„Salus aegroti suprema Lex“: „Das Wohlergehen des Patienten ist das höchste Gesetz“. Gerade die Ärztekammern heben diesen obersten Grundsatz ärztlichen Handelns und die Orientierung am Wohl der Patienten besonders hervor. Diese sind, wie auch die Kassenärztlichen Vereinigungen (KV), als Körperschaften öffentlichen Rechts an ethische und gesetzliche Zielvorgaben gebunden.
Ein kritischer Blick auf die Politik der „verfassten Ärzteschaft“ begründet allerdings den Verdacht, dass von den Körperschaften nicht nur positive Beiträge zur Lösung der Probleme des Versorgungssystems geleistet wurden und werden, sondern im Gegenteil, sie manche aktuellen Schwierigkeiten wesentlich mitverursacht haben.
So hat der aktuell hohe Bedarf an Allgemeinärzten seine Ursachen in einer seit fast 70 Jahren zu beobachtenden, ausschließlich an der Weiterentwicklung der Spezialversorgung und Krankenhaus-Medizin orientierten Weiterbildungspolitik der Ärztekammern. Die hierfür Schuldigen finden sich in hohen Vorstandsämtern der Körperschaften und weinen Schweinstränen über die Mängel des Versorgungssystems, an denen sie selbst ursächlich mitgewirkt haben.
Zweistufige Versorgung in Gefahr
Nach internationalem Standard ist die Primärversorgung der Spezialversorgung durch Fachärzte vorgeschaltet. Hierdurch werden die Grundsätze eines Versorgungssystems wie Zugang, Koordination, Qualitätskontrolle und umfassende Versorgung sichergestellt. Bereits damit hat die internationale Sozialmedizin umfangreich begründet, warum ein funktionierendes Versorgungssystem zweistufig in Primärversorgung und Spezialversorgung gegliedert werden sollte.
Dafür gibt es medizinische und ökonomische Gründe im Interesse von Mensch und Gesellschaft, die hier nicht wiederholt werden müssen. Sie sind sogar in Grundsatzbeschlüssen des Ärztetages, wie zum Beispiel dem „Blauen Papier“, anerkannt und in Details ausformuliert.
Diese zweistufige Gliederung ist zum wiederholten Mal in Gefahr. Der KBV-Vorstand arbeitet strategisch im Zusammenwirken mit der Spezialisten-Förderung der Ärztekammern gegen diese vom Gesetzgeber und der internationalen sozialmedizinischen Forschung vorgegebene Ordnung. Das Konzept der KBV, durch Änderung des Bundesmantelvertrages eine neue Gruppierung innerhalb der Fachärzteschaft zu etablieren, die als „Grundversorgende Fachärzte“ bezeichnet wird, ist nichts weiter als ein Versuch, die Qualität vollweitergebildeter Fachärzte für Allgemeinmedizin in der hausärztlichen Versorgung durch unvollständig im hausärztlichen Sektor weitergebildete Spezialisten zu ersetzen. Zwar weisen Letztere die für ihr Spezialgebiet erforderlichen Kenntnisse auf, ihnen fehlt allerdings die Weiterbildung zum Allgemeinarzt sowie die umfassende Erfahrung in einer patientengerechten Koordination.
Den Schaden haben letztlich die Patienten
Ginge es nach der KBV und der von ihr intendierten Änderung des Bundesmantelvertrages (Anlage 5a-neu), würde dennoch diese neue Gruppierung mit fast allen wichtigen Funktionen hausärztlichen Handelns beauftragt werden. An die Stelle der gegenseitigen Kontrolle von Hausärzten und Fachärzten würden dann unkoordiniert unvollständig für die hausärztliche Tätigkeit ausgebildete Fachärzte treten. Hierdurch zerstört man die Qualität der Versorgung und erhöht die Umlaufgeschwindigkeit wenig morbider, aber mobiler jüngerer Patienten, da diese von Quartal zu Quartal wieder einbestellt würden. Ein derartiges Handeln gegen die Zukunft der hausärztlichen Versorgung schadet also zuletzt vor allem dem Patienten.
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