Sachverständigenrat“Krisenfestes” System dank Hausärzten?

Ein neues Gutachten der Gesundheitsweisen kommt zu dem Schluss: Das deutsche Gesundheitssystem muss deutlich krisenfester werden. Hausärztinnen und Hausärzten kommt dabei zwar nicht die alleinige, aber doch eine zentrale Verantwortung zu.

Gewitter: Starkregenereignisse werden ebenso wie Hitzeperioden zunehmen. Das Gesundheitssystem sollte sich darauf einstellen.

Berlin. Um das deutsche Gesundheitswesen besser gegen Krisen wie Pandemien oder Folgen des Klimawandels zu wappnen, ist unter anderem eine „deutlich bessere Koordination“ nötig – sowohl in der Abstimmung zwischen Bund, Ländern und Kommunen, als auch innerhalb des Gesundheitssystems. Das sagte Prof. Ferdinand Gerlach, Allgemeinmediziner und Vorsitzender des Sachverständigenrats, zur Vorstellung des neuen Gutachtens “Resilienz im Gesundheitswesen” am Donnerstag (19.1.) in Berlin.

Eine der in dem 600 Seiten starken Dokument enthaltenen Empfehlungen lautet daher, die hausarztzentrierte Versorgung (HZV) zu stärken. “Die primär- bzw. hausärztlichen Strukturen sollten im Hinblick auf zukünftige öffentliche Gesundheitskrisen gestärkt und weiter verbessert werden sowie sich auf die zunehmende Übernahme koordinierender Tätigkeiten und die Unterstützung der Akutversorgungsstrukturen vorbereiten”, heißt es darin. In diesem Zusammenhang sollte die Teilnahme an der HZV incentiviert werden.

Den Gesundheitsweisen schwebt vor, dass sich die Versicherten – unter Wahrung der freien Arztwahl – bei einer Praxis registrieren. Idealerweise könnte dies in einem Feld in der elektronischen Patientenakte (E-PA) festgehalten werden.

Die Hoffnung: Auf diesem Weg könnten Patientinnen und Patienten im Falle einer öffentlichen Gesundheitskrise (z. B. im Rahmen einer dann erforderlichen Impfkampagne) gezielt informiert werden.

Hier kämen laut Sachverständigenrat auch Hausarztpraxen ins Spiel: “Diese Kommunikation muss auch vonseiten der Praxen entsprechend vorbereitet und zuverlässig durchgeführt werden”, so ihre Vision.

Vision: Zielgerichtete Infos über die E-PA

Darüber hinaus könnten über die E-PA tagesaktuelle Daten von Hitze- oder Feinstaubbelastungen gezielt an vulnerable Gruppen verteilt werden.

Welche Bedeutung der Kommunikation zukomme, habe nicht zuletzt die Corona-Pandemie gezeigt: Die immer neuen Vorgaben etwa zur Maskenpflicht seien „verwirrend für die Bevölkerung“ gewesen, es wäre eine deutlich koordiniertere Information nötig gewesen.

Auch an anderen Stellen finden sich in dem Katalog von Empfehlungen, der nun an Bundestag und Bundesrat weitergeleitet wird, potenzielle Hausaufgaben für Hausarztpraxen: Eine klimagerechte Anpassung der Gebäude im Gesundheitswesen und explizit auch von Arztpraxen ist demnach ebenso erforderlich wie die Erfassung des ökologischen Fußabdrucks von Arztpraxen und Kliniken.

Planetare Gesundheit sollte Teil des Lernzielkatalogs werden.

Gesundheitssystem ist zu “behäbig”

Insgesamt, bilanziert das Gutachten, muss das deutsche Gesundheitssystem deutlich krisenfester werden. Die Selbstwahrnehmung, dass alles gut organisiert und für unvorhergesehene Entwicklungen vorbereitet ist, sei trügerisch, so Gerlach. Vielmehr sei es ein „behäbiges Schönwettersystem“. Die potenziellen Krisen hingegen häufen sich: SARS-CoV-2-Pandemie, Krieg in Europa, Hochwasser, Waldbrände und Hitzewellen als Folgen des Klimawandels, unterbrochene Lieferketten, Energieknappheit.

Ein weiteres Problem: „Der ambulante Bereich ist in vorhandenen Pandemieplänen nicht enthalten“, monierte Gerlach bei der Vorstellung vor Journalisten. Zudem würden diese Katastrophenpläne nicht geprobt. Allzu oft verstaubten sie in Schubladen anstatt konsequent umgesetzt zu werden.

Lauterbach: Rückenwind für Reformen

Die Gesundheitsweisen mahnen dabei die Notwendigkeit ausreichender personeller und finanzieller Ressourcen an. Insbesondere müssten Möglichkeiten der Digitalisierung umfassend genutzt werden – etwa für eine bessere Versorgung und epidemiologische Lageanalyse. In der Corona-Pandemie sei Deutschland “weitgehend im Blindflug” unterwegs gewesen und habe sich oft auf bessere Daten etwa aus Dänemark oder Israel verlassen.

Gesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach (SPD) sagte, das Gutachten gebe Rückenwind für geplante dringend notwendige Reformen. “Wir ordnen die Krankenhausstruktur neu, machen Arzneimittelversorgung sicherer, sorgen mit niederschwelligen Angeboten für gute Medizin für alle.” Zudem würden Lehren aus der Pandemie gezogen. “Wenn das nächste Virus zur Gefahr wird, werden wir international wie national besser aufgestellt sein.”

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