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Praxis WissenArztebesuch? Nein, danke.

Sie gehen nicht zum Arzt, obwohl ihnen ein Besuch in der Praxis eigentlich notwendig erscheint: Menschen, die trotz Krankheit auf eine medizinische Behandlung verzichten. Die Gründe dafür sind vielschichtig.

Sie sind die Patienten, die selten im Schlaglicht stehen – einfach, weil sie im hektischen Praxisalltag aus dem Blick geraten: Menschen, die eigentlich eine medizinische Betreuung bräuchten, aber auf den Besuch beim Haus- oder Facharzt verzichten. „Forgone Care/Unmet need“ heißt die Forschungsrichtung, die im deutschsprachigen Raum erst langsam ankommt. Während sich mancher schon bei einem leichten Schnupfen ins Wartezimmer setzt, lassen diese Menschen teils ­Präventionsuntersuchungen aus, hoffen auf eine Gesundung ohne Nachhelfen und verzichten gar auf Behandlungsbausteine bei einer chronischen Erkrankung.

„Diese Menschen sind ein guter Indikator, um den Zugang zur medizinischen Versorgung zu erfassen“, sagt die Wissenschaftlerin ­Julia Röttger, die sich mit Kolleginnen vom Fachgebiet Management im Gesundheitswesen an der Technischen Universität Berlin mit der Gruppe der freiwillig Verzichtenden beschäftigt hat. Im Auftrag der Techniker Krankenkasse (TK) befragte das Team chronisch Erkrankte, und zwar sowohl Teilnehmer an einem Disease-Management-Programm (DMP) als auch Patienten ohne strukturiertes Behandlungsprogramm.

Zu lange Wartezeit

Insgesamt berichteten demnach fast 15 Prozent der Befragten, auf einen Arzttermin verzichtet zu haben, obwohl er ihnen notwendig erschienen war. Es ging dabei vor allem um Besuche beim Facharzt, die Hausarztpraxis meiden Patienten weitaus seltener. Die Gründe für einen Verzicht liegen allen voran in der als zu lange erachteten Wartezeit, in zu weiten Wegen zum nächsten Facharzt beziehungsweise dem Fehlen eines geeigneten Arztes nahe der Wohnung und in finanziellen Gründen. 52 Prozent der Teilnehmer erklärte, die Wartezeit auf einen Termin sei ihnen zu lang gewesen.

Die Versichertenbefragung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), die sich im vergangenen Jahr kurz und knapp ebenfalls dem Verzicht auf einen Arztbesuch gewidmet hat, unterstützt die TU-Ergebnisse: „Dass die Wartezeit für Termine zu lang war oder dass überhaupt kein Termin zu bekommen war, sagen im Detail erheblich mehr gesetzlich als privat Versicherte“, heißt es von der KBV.

Ein Viertel der Umfrage-Teilnehmer von der TK antwortete, es sei kein Spezi-alist da gewesen, 14 Prozent führen an, der Weg sei ihnen zu lang oder beschwerlich gewesen. Finanzielle Gründe spielten für gut 23 Prozent der Befragten eine ­Rolle. Als weitere Argumente führten die chronisch Kranken etwa eigene ­Entscheidungen (auch bedingt durch Angst), fehlendes Vertrauen in den Arzt, Krankheit oder Zeitmangel an. Letzteres hält auch die KBV als einen der wichtigen Gründe für ein Fernbleiben von der Arztpraxis fest: ­Fehlende Zeit oder eine beruflich bedingte Verhinderung sei am häufigsten ausschlaggebend für eine solche Entscheidung gewesen, so die Körperschaft. Der KBV zufolge ­haben viele Versicherte schlicht abgewartet, bis sich ihr Gesundheitszustand von allein ­gebessert hat.

Dazu passt die Gruppe, die die KBV als typisch Verzichtende ausgemacht hat: Er oder sie ist mindestens 60 Jahre alt, in Rente und privat krankenversichert. Grundsätzlich geht es ihm oder ihr hervorragend (unabhängig von dem konkreten Anlass, der einen Arztbesuch erforderlich gemacht hätte). Mögliche Erklärungen für diesen eher untypischen Charakter könnten KBV-Referent Florian Tille zufolge etwa sein, dass es vielen privat Versicherten zu umständlich sei, Behandlungskosten zunächst auszulegen und später zurückzufordern – da blieben sie lieber gleich daheim. „Ansonsten Gesunde haben auch nicht so eine Angst vor Krankheiten“, so Tille weiter.

DMP-Teilnehmer gehen eher zum Arzt

Bei der Studie der TU-Wissenschaftlerin­nen verhielt es sich eher gegenläufig: Je älter die Befragten waren, desto ­seltener haben sie auf Arztbesuche verzichtet – ­allerdings wurden hier ausschließlich gesetzlich (nämlich TK-) Versicherte befragt. Am häufigsten blieben Menschen mit ­einem mittleren Monatseinkommen zu Hause, zwischen 1.633 Euro und 2.449 Euro netto monatlich. „Wir konnten nicht feststellen, dass ausgerechnet die untere Einkommensgruppe am meisten verzichtet“, erklärt Mitautorin Julia Köppen. „Ob die Menschen in der Stadt oder im ländlichen Umfeld wohnten, war zudem unerheblich.“ Gewichtiger schien die DMP-Teilnahme: Wer an einem strukturierten Behandlungsprogramm teilnimmt, geht eher zum Arzt. „Es könnte sein, dass diese Patienten insgesamt motivierter sind, sich mit ihrer Krankheit auseinanderzusetzen“, sagt Köppen. „Womöglich sind DMP auch so gut organisiert, dass es einfacher ist, bestimmte Termine wahrzunehmen.“

Gesundheitskompetenz schulen

Schlussfolgerungen zu ziehen fällt nicht nur wegen der fehlenden Repräsentativität der Studie schwer – Kern der Analyse sind ­schließlich subjektiv wahrgenommene Bedürfnisse, die objektiv nicht zu belegen sind. Am ehesten lässt sich ein Zusammenhang zwischen einem Verzicht und einer wahrgenommenen Benachteiligung der Patienten festmachen, vor allem wenn es um Wartezeiten geht. „Patientenzufriedenheit ist ein wichtiger Aspekt, wenn ich mich ungerecht behandelt fühle“, sagt Röttgen.

Die Schwierigkeiten von Interessensverbänden und Wissenschaft, mit subjektiven Einschätzungen von Erkrankten umzugehen, ­legen wiederum nahe, die Kompetenzen von potenziellen Patienten insgesamt zu stärken. Die Informationsmöglichkeiten sind zwar dank Internet und Transparenzportalen größer denn je – die Schwierigkeiten, diese Informationen einzuordnen und ein Gefühl für den eigenen Körper und dessen Bedürfnisse zu stärken, sind jedoch in gleichem Maß gewachsen. Insofern könnten Ansätze, die Gesundheitskompetenz bereits im Kindesalter zu schulen, langfristig Wirkung zeigen: Die Erwachsenen von morgen entscheiden später sicherer, ob sie sich mit einer konkreten Beschwerde oder Krankheit an ihren Arzt wenden – oder ein Verzicht auf den Besuch in der Praxis im Einzelfall angebrachter erscheint. Ein gutes Zeugnis stellten die Forscher dem deutschen Gesundheitswesen schon ­heute aus: Wer akut erkrankt, hat auf jeden Fall ­Zugang zu einer medizinischen Versorgung.

Quelle: „Verzicht auf gesundheitliche Versorgung“, Kongress Armut und Gesundheit, 17.3.17, Berlin

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