AbrechnungWas tun, wenn Versicherte ihre Akte haben wollen?

Jeder hat ein Anrecht, seine Krankenunterlagen, die in der Praxis gespeichert sind, einzusehen. Die Frage, ob dafür auch etwas zu bezahlen ist, hat nun der Europäische Gerichtshof entschieden.

Jeder darf mündlich oder schriftlich Einsicht in seine eigene Patientenakte anfordern, soweit der Einsichtnahme nicht erhebliche therapeutische Gründe oder sonstige erhebliche rechte Dritter entgegenstehen (etwa bei psychiatrischen Erkrankungen). Das legt Paragraf 630g Abs. 1 BGB fest. Eine weitere Verpflichtung leitet sich aus dem ärztlichen Berufsrecht ab:

Paragraf 10 Abs. 2 der Musterberufsordnung (MBO) verpflichtet die Ärzteschaft dazu, Patientinnen und Patienten Einsicht in die objektiven Teile der Krankenunterlagen zu gewähren. Das heißt, sie müssen schnellstmöglich Einblick in die komplette Original-Akte gewähren, ggf. Kopien anfertigen oder Auskunft über einzelne Abschnitte der Akte ermöglichen, je nachdem was verlangt wird. Dabei besteht allerdings kein Recht auf die Aushändigung der Originale, ausgenommen bei Röntgenbildern (Paragraf 28 Abs. 8 Röntgenverordnung), wenn sie zur Weiterbehandlung erforderlich sind.

Die Kosten für die Anfertigung von Kopien gehen nicht zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung, sondern sind ärztlicherseits zu tragen, wie jüngst der Europäische Gerichtshof klargestellt hat. Ein Recht auf die Zusendung dieser Kopien besteht aber nicht. Die Portokosten wiederum sind ggf. von Patientinnen und Patienten zu bezahlen. Wichtig: Werden Kopien verschickt, kann dies allerdings nicht die Einsicht in die Original-Akte vollständig ersetzen. Sofern dies gewünscht wird, ist Einsicht zu gewähren.

Akte darf bei Praxiswechsel geliehen werden

Bei einem Wechsel der Praxis, ist es Versicherten freigestellt, was sie ihrem neuen Arzt oder Ärztin über die bisherigen Krankheitsverläufe und Behandlungsvorgänge mitteilen möchten. So dürfen sie dem vorher Behandelnden erlauben, dem nachfolgenden Praxis die aktuelle Patientenakte zu leihen, um sich einen Überblick verschaffen zu können. Außerdem können Versichert Kopien ihrer Akte verlangen und diese an die neue Praxis aushändigen.

Wichtig: Hingegen haben die neuen Ärztinnen und Ärzte selbst kein Recht darauf, die Patientenakte ohne eine schriftliche Einverständniserklärung und somit Entbindung von der Schweigepflicht einzusehen. Auch das Praxispersonal ist ohne diese Erklärung nicht befugt, anderen Behandelnden eine Auskunft zu geben.

Erlauben Versicherte, dass ihre komplette Originalakte übermittelt wird, darf dies nur geschehen, wenn die Behandlung bereits seit mindestens zehn Jahren abgeschlossen ist. Denn der ursprünglich behandelnde Arzt oder Ärztin muss diese Aufbewahrungsfrist einhalten und darf in dieser Zeit keine Originalakten abgeben.

Erste Kopie dürfen Ärzte nicht berechnen

Verkompliziert wurde die Sache durch die neue europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Dort wird Patienten:innen ein klagbarer Rechtsanspruch auf Einsicht in sämtliche sie betreffende Krankenakten eingeräumt, ohne dass dies vor der Behandlung gesondert vereinbart werden muss (Art. 15 DSGVO). Dieser Anspruch gilt nicht nur während, sondern auch nach Abschluss der Behandlung.

Umstritten war bisher die Frage, ob der Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO auch die Bereitstellung einer vollständigen Kopie der Behandlungsdokumentation umfasst und wer die damit verbundenen Kosten tragen muss. Ein Urteil des Landgerichts Dresden (Az. 6 0 76/20) hat in einem Einzelfall bestätigt, dass Ärztinnen und Ärzte zumindest die erste Kopie der Behandlungsdokumentation unentgeltlich zur Verfügung stellen müssen.

Um national Klarheit zu verschaffen, sollte deshalb der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg klären, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang Ärztinnen und Ärzte eine kostenfreie Kopie der Patientenakte herausgeben müssen. Das Ergebnis liegt nun vor:

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat am Donnerstag (26.10.) festgelegt, dass eine Kostenerstattung bei der ersten Kopie der Akte nicht erhoben werden kann. Versicherte erhalten diese also kostenlos (Rechtssache: C-307/22).

Kostenrahmen für Kopien

Wiederholte Kopien der Patientenakte dürfen demnach aber in Rechnung gestellt werden. In welcher Höhe dies zulässig ist, war bisher Gegenstand unterschiedlicher Stellungnahmen. Leider können sich Praxisteams hier nicht an den sonst bei Ämtern oder Behörden üblichen Sätzen orientieren.

In Analogie zum Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz (JVEG) sind aber für bis zu 50 Seiten 0,50 Euro je Seite zu erstatten, für weitere Seiten 0,15 Euro je Seite. Wird eine CD angefertigt, um diese einer weiteren behandelnden Praxis vorübergehend zu überlassen, kann keine Rechnung gestellt werden. Mitbehandelnde Ärztinnen und Ärzte müssen allerdings die CD zurückschicken.

Anders ist es, wenn Versicherte die CD für die eigene Dokumentation erbitten. Auch hier kann in Analogie zum JVEG ein Betrag von 1,50 Euro je Datei (auf der CD) in Rechnung gestellt werden. Wenn mehrere Dateien, so z.B. mehrere sonographische oder Röntgenuntersuchungen auf eine CD übertragen wurden, beträgt der zulässige Höchstsatz 5 Euro.

Bei Privatversicherten kann für das Überlassen einer CD auf Wunsch eine Abrechnungsempfehlung der Bundesärztekammer (BÄK) herangezogen werden (Deutsches Ärzteblatt, 109, Heft 19 vom 11.05.2012, Seite A-987). Demnach werden auch hier 5 Euro als angemessen angesehen.

Kommentar

Eine, wenn auch finanziell unbefriedigende Lösung für diesen Vorgang, könnte die politisch stark „gepushte“ elektronische Gesundheitsakte (E-PA) sein. Patientenunterlagen könnten künftig von Anfang an elektronisch verschickt und unmittelbar auf die E-Akte übertragen werden. Damit wäre zumindest die leidige Frage der Erstattung für die Kopierkosten gelöst.

Inwieweit dieser Arbeitsaufwand durch die im EBM zur Verfügung stehenden Gebührenordnungspositionen (GOP, s. Tabelle) ausgeglichen wird, ist aber schon die nächste (ungeklärte) Frage, zumal Versand und Empfang von elektronischen Arztbriefen zwar mit einer Zuschlagsziffer gefördert, aber einer Höchstgrenze unterworfen werden. GWZ

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