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Forum Politik“Landarzt sein kann man nicht an der Uni lernen”

Auf Landärzte können wir nicht verzichten, sagt der französische Regisseur und Mediziner Thomas Lilti. Deswegen hat er diesem erfüllenden und anspruchsvollen Beruf seinen neuen Film gewidmet. Eine Hommage an den Landarzt.

"Der Landarzt von Chaussy" dreht sich ums Leben als Landarzt. Warum haben Sie das Filmthema gewählt?

Thomas Lilti: Bevor ich selbst Filme drehte, war ich Arzt. Damals habe ich auch vier Jahre als Landarzt gearbeitet und zwar unter an-derem in der Normandie. Dort in Chaussy, nordwestlich von Paris, haben wir jetzt auch "Der Landarzt von Chaussy" gedreht.

Diese vier Jahre meines Lebens haben mich sehr geprägt. Denn Landarzt ist ein sehr anspruchsvoller Beruf mit vielen Facetten. Es erfordert viele verschiedene Fähigkeiten, nicht nur medizinisch, auch gerade menschlich. Meine Erfahrungen als Landarzt haben mich sehr bereichert und verändert, daher wollte ich diesem Thema einen Film widmen – sozusagen eine Hommage an den Landarzt.

Welche Erfahrungen als Landarzt haben Sie besonders geprägt?

Ich habe viel gelernt, weil der Beruf so vielseitig ist. Man braucht dafür mehr als das rein medizinische Fachwissen, eben auch Einfühlungsvermögen, soziale Kompetenz. Vieles wissen Landärzte, weil sie ihre Patienten und deren Lebensumstände jahrelang kennen. Einige Fähigkeiten, die Landärzte brauchen, kann man nicht an der Universität lernen.

Gibt es Schicksale, die Sie besonders in Erinnerung haben aus dieser Zeit?

Ja, im Film finden sich einige dieser persönlichen Geschichten, die mich berührt haben. Zum Beispiel das Leben der älteren Menschen auf dem Land – wer, wenn nicht ihr Landarzt, kümmert sich um sie und sorgt so dafür, dass sie sich weniger einsam fühlen und nicht so isoliert sind? Im Film gibt es beispielsweise den älteren Mann, der gerne zuhause sterben möchte. Das geht aber nur mithilfe seines Landarztes. Diese Situation habe ich als Landarzt selbst erlebt und es hat mich sehr berührt, dass Landärzte ihre Patienten nicht einfach "abschieben", sondern zuhause behalten, sich bis zuletzt nach dem Willen des Patienten um diesen kümmern und ihn nicht allein lassen.

Wie in Frankreich wächst auch in Deutschland der Bedarf an Landärzten. War das auch ein Grund für Ihren Film?

Ja, klar. In Frankreich gibt es immer mehr Regionen, in denen wir dringend Landärzte brauchen. Denn immer weniger junge Ärzte entscheiden sich, auf dem Land zu arbeiten, weil der Beruf einen sehr fordert.

Was zeichnet für Sie einen guten Landarzt aus?

Idealerweise ist ein Landarzt viel mehr als "nur" ein Arzt. Er ist ein Pfleger, eine Vertrauensperson, ein Psychologe, ein guter Freund und Ratgeber in einem – eine Art soziale Stütze für die Menschen vor Ort. Er kennt alle Generationen in einer Familie, von den Kindern bis zu den Großeltern. Und er kennt alle Geheimnisse: Das macht die Schönheit dieses Berufs aus, er darf auf keinen Fall aussterben!

Wie könnte man mehr junge Ärzte für den Beruf als Landarzt begeistern? Und ist dies auch ein Ziel Ihres Films?

Der Film soll die Öffentlichkeit aufrütteln, also auf den Bedarf an Landärzten aufmerksam machen. Ich hoffe, dass er dazu beitragen kann, wieder mehr angehende Ärzte und Medizinstudenten zu überzeugen, dass Landarzt ein schöner, erfüllender Beruf ist. Die Ausbildung von künftigen Medizinern findet vor allem in Kliniken statt, dabei gehen die Fertigkeiten, die man nur als Landarzt lernen kann, verloren.

Außerdem genießen Landärzte bei der Bevölkerung ein hohes Ansehen. Leider ist das in der Ausbildung anders, hier wird eher ein negatives Bild von Landärzten vermittelt als "Mädchen für alles". Dabei ist es ein sehr anspruchsvoller Beruf, auf den wir nicht verzichten können.

Mehr als 1,5 Millionen Franzosen haben den Film gesehen. Welche Rückmeldungen haben Sie erhalten, gerade auch von Ärzten?

Sehr positive, viele Mediziner mochten den Film, weil sie sich darin wiedergefunden haben. Die Verfilmung kommt also der Realität sehr nah. Viele Landärzte fühlten sich geehrt und haben sich daher sehr über diese Hommage an ihren Beruf gefreut. Es ist wichtig, dass sie diese Anerkennung bekommen und der Beruf erklärt wird.

Mit François Cluzet aus "Ziemlich beste Freunde" und Marianne Denicourt ist der Film prominent besetzt. Wie haben Sie sie auf ihre Rollen vorbereitet?

Wir haben intensiv monatelang zusammengearbeitet, entsprechende Bücher studiert, das Drehbuch geschrieben, uns mit vielen Landärzten getroffen und ausgetauscht. Ich denke, dadurch ist es den beiden und uns allen gelungen, dass der Film das Landarzt-Sein so realitätsgetreu zeigt.

Wovon wird Ihr nächster Film handeln?

Nach "Hippocrate" (handelt von der ärztlichen Weiterbildung, Anm.d.R.) und "Der Landarzt von Chaussy" wird es einen dritten Film zu einem medizinischen Thema geben. Er wird vom ersten Ausbildungsjahr an der Uni handeln.

Der Landarzt von Chaussy

Dr. Jean-Pierre Werner (François Cluzet) ist seit über 30 Jahren Landarzt und sehr beliebt. Als er selbst erkrankt, muss er eine Vertretung einstellen. Die kommt schneller als ihm lieb ist, in Gestalt der selbstbewussten Dr. Nathalie Delezia (Marianne Denicourt). Doch sie muss sich die Anerkennung des Landarztes und seiner Patienten erst erarbeiten.

Mit seinem Film zeichnet Thomas Lilti ein authentisches, liebevolles Porträt eines Landarztes und seiner Patienten. Neben sehr humorvollen Passagen spricht er aber auch schwierige Themen an, etwa den steigenden Bedarf an Landärzten oder die Frage: Wie gehen Ärzte damit um, wenn sie selbst schwer krank werden?

Kinostart: 8. September 2016

Kooperationspartner

Der Deutsche Hausärzteverband begleitet den Film als Kooperationspartner. "Der Film zeigt, wie wichtig der Einsatz von Hausärzten für die Menschen vor Ort ist", sagt Verbandssprecher Vincent Jörres. Er biete aber auch Anlass, die Zukunft der hausärztlichen Versorgung zu diskutieren. Dafür werden etwa Sondervorstellungen mit Beteiligung des Verbandes geplant. Trailer unter www.derlandarztvonchaussy.de

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