Münster. Mit ihren Beschlüssen haben die Delegierten des 122. Deutschen Ärztetags die Position der Ärzte in der Digitalisierung geschärft: Die Digitalisierung ist nicht aufzuhalten, sie soll – wo digitale Angebote die Versorgung verbessern – mitgestaltet werden, Prämisse muss der Datenschutz sein, und Sanktionen für Praxen, die noch nicht an die Telematikinfrastruktur (TI) angebunden sind, sind ein “No-go”. Das haben insgesamt 18 Beschlüsse zu den Themenblöcken E-Health und Fernbehandlung – damit eines der größten Themen der Aussprache in Münster – unterstrichen. Aufgrund eines zügigen Abstimmungsmodus, bei dem pro Antrag jeweils nur ein Pro- und ein Kontra-Redner zu Wort gekommen sind, konnte ein unübersichtlicher “Abstimmungsmarathon” wie im vergangenen Jahr jedoch vermieden werden.
Das Bundesgesundheitsministerium haben die Delegierten aufgefordert, einen “positiv formulierten Ordnungsrahmen”, der unter anderem die Freiwilligkeit digitaler Versorgungsangebote und einen hohen Datenschutz zusichert, zu entwerfen und mit den beteiligten Organisationen der Selbstverwaltung zu diskutieren. “Das derzeitige Durchlöchern bestehender gesetzlicher Vorgaben, wie zuletzt im Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) geschehen, entspricht keiner angemessenen Vorgehensweise.”
“Ruckliger” Start ist nur natürlich
“Das Patientenbedürfnis nach Bequemlichkeit, Verfügbarkeit, Service und besserer Versorgung treibt die Digitalisierung voran”, erklärte Erik Bodendieck, Vorstandsmitglied der Bundesärztekammer (BÄK), in seinem einführenden Vortrag zum Themenblock. Die Therapiefreiheit, skizzierte er, liege damit künftig nicht mehr allein beim Arzt – durch neu aufkommende Angebote wie Gesundheits-Apps, die laut Referentenentwurf des E-Health-Gesetzes II künftig Kassenleistung sein sollen. Politik und Wissenschaft forderten eine “gestaltende Rolle” der Ärzte. „Sie wollen gezielt von uns wissen, was wir wollen, können, brauchen.“ Dass es dabei am Anfang auch „ruckelt“, sei klar.
Bestes Beispiel: die elektronische Patientenakte (ePA), die zunächst mit Einschränkungen starten wird. “Natürlich können wir sagen, wir wollen warten, bis wir ein finales, perfekt laufendes Produkt haben”, sagte Bodendieck hierzu. “Aber das ist genau da, was wir die letzten Jahre schon gemacht haben. Wir brauchen die Einführung der ePA”, plädierte er. Wichtig jedoch trotz der jüngst bekanntgewordenen Tatsache, dass Patienten zunächst nicht einstellen können, welcher Arzt welche Daten sehen darf oder nicht, sei die Prämisse, dass der Patient die Hoheit über seine Daten behalte, so Bodendieck.
Ärzte wollen mitgestalten
In einem von Bodendieck eingebrachten und mit großer Mehrheit beschiedenen Antrag unterstreicht der Deutsche Ärztetag, Mitgestalter sein zu wollen. So fordern die Delegierten “eine zügige Einführung der bereits seit Ende 2017 fertig spezifizierten medizinischen Anwendungen Notfalldaten und E-Medikationsplan mit einer begleitenden Evaluation, die auch die Umsetzung in den Primärsystemen berücksichtigt und deren Konsequenz eine schnelle Beseitigung aufgetretener Fehler, Behinderungen im Praxisablauf und erkannter medizinischer Risiken ist.” Dabei stemmen sich die Ärzte gegen das aktuell gängige Modell, dass die Industrie für entsprechende Tests verantwortlich ist. Denn die Praxisabläufe und der konkrete Nutzen für den ärztlichen Alltag bleibe dabei auf der Strecke. “Der 122. Deutsche Ärztetag stellt fest, dass ein Marktmodell für die Entwicklung und Einführung digitaler medizinischer Anwendungen nicht geeignet ist.”
Eine ebenso klare Absage haben die Sanktionen bei Nicht-TI-Anbindung erhalten. In einem weiteren Antrag heißt es, Sanktionen verhinderten die Akzeptanz für die TI. Darüber hinaus betonten die Delegierten auch hier die Bedeutung des Datenschutzes: Dieses dürfe beim Aufbau der Infrastruktur nicht auf der Strecke bleiben, lautet eine dritte abgestimmte Forderung.
Der Vorstand hat in puncto Digitalisierung auch Hausaufgaben durch eine Handvoll Vorstandsüberweisungen mit auf den Weg bekommen. So soll der BÄK-Vorstand ein eigenes Gremium einsetzen, das sich “mit allen Auswirkungen von Künstlicher Intelligenz auf die ärztliche Tätigkeit und die Aus-, Weiter- und Fortbildung beschäftigt und Konzepte zur aktiven Mitgestaltung entwickelt”. KI, so der feste Tenor, könne dabei jedoch nur arztunterstützend und nie arztersetzend sein.