Liebe Kolleginnen und Kollegen, in der aktuellen Debatte um die elektronische Patientenakte wird eines sehr deutlich: Es geht längst nicht mehr um den eigentlichen Zweck und Nutzen. Nachdem sich die E-Gesundheitskarte als Flop herausgestellt hat, sollen es nun die Kassen richten, und die kämpfen jetzt um die Poleposition. Der Nutzen für die Patienten ist dabei längst zum Randthema verkümmert.
Dabei könnte die E-Patientenakte durchaus etwas zur Versorgung beitragen. Der Patient hätte seine Daten im Blick und könnte, beispielsweise im Notfall, den Ärzten leicht Zugriff und damit Überblick verschaffen. Impfausweis, Medikationsplan, Arztbriefe und Dauerdiagnosen wären zentral gesammelt und schnell auffindbar. Ärztinnen und Ärzten würde dies die Arbeit erleichtern und die Versorgung sicherer machen.
Dafür muss aber auch das Grundgerüst stehen. Das beinhaltet auch Fragen zu Datensicherheit, -hoheit und -austausch. Beispielsweise nützen die besten Akten nichts, wenn sie nicht interoperabel sind oder das Abgespeicherte nicht sicher ist.
Wichtig ist auch die Praktikabilität: Hier ist der Blick in die Praxis unerlässlich – warum es auch längst an der Zeit wäre, die Ärzte in die Entwicklungen einzubinden. Wir wissen schließlich am besten, wie eine Patientenakte aussehen muss, welche Daten integriert werden müssen und welche nicht. Wenn am Ende sonst die Patienten (und ihre Ärzte) vor einem unbrauchbaren Datenwust sitzen, dann ist keinem geholfen.
Wie soll also zukünftig zwischen sinnvollen und unnötigen Daten unterschieden werden? Solche Fragen, die die wirkliche Handhabung einer E-Patientenakte betreffen, werden in der aktuellen Debatte leider vollkommen ausgeklammert.
Stattdessen wird etwa darüber gesprochen, wie die Akten von Kassen zur Patientensteuerung genutzt werden können. Und das geht nicht nur am eigentlichen Zweck vorbei, es geht auch weit über die Kompetenzen der Krankenkassen hinaus.
Aber das scheint ein Trend zu sein: Die Vertreter einiger Krankenkassen zeigen immer deutlicher die Tendenz, sich in die Patientenversorgung einmischen zu wollen (und das nicht nur beim Thema Digitalisierung). Dabei schrecken sie auch nicht davor zurück, sich als Patientenvertreter darzustellen und uns Ärzten in unsere Arbeit beziehungsweise unseren Patienten in ihre Lebensweise reinzureden.
Eine E-Patientenakte wäre dafür natürlich ein gutes Tool. Klar ist aber: Das ist nicht Aufgabe einer Krankenkasse! Die E-Patientenakte darf nicht zum Einfallstor für Steuerungsversuche der Krankenkassen werden.
Die gute Nachricht ist: Am Ende entscheiden die Patienten und ihre Ärzte. Was nicht handhabbar oder unsicher ist, was nicht in den Versorgungsprozess passt oder diesen unnötig stört, was die Arzt-Patienten-Beziehung einschränkt oder gar belastet, wird nicht genutzt werden und schließlich versanden.
Mit kollegialen Grüßen
Ulrich Weigeldt
Bundesvorsitzender Deutscher Hausärzteverband e.V.