Berlin. Ärztinnen und Ärzte müssen künftig damit rechnen, dass der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) für sie zeitlich und regional begrenzt Sonderregeln kurzfristig in Kraft setzt, um sie und Patientinnen und Patienten besser vor Infekten zu schützen. Am Donnerstag (17.9.) hat das Gremium eine Entscheidung von Ende Mai konkretisiert und jetzt festgelegt, für welche Maßnahmen die regionalen Ausnahmen möglich sind. Der G-BA sprach daher von mehr “Rechtssicherheit” für Ärzte.
Dadurch kann der G-BA schnell und lokal auf steigende Infektionszahlen des neuen Coronavirus (SARS-CoV-2) reagieren. Es ist jedoch immer ein gesonderter Beschluss nötig, um die Ausnahmen zu erlauben. Dazu zählt unter anderem die telefonische Krankschreibung, von der auch der Deutsche Hausärzteverband vehement fordert, sie wieder einzuführen. Der Verband hält es allerdings für sinnvoll, die Telefon-AU bundesweit wieder zuzulassen.
Beim Deutschen Hausärztetag kritisierte Bundesvorsitzender Ulrich Weigeldt heftig den Beschluss als “bürokratischen Wahnsinn”. Es sei irre und praxisfremd zu glauben, dass Ärzte jeden Tag verfolgen könnten, ob sie in ihrer Region heute eine Telefon-AU ausstellen dürften oder nicht. Weigeldt kündigte an, dazu beim Hausärztetag noch einen aktuellen Beschluss fassen zu wollen. Zudem wolle er in der kommenden Woche mit G-BA-Vorsitzendem Josef Hecken darüber sprechen und versuchen, dies für Hausärzte noch unbürokratischer zu gestalten.
Diese Maßnahmen sind umfasst
Die Maßnahmen begründen sich aus verschiedenen G-BA-Richtlinien. Sie basieren auf Sonderregelungen, die sich bereits in der Hoch-Coronaphase im März und April bewährt und den Praxisablauf gerade für Hausärztinnen und Hausärzte maßgeblich erleichtert haben.
“Es ist grundsätzlich vorgesehen, die Ausnahmeregelungen jeweils als “Paket” räumlich und zeitlich begrenzt zu aktivieren”, stellte der G-BA auf Nachfrage von “Der Hausarzt” klar. Für die Inkraftsetzung habe der G-BA keine “konkreten Infektgrenzen” festgelegt, sondern “Ausgangsbasis sind regionale Beschränkungskonzepte”.
Folgende Vorgaben können regional aktiviert werden:
- Videobehandlung: Eine Behandlung kann auch als Videobehandlung stattfinden, wenn dies aus therapeutischer Sicht möglich ist und die Patientin oder der Patient damit einverstanden ist. Diese Regelung gilt für eine Vielzahl von Heilmitteln, die von Vertragsärztinnen und -ärzten verordnet werden können. Auch Soziotherapie und psychiatrische häusliche Krankenpflege können mit Einwilligung der Patientin oder des Patienten per Video erbracht werden.
- Folgeverordnungen nach telefonischer Anamnese: Folgeverordnungen für häusliche Krankenpflege, Hilfsmittel und Heilmittel dürfen auch nach telefonischer Anamnese ausgestellt werden. Voraussetzung ist, dass bereits zuvor aufgrund derselben Erkrankung eine unmittelbare persönliche Untersuchung durch die Ärztin oder den Arzt erfolgt ist. Die Verordnung kann dann postalisch an die Versicherte oder den Versicherten übermittelt werden. Gleiches gilt für Verordnungen von Krankentransporten und Krankenfahrten. Sie sind ebenso aufgrund telefonischer Anamnese möglich.
- Telefonische Krankschreibung: Versicherte können von ihrer Ärztin oder ihrem Arzt nach telefonischer Befunderhebung für einen Zeitraum von bis zu 7 Kalendertagen krankgeschrieben werden. Voraussetzung ist, dass die Versicherten an einer Erkrankung der oberen Atemwege ohne schwere Symptomatik leiden. Ärztinnen und Ärzte müssen sich dabei persönlich vom Zustand der Patientin oder des Patienten durch eine eingehende telefonische Befragung überzeugen. Eine fortdauernde Krankschreibung nach telefonischer Befunderhebung kann einmalig für einen weiteren Zeitraum von bis zu 7 Kalendertagen ausgestellt werden.
- Verlängerung der Vorlagefrist für Verordnungen: Die Frist zur Vorlage von Verordnungen bei der Krankenkasse wird für häusliche Krankenpflege, spezialisierte ambulante Palliativversorgung und Soziotherapie von 3 Tage auf 10 Tage verlängert.
- Krankentransportfahrten von COVID-19-positiven Versicherten und Personen unter behördlich angeordneter Quarantäne zu nicht aufschiebbaren, zwingend notwendigen ambulanten Behandlungen bedürfen nicht der vorherigen Genehmigung durch die Krankenkasse. Derzeit ist diese Ausnahme noch bundesweit geregelt (s.u.), da der Bundestag eine pandemische Lage nationaler Tragweite erklärt hat. Sollte der Bundestag diesen Zustand aber aufheben, so wäre es dem G-BA hiermit trotzdem noch möglich regional die Krankentransporte wieder zu aktivieren.
Auch bundesweite Ausnahmen verlängert
Darüber hinaus hat der G-BA das drohende Übergangschaos bei der Heilmittelverordnung geordnet. Jüngst wurde beschlossen, dass die Heilmittelrichtlinie erst 2021 in Kraft tritt und nicht bereits ab 1. Oktober. Damit hätte für ein Quartal vorübergehend wieder die kürzere Verordnungsfrist von 14 Tagen gegriffen.
Am Donnerstag hat der G-BA entschieden, dass die verlängerte 28 Tagefrist bis zum Start der neuen Heilmittelrichtlinie gilt, in der diese Frist dann grundsätzlich vorgesehen ist.
Darüber hinaus hat der G-BA die Ausnahmeregelung verlängert, wonach Krankentransportfahrten von COVID-19-positiven Versicherten und Personen unter behördlich angeordneter Quarantäne zu nicht aufschiebbaren zwingend notwendigen ambulanten Behandlungen weiterhin keine Genehmigung der Krankenkasse bedürfen.