Bei Ein- und Durchschlafproblemen gilt eine kognitive Verhaltenstherapie als Mittel der Wahl. Doch die Plätze dafür sind knapp. Können digitale Anwendungen (DiGA) den Engpass ausgleichen?
Zu spät, zu kurz, zu schlecht: Knapp zehn Prozent der Deutschen erfüllen die Kriterien einer Schlafstörung (nichtorganische Insomnie F51.0 sowie Ein- und Durchschlafstörung G47.0).
Probleme beim Ein- und Durchschlafen sind nicht banal. Der Goldstandard zu ihrer Behandlung ist eine kognitive Verhaltenstherapie. Doch längst nicht jeder, der sie braucht, bekommt einen Platz. Schneller verfügbar ist eine App, die laut Studien hilft, das Schlafverhalten zu verbessern.
Tagebuch, Lerneinheiten, Quiz
Die digitale Gesundheitsanwendung (DiGA) Somnio ist mehr als ein digitales Schlaftagebuch auf Deutsch, Englisch oder Französisch. Sie begleitet drei Monate lang mit vielen Funktionen auf dem Weg zu besserem Schlaf.
Morgens und abends trägt man die Bett- und die Schlafenszeit ein, dazu die Stimmung, Leistungsfähigkeit sowie ob und wieviel Alkohol und Kaffee getrunken wurde. Zum Start wird der Schweregrad der Schlafstörung notiert, denn das digitale Schlaftagebuch erfasst nicht nur die Zeiten, sondern auch eine selbst eingeschätzte Schlafeffizienz. In der Folge setzen sich die Nutzerinnen und Nutzer Ziele, die regelmäßig überprüft werden.
Albert, ein freundlicher Avatar mit Bart und Brille, führt teils mit Fragen und Antworten durch die Wissenseinheiten zum Schlaftraining – und pocht auf die Compliance: Wer seine Schlafdaten morgens oder abends nicht eingetragen hat, kann im Programm nicht weitermachen.
Die App informiert über Schlafhygiene und leitet mit Übungen zur progressiven Muskelentspannung an. Sechs vollautomatisierte Sitzungen der kognitiven Verhaltenstherapie helfen, Grübelschleifen zu unterbrechen und zeigen, wie man störende Gedanken in den Griff bekommt.
Nach zwölf Wochen können die Anwendenden mit einem Quiz ihr Wissen prüfen. Auch danach bleibt die App nützlich: In der Nachsorge kommen zwar keine neuen Beiträge zur Psychoedukation, doch können weiter die Schlafparameter eingegeben werden, so dass das Handy zeigt, ob die Schlaflage stabil bleibt.
Auswertung
Die DiGA stellt die Daten anschaulich dar. Grafiken machen Zusammenhänge etwa von Alkohol oder Kaffee und Schlaf deutlich. Ein medizinischer Report zum Ausdrucken vereinfacht das Arztgespräch. Die Übersicht zeigt sowohl die objektiven wie subjektiven Parameter und veranschaulicht, was wann wie hilft.
Wer mag, kann sich von Patientenseite Zugriff auf die Daten geben lassen und auf app.somn.io/doc die ausgewerteten Daten im medizinischen Bericht einsehen. Damit unterstützt somnio nicht nur Betroffene selbst, sondern auch in der Betreuung schlafloser Menschen.
Die Nutzung der App bietet sich zur Überbrückung der Wartezeit auf einen Therapieplatz an. Aber auch während einer Verhaltenstherapie können die Anwendenden vom digitalen Schlafcoach profitieren. Die einfache Darstellung des Verhaltens hilft bei der Nachsorge.
Medizinischer Nutzen anerkannt
In einer randomisierten Studie mit 56 Teilnehmenden [1] schnitt die DiGA vergleichbar gut ab wie eine konventionelle kognitive Verhaltenstherapie. Daher hat das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) einen “medizinischen Nutzen” anerkannt.
Primärer Endpunkt der Studie war der Insomnie-Schweregrad (ISI) nach sechs Wochen (siehe Tabelle unten).