nichts passiert. Das Resultat dieser “never ending story” ist, dass Ärztinnen und Ärzte immer noch mit einer vollkommen veralteten GOÄ arbeiten müssen.
Dass nicht alle Facharztgruppen gleichermaßen unter der alten GOÄ leiden, verrät ein Blick auf die Bewertungen. Man muss klar sagen: Die Hausärztinnen und Hausärzte wurden bisher klar benachteiligt. Das liegt insbesondere, aber nicht nur, an der sprechenden Medizin, die in der aktuell gültigen GOÄ teilweise abenteuerlich schlecht bewertet wird. Auch wenn – gemessen am Umsatzanteil – Privatversicherte in den meisten Hausarztpraxen eher eine untergeordnete Rolle spielen, ist klar, dass dieser Status quo nicht ohne Weiteres akzeptiert werden kann.
Umso erfreulicher war die Nachricht, dass sich endlich etwas bewegt. Bundesärztekammer, Beihilfe und der Verband der Privaten Krankenversicherungen haben sich auf einen Entwurf einer neuen GOÄ geeinigt, inkl. aller Bewertungen. Dieser wurde im September den Verbänden zugeleitet. Eine Reihe von (Fach-)Arztverbänden hat sich im Anschluss zu Wort gemeldet und den Entwurf teilweise mit markigen Worten kritisiert. Andere wie der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzt*innen (BVKJ) oder der Bundesverband der Internistinnen und Internisten (BDI) haben sich für eine schnelle Umsetzung ausgesprochen.
Sprechende Medizin wird gestärkt
Auch der Hausärztinnen- und Hausärzteverband hat die Zahlen natürlich geprüft. Ergebnis: Für die Hausärztinnen und Hausärzte wäre die neue GOÄ ein deutlicher Schritt nach vorne (S. 16f). Die sprechende Medizin würde endlich vernünftiger vergütet. Davon profitieren natürlich nicht nur Hausärztinnen und Hausärzte, sondern alle Ärztinnen und Ärzte, bei denen das Patientengespräch eine zentrale Rolle einnimmt.
Außerdem wurden einige Leistungen aufgenommen, die bisher überhaupt nicht honoriert wurden, beispielsweise der so genannte Hausarztversorgungsfall, der die Betreuungsleistung der Hausärztinnen- und Hausärzte mit mindestens 90 Euro (abrechenbar zweimal im Halbjahr) honoriert. Auch die Befundsichtung – aktuell eine kostenlose Leistung – wurde neu aufgenommen. Damit nähert sich die GOÄ der Realität in den Praxen an.
Keine Budgetierung
Gleichzeitig halten sich hartnäckig Gerüchte über die neue GOÄ, die auch in der Hausärzteschaft für Verunsicherung sorgen. Eines ist, dass mit der neuen GOÄ eine Budgetierung, ähnlich wie im EBM, eingeführt werden soll. Das ist nicht der Fall! Auch zukünftig sollen alle Leistungen voll bezahlt werden. Was die Verhandlungspartner vereinbart haben, ist, sich nach drei Jahren die Entwicklung bestimmter Leistungen gemeinsam anzuschauen. Dieses Gremium wird jedoch keine Entscheidungskompetenz haben. In diesem Zusammenhang also von einer “Budgetierung” zu sprechen, schießt übers Ziel hinaus.
Eine andere Sorge betrifft die Steigerungsfaktoren. Diese sollen abgeschafft werden. Die Befürchtung ist, dass in der Folge Ärztinnen und Ärzte besondere Umstände bei der Abrechnung nicht mehr berücksichtigen können.
Richtig ist, dass in Zukunft höhere Schwierigkeitsgrade nicht mehr über Steigerungsfaktoren, sondern über Zuschläge abgedeckt werden sollen. Das Entscheidende dabei ist: Unter dem Strich sollen die hausärztlichen Leistungen besser bezahlt werden als aktuell (S. 16f) – auch ohne die Steigerungsfaktoren.
Neue Struktur transparenter
Natürlich beinhaltet die neue GOÄ auch einige Aspekte, die den Hausärztinnen und Hausärzten nicht schmecken. Es handelt sich bekanntermaßen um einen Kompromiss, dem auch die Kostenträger zustimmen mussten. Am Ende des Tages wäre der Entwurf aber eine deutliche Verbesserung des Status quo.
Neben der vernünftigen Bewertung der typischen hausärztlichen Leistungen hätte eine neue GOÄ einen weiteren großen Vorteil: Sie wäre deutlich transparenter als die aktuelle. Diese ist so veraltet und undurchsichtig, dass es für Patientinnen und Patienten kaum nachvollziehbar ist, welche Ziffern warum angesetzt wurden. Und auch Hausärztinnen und Hausärzte verlieren immer häufiger den Überblick, mit der Folge, dass viele Praxen gar nicht mehr alle Leistungen für ihre Privatversicherten abrechnen.
Wie geht es jetzt weiter?
Die große Frage ist nun: Wird dieser Entwurf auch tatsächlich vom Bundesgesundheitsministerium erlassen oder bleibt die Ärzteschaft in der Endlosspirale aus Diskussionen und halbgarer Grundsatzforderungen stecken?
Klar ist, dass es einen zwischen der Ärzteschaft und den Kostenträgern abgestimmten Entwurf braucht, damit die Chance besteht, dass dieser auch tatsächlich umgesetzt wird. Das bedeutet: Wenn die Ärzteschaft den aktuellen Entwurf nicht mit einem klaren Votum unterstützt, dann rückt eine Umsetzung in weite Ferne – und zwar nicht nur in dieser, sondern auch in der nächsten Legislatur. Das ist allen Akteuren im politischen Berlin bewusst. Umso bedenklicher ist, dass gerade die Verbände, die in den vergangenen Jahren am lautesten eine neue GOÄ gefordert haben, nun eben diese torpedieren. Damit werden auch die Verbesserungen für die sprechende Medizin bewusst aufs Spiel gesetzt.
Die Bundesärztekammer hat noch einmal zu Gesprächen eingeladen und will das Thema auf dem nächsten Ärztetag erneut auf die Tagesordnung setzen. Es ist die vielleicht letzte Chance, die Novellierung der GOÄ in absehbarer Zeit Realität werden zu lassen.