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Forum PolitikRegress: Mut zur Verteidigung wird belohnt

Bei Regressaktivitäten der Prüfstellen sind Hausärzte mitunter Willkür ausgesetzt. Das zeigt etwa der Fall einer Gemeinschaftspraxis aus Niedersachsen, die sich mithilfe des Regressschutzbüros des Deutschen Hausärzteverbandes erfolgreich gewehrt hat. Wie? Das erklären wir in drei Serien-Teilen genau.

Prüfbescheid, Schutzschrift, Entscheidung des Beschwerdeausschusses und zitierte Sekundärliteratur: Weit mehr als 100 Seiten umfasst der Fall einer niedersächsischen Gemeinschaftspraxis gegen die Prüfstelle für die Wirtschaftlichkeit in der vertragsärztlichen Versorgung. Die Einzelheiten beleuchten wir in „Der Hausarzt“ in dieser und den kommenden beiden Ausgaben. So viel sei vorneweg aber verraten: Fünf Jahre nach Beginn des Prüfzeitraums haben die betroffenen Ärzte und das von ihnen zu Rate gezogene Regressschutzbüro des Deutschen Hausärzteverbandes letztlich mit ihrer Argumentation überzeugt – und vor dem Beschwerdeausschuss einen Sieg errungen. Das Urteil des Beschwerdeausschusses lässt aber eine teils schwer bedenkliche Auffassung erkennen.

Aber von Anfang an: In der hausärztlichen Gemeinschaftspraxis arbeiten drei Fachärzte für Allgemeinmedizin und Innere Medizin – zum Teil mit Zusatzbezeichnung Notfallmedizin – zusammen. Mittlerweile ist die Praxis vorübergehend auf vier Partner und eine Weiterbildungsassistentin angewachsen. Mitte März 2014 erhalten die Ärzte ein Schreiben der Prüfstelle. Darin werden sie informiert, dass die Gemeinschaftspraxis für eine Zufälligkeitskontrolle durch die Kassenärztliche Vereinigung ausgelost wurde. Der Prüfzeitraum umfasst das 3. Quartal 2010 bis zum 2. Quartal 2011. Die Zufälligkeitsprüfung sei nach den Vorschriften der gültigen Prüfvereinbarung erfolgt.

Das Ergebnis: Bei einem statistischen Vergleich der Gemeinschaftspraxis mit einer verfeinerten Vergleichsgruppe bei der EBM Ziffer 01415 (dringender Besuch in Senioren-Wohnheimen) sei eine Durchschnittsüberschreitung von 149,08 % (im Mittelwert der Prüfquartale) festgestellt worden. Am Rande sei angemerkt: Ob das Losverfahren korrekt nach dem Zufälligkeitsprinzip gemäß § 106 SGB V erfolgt ist, konnte mangels Transparenz des Auslosungsvorgangs nicht überprüft werden. Ebenso ist unklar, ob die zugrunde liegenden Verfahrensvorschriften der Prüfvereinbarung Niedersachsen eingehalten wurden. Denn die Gemeinschaftspraxis hat sich ohne anwaltlichen Beistand nur mit Beratung durch das Regressschutzbüro mit den Prüfgremien auseinandergesetzt, um Kosten zu sparen.

Ärzte: „Abrechnung korrekt“

Rund vier Wochen später, am 22. April 2014, erklären die Ärzte der Gemeinschaftspraxis in einem Brief an die Prüfstelle, worauf die Überschreitung zurückzuführen ist. Aus ihrer Sicht sei die Abrechnung der Besuche korrekt. Da es sich gemäß Inhaltsbeschreibung der Ziffer 01415 EBM um dringende Besuche eines Patienten in beschützenden Wohnheimen oder Einrichtungen, Pflegeoder Altenheimen mit Pflegepersonal handele, die wegen der Erkrankung noch am Tag der Bestellung korrekt stattgefunden hätten. Die höhere Anzahl der abgerechneten Ziffer 01415 gegenüber der Vergleichsgruppe sei durch eine Praxisbesonderheit zu erklären, so die Ärzte weiter. Anhand der beigefügten Statistik sei ersichtlich, dass die Gemeinschaftspraxis gegenüber den anderen Praxen vor Ort 680 % mehr Pflegepatienten betreut hat. Weiterhin zeige die Abrechnung bei Ziffern der regulären Hausbesuche, dass nicht versucht worden sei, normale Hausbesuche durch Ansetzen von Ziffern mit höherer Vergütung abzurechnen.

Juli 2014: Mit dieser Erklärung der Gemeinschaftspraxis, die durch statistische Tatsachen belegt wurde, war nach den Denkgesetzen und den rechtlichen Vorschriften zur Wirtschaftlichkeitskontrolle eigentlich jeder Rechtsgrund für eine Prüfmaßnahme entfallen. Dennoch setzte die Prüfstelle mit Bescheid vom 15. Juli 2014 für den Prüfzeitraum eine schriftliche Beratung fest. Anlass dazu gebe die statistische Überschreitung der ärztlichen Leistungen nach EBM-Ziffer 01415 für den Prüfzeitraum.

Hier sei darauf hingewiesen, dass die Prüfstelle ohne ausreichenden ärztlichen Sachverstand handelte.

Praxis legt Widerspruch ein

Hiergegen legte die Gemeinschaftspraxis am 30. Juli Widerspruch ein. Denn nach erfolgter Beratung hätten die Ärzte in künftigen Quartalen mit einer Kürzung bei dringenden Besuchen in Altenheimen rechnen müssen. Damit wären sie zum Verstoß gegen die Berufsordnung der Ärztekammer Niedersachsen genötigt gewesen, weil dringende Besuche als Berufspflicht erfolgen müssen. Alternativ hätte die Praxis Notfallbesuche – im offensichtlichen Missverhältnis zum Durchschnitt der Vergleichsgruppe – ohne Honorierung ableisten müssen. Das hätte zu Einbußen von mehr als 8.000 Euro pro Quartal geführt. Dies galt es abzuwehren.

Die Gemeinschaftspraxis legte daher Widerspruch gegen den Beratungsbescheid ein, beantragte diesen aufzuheben und forderte, dass der Praxisschwerpunkt „Altenheimbetreuung“ anerkannt wird. Darüber hinaus lehnte sie die Arbeit der Prüfstelle auf ausschließlich statistischer Grundlage ab, zur Begründung dienten juristische Argumentationshilfen auf Basis von Publikationen des Institutes für Medizinrecht an der Universität Bremen.

Lesen Sie dazu auch:

Folge 2: Regress: Schadenpotenzial für Patienten

Folge 3: Regress: Ein Sieg mit Beigeschmack

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