Berlin. Patientinnen und Patienten mit dringenden Anliegen sollen künftig gezielter in passende Behandlungsangebote gelenkt werden, statt oft gleich ins Krankenhaus zu gehen. Darauf zielen Gesetzespläne von Gesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach (SPD), die das Bundeskabinett am Mittwoch (17.7.) auf den Weg gebracht hat.
Demnach sollen integrierte Notfallzentren als Anlaufstellen in Kliniken entstehen, in denen man je nach Dringlichkeit weitergeleitet wird – in die Notaufnahme oder aber eine nahe Notdienstpraxis. Ausgebaut werden sollen solche Ersteinschätzungen zur Dringlichkeit auch in künftigen Akutleitstellen mit der Telefonnummer 116 117. Während der Sprechstundenzeiten sollen Menschen dann primär in die vertragsärztlichen Praxen verwiesen werden.
Woher soll das Personal kommen?
„Dafür entlasten wir die notorisch überfüllten Notaufnahmen und sorgen für eine funktionierende Patientensteuerung“, versprach Lauterbach am Mittwoch. Akutversorgung solle in Zukunft dort stattfinden, wo sie medizinisch sinnvoll sei. Dies ist auch aus Sicht des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes das richtige Ziel, jedoch seien die geplanten Maßnahmen „nicht umsetzbar“.
Es würden Versorgungsangebote versprochen, „ohne zu sagen, woher das Fachpersonal dafür kommen soll“, kritisieren die Bundesvorsitzenden Dr. Markus Beier und Prof. Nicola Buhlinger-Göpfarth. Ein Beispiel für Ressourcen raubende Parallelstrukturen seien das Angebot eines telemedizinischen und aufsuchenden Notdienstes rund um die Uhr – also auch während der Sprechstundenzeiten. Dafür seien die Kapazitäten an Hausärzten und Praxispersonal zu knapp.
„Probleme nicht gelöst“
Diese Doppelstrukturen würden die Probleme nur kaschieren und nicht lösen. Vielmehr brauche es wirkliche Strukturveränderungen hin zu einer stärkeren Steuerung durch die hausärztliche Versorgung.
In einem zweiten Schritt werde außerdem eine Reform des Rettungsdienstes erarbeitet, erläuterte das Ministerium am Mittwoch. Sie solle im parlamentarischen Verfahren im Bundestag Teil der Notfallreform werden. Im Blick stehen sollen unter anderem bundesweit gleichwertige Mindeststandards.
Drei weitere Gesetzentwürfe
Darüber hinaus stimmte das Bundeskabinett drei weiteren Vorhaben des Bundesgesundheitsministeriums am Mittwoch zu: das Digitalagenturgesetz, eine Änderung des Transplantationsgesetzes sowie ein Gesetzentwurf zur Stärkung der öffentlichen Gesundheit.
Kommen sollen mehr Möglichkeiten, zu Lebzeiten eine Niere zu spenden. Zulässig ist das bisher an Verwandte ersten oder zweiten Grades, Ehegatten oder andere, die Spendern „in besonderer persönlicher Verbundenheit offenkundig nahestehen“. Künftig soll es auch zwischen Paaren möglich werden, die sich nicht so nahe sind.
Konkret geht es um das Übertragen einer Niere, wenn dies unter Spendepaaren (Spender/Empfänger) medizinisch nicht möglich ist. Künftig soll die Niere dann nicht an die geplante nahestehende Person gehen, sondern „über Kreuz“ an einen passenden Empfänger, der mit seinem vorgesehen nahestehenden Spender ebenfalls nicht kompatibel ist. Im Gegenzug geht die Spenderniere des anderen Paares dann an die Empfängerin oder den Empfänger des ersten Paares.
Aufgehoben werden soll zudem die Vorgabe, dass Nierenspenden nur zulässig sind, wenn kein Organ eines Gestorbenen verfügbar ist. Seit langem reicht die Zahl der Spendernieren nicht, um den Bedarf zu decken, wie es im Entwurf heißt.
Informationsoffensive mit BIPAM
Um Vorbeugung und Informationen zu Volkskrankheiten wie Krebs und Demenz zu verstärken, soll ein „Bundesinstitut für Prävention und Aufklärung in der Medizin“ aufgebaut werden. Die neue Behörde mit Sitz in Köln und einer Außenstelle in Berlin soll Anfang 2025 die Arbeit aufnehmen. Dazu gehören soll etwa, Gesundheitsdaten zu nicht übertragbaren Krankheiten zu erheben und zu analysieren.
In dem Institut soll die bisherige Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung mit 334 Beschäftigten aufgehen, wie das Ministerium erläuterte. Übernommen werden sollen auch Abteilungen des Robert Koch-Instituts (RKI) mit 180 Beschäftigten. Das RKI soll sich demnach auf die Abwehr von Infektionskrankheiten konzentrieren.
Quelle: mit Material von dpa