Serie Kollegentipps“Mein Auftraggeber ist der Patient”

Dem Landarzt und Palliativmediziner Dirk Feuerstein geht es vor allem darum, sterbende Patienten vor unnötigem Aktivismus zu schützen.

Dirk Feuerstein in seiner Hausarztpraxis in Waldbröl im Oberbergischen Kreis.

“Ein großer Segen” – so bezeichnet Dirk Feuerstein rückblickend seine Entscheidung für die Palliativmedizin. Der Hausarzt aus Waldbröl arbeitete zunächst als Anästhesist; im Zuge seines Wechsels in die Allgemeinmedizin entschloss er sich dann zu einer entsprechenden Zusatzweiterbildung.

“Ich mag die ländliche Medizin, die Versorgung der Leute auf den Bauernhöfen”, erzählt er. “Diesen Menschen den Wunsch zu erfüllen, zu Hause sterben zu können – das war eigentlich mein Hauptantrieb.” Mittlerweile hat er das Palliativnetzwerk Waldbröl und Umgebung gegründet und gemeinsam mit zwei Kollegen die Betreuung eines Hospizes übernommen.

“Es hat mich selbst überrascht, dass mir die zeitliche Mehrbelastung kaum etwas ausmacht”, sagt Feuerstein. “Das liegt aber wohl daran, dass mich dieser Teil der Medizin so sehr erfüllt und mir die meiste Befriedigung gibt.”

Feuerstein übernimmt im Quartal zwischen 50 und 100 Palliativversorgungen, im Durchschnitt kümmert er sich tagesaktuell um jeweils 20 bis 30 Palliativpatienten. Dabei ist er oft als Überweisungsnehmer für andere Hausärzte tätig.

“Ich berate sie und betreue ihre Patienten palliativmedizinisch, etwa übernehme ich häufig die Verordnung der BtM. Die zuständigen Hausärzte behalten aber ihren Betreuungsanspruch.” Nur sehr selten gibt er Patienten an die spezialisierte ambulante Palliativversorgung (SAPV) ab, etwa bei sehr hohem Pflegeaufwand.

Weniger ist mehr

Die medizinische Versorgung, etwa das Verordnen von Medikamenten, sei nur ein kleiner Teil seiner Arbeit als Palliativmediziner. “Der größte Teil besteht in der psychosozialen Stärkung der Pflegenden und im Verteidigen der Patienten gegen überflüssigen Aktivismus.”

Er nennt ein Beispiel: “Eine alte Dame, die zu Hause gepflegt wird, bekommt ein Druckgeschwür. Hier erkläre ich den Angehörigen, dass sie deswegen nicht ins Krankenhaus muss und keine Behandlung nötig ist. Zwar kann sie daran sterben. Aber ihr Wunsch war es, von der Familie versorgt zu werden, und wenn sie an dem Druckgeschwür stirbt, dann ist das Schicksal und niemand ist schuld. Allein das Verhindern der Einweisung, das Weglassen überflüssiger Medikamente und das Bestärken der Familie in der Überzeugung, dass sie alles richtig und sich nicht strafbar macht – das ist Palliativversorgung.”

Das Sterben schön gestalten

Auch im Altenheim sieht er Schulungsbedarf: “Die Pflegenden müssen lernen, dass man einen Patienten auch liebevoll sterben lassen darf und das nicht um jeden Preis verhindern muss. Dass man bei Luftnot nicht den Rettungswagen rufen muss, sondern diese vor Ort behandeln kann. Denn wir können den Tod nicht verhindern. Aber wir können dem Sterben den Schrecken nehmen, es schön gestalten.”

Häufig würden Ärzte und Pfleger Entscheidungen gegen den Wunsch des Patienten treffen – aus Angst, sonst rechtlich belangt zu werden. Noch vor zehn Jahren seien in Altenheimen ganz oft Infusionen gelegt worden, weil palliative Patienten im Rahmen des selbstbestimmten Sterbeprozesses nicht mehr trinken wollten.

“Für mich erfüllt das den Tatbestand einer Körperverletzung”, sagt Feuerstein. Und er betont: “Mein Auftraggeber ist mein Patient. Will der Patient etwa nicht ins Krankenhaus, dann ist das für mich Auftrag genug – da brauche ich auch keine schriftliche Verfügung.”

Aus Sicht von Feuerstein sollte Ärzten schon im Studium vermittelt werden, dass ihre Aufgabe nicht nur im Heilen besteht. “Das Weglassen von Überflüssigem ist uns nicht beigebracht worden”, sagt er. “Ich bin mit der Haltung ausgebildet worden, dass sich jedes Problem lösen lässt. Doch je länger ich Mediziner bin, desto häufiger mache ich nichts oder streiche Dinge weg.”

Überlastung vorbeugen

Als Landarzt und Palliativmediziner ist Feuerstein ständig erreichbar. Was schützt vor Überlastung? Zum einen ist es sein gutes Netzwerk: Kollegen, Notärzte, die Leitstelle, der Apotheker – auf dem Land kennt man sich persönlich und vieles lässt sich durch ein kurzes Telefongespräch klären.

Darüber hinaus erleichtere eine umfassende Bedarfsmedikation und eine mutige Bevorratung von Medikamenten die Betreuung palliativer Patienten, erklärt Feuerstein.

Eine weitere große Hilfe sieht er in gut ausgebildeten Pflegenden: “Ohne meine EVA und die weitergebildeten Mitarbeiter der Altenheime wäre das alles nicht möglich.” Feuerstein hat in den letzten Jahren viel in die Weiterbildung seiner Mitarbeitenden investiert, Arzthelferinnen unterrichtet und regelmäßig Fortbildungen im Altenheim abgehalten.

“Mittlerweile sind sieben unserer MFA examinierte Krankenpfleger oder EVA. Die machen auch allein Hausbesuche und informieren mich, wenn sie eine palliative Situation erkennen – das ist eine große Hilfe.”

Die Suche nach Nachfolgern gestaltet sich im Bergischen Land allerdings schwierig. “Wir sind eine Ausbildungspraxis mit voller Weiterbildungsberechtigung in der Palliativ- und Allgemeinmedizin. Gerne würden wir einen Facharzt oder Weiterbildungsassistenten mit anstellen.”

Hoffnung setzt Feuerstein dabei auf die Landarztquote, über die auch sein Sohn studiert. Sein Sohn habe von klein auf mitbekommen, was es bedeutet, Landarzt zu sein, erzählt er. “Wir haben Weihnachten oft in der Notdienstpraxis gefeiert. Und trotzdem hat er sich für diesen Beruf entschieden.”

Und wenn sein Sohn so weit ist, in die Praxis einzusteigen? Feuersteins Wunsch ist es, sich dann nur noch um Palliativversorgung zu kümmern. “Das ist für mich einfach eine schöne, eine ursprüngliche Medizin: Für die Menschen da sein, ohne Anspruch auf hundertprozentigen Erfolg und Heilung – und akzeptieren, dass wir sterblich sind.”

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