Essen. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) hat bei der Vertreterversammlung (VV) vor dem 127. Deutschen Ärztetag am Montag (15.5.) in Essen die Forderung des Deutschen Hausärzteverbandes nach einer hausärztlichen Entbudgetierung unterstützt.
Lobend erwähnte KBV-Vize Dr. Stephan Hofmeister, dass die Politik mit der Entbudgetierung bei den Kinder- und Jugendärzten einen Anfang gemacht habe. Leider habe es allerdings erst einer akuten Notlage bedurft, bevor die Politik reagiert habe.
Er fügte hinzu: „Wir erwarten nun den vom Minister zugesagten nächsten Schritt auf diesem Weg in Form der Endbudgetierung der Hausärzte.“ Laut Hausärzteverband sollte dafür der Mechanismus der Kinderheilkunde gewählt werden.
Defizite in Kliniken mit ambulanten Folgen
Die stationäre und ambulante Versorgung befindet sich insgesamt in einer Schieflage – selten war sich die VV so einig. Bei den zahlreichen (15) Gesetzesvorhaben des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) vermisse er den roten Faden, sagte KBV-Vorstandsvorsitzender Dr. Andreas Gassen. Er verglich das BMG mit einem Bergbauunternehmen, das Untertage arbeite. Gassen: “Doch zu Tage gefördert wird bislang wenig: Fristen werden immer wieder verlängert, Schwerpunkte verschoben.“
Sollten viele defizitär arbeitenden Kliniken geschlossen werden, hätte das unmittelbar Auswirkung auf die ambulante Versorgung, und zwar in vielen Bereichen, erklärte Hausärztin Dr. Petra Reis-Berkowicz, Vorsitzende der KBV-Vertreterversammlung. Wenn Ressourcen stärker gebündelt werden sollten, sei automatisch eine stärkere Ambulantisierung von Leistungen die Folge, unterstrich auch Gassen. Das wiederum habe Folgen auf die Weiterbildung.
Ärztliche Weiterbildung ist gesamtgesellschaftliche Aufgabe
Der Bedarf an Weiterbildung werde aufgrund der zunehmenden Ambulantisierung weiter stark wachsen. „Der Aufwand, der durch die Weiterbildung entsteht, muss finanziell abgebildet werden“, heißt es in einem Antrag der KBV-Vertreterversammlung.
Zwar werde derzeit die allgemeinärztliche Weiterbildung finanziell gefördert, die Hälfte davon werde aber von der Ärzteschaft getragen. Wenn mehr Weiterbildung sowohl in allgemeinärztlichen, in fachärztlichen als auch psychotherapeutischen Praxen erfolgen müsse – und das werde der Fall sein – würden die jetzigen Gelder nicht mehr ausreichen. Die Weiterbildung sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die finanziell abgebildet werden müsse, forderte die KBV-Vertreterversammlung.
Mit dem Wettbewerb um Medizinische Fachangestellte (MFA) beschäftigte sich ein weiterer Antrag. Häufig könnten Kliniken MFA höhere Gehälter bezahlen – auch, weil steigende Personalkosten im Krankenhaus eins zu eins finanziert würden. Im ambulanten Bereich sei dies nicht der Fall – faire Wettbewerbsbedingungen müssten hier geschaffen werden, meint die VV.
Lieferengpässe bedeuten Mehraufwand für Praxen
Weiterhin forderten die KBV-Vertreter per Antrag, dass der KBV-Vorstand einen Zuschlag zu den Versichertenpauschalen für alle arzneimittelverordnenden Fachgruppen aushandelt.
Die Lieferengpässe bei Arzneimitteln, so die Begründung, verursachten mittlerweile einen erheblichen Mehraufwand in den Praxen. So müssten Rezepte geändert oder gar die Therapie umgestellt werden. Der Mehraufwand gehe mittlerweile weit über den im EBM kalkulierten Aufwand hinaus.
Bei der Weiterentwicklung der elektronischen Patientenakte (E-PA) wollen Ärzte und Psychotherapeuten ein Wörtchen mitreden, „um somit die medizinisch inhaltliche Basis für eine praxisgerechte technische Konzeption und Umsetzung zu legen“, so die Forderung des Antrags „Angebot der Einbringung der ärztlichen und psychotherapeutischen Kompetenz bei der Entwicklung der ePA”. Diesen nahm die VV ebenfalls einstimmig an.
Keine Prüfungen bei begründeten Verordnungen
Medizinisch begründete Entscheidungen bei Verordnungen dürfen nicht dazu führen, dass eine Ärztin oder ein Arzt in eine Wirtschaftlichkeitsprüfung geraten, lautete die Resolution „Rationale Leitlinien-gestützte Verordnungen in der Wirtschaftlichkeitsprüfung schützen“.
Dass es hier zu absurden und ungerechten Situationen kommt, erläuterte KBV-Vertreter und stellvertretender Vorstand der KV Rheinland-Pfalz Dr. Andreas Bartels. In Rheinland-Pfalz, so Bartels, habe eine Ärztin bei einer 82-jährigen Patientin einen Blutverdünner verordnet. Da die Patientin nur 38 kg gewogen habe, habe die Ärztin ihr nur eine halbe Dosis täglich verordnet.
Die Krankenkassen hätten diese Verordnung beanstandet, da dies nicht von einem Off-Label-Use gedeckt sei. Die Ärztin müsse die Verordnung nun aus eigener Tasche bezahlen. Auch die Resolution nickte die VV einstimmig ab.
Ein mehr an Telemedizin nur mit Bedacht
Ein weiterer Antrag beschäftigte sich mit der Flexibilisierung ärztlicher Leistungserbringung. Wenn in Zukunft mehr und mehr telemedizinische Leistungen erbracht werden, müssten einerseits rechtliche Hürden bei Arbeiten außerhalb von Praxisräumen aus dem Weg geräumt werden. Andererseits müsse bezüglich der Flexibilisierung aber auch gewährleistet sein, dass – sofern medizinisch erforderlich – eine Versorgung vor Ort von der behandelnden Praxis erfolgen könne, so die VV.
Dies sieht der Deutsche Hausärzteverband ähnlich: Bei telemedizinischen Angeboten müsse eine Anschlussversorgung vor Ort immer möglich sein, falls diese erforderlich ist.