Berlin. Gele, Emulsionen, Hydrogele und Co. können Hausärztinnen und Hausärzte voraussichtlich ab Dezember nur noch in Einzelfällen und nach bestätigtem medizinischen Nutzen zur Wundbehandlung verschreiben. Das hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) in seiner Sitzung am Donnerstag (15. Juni) klargestellt. Gleiches soll beispielsweise für silberhaltige Wundauflagen gelten.
Damit könnte es zu Engpässen in der Praxis kommen, befürchten vor allem Hersteller. Denn bislang sei noch unklar, welche Kriterien an diesen Nutzennachweis angelegt werden.
G-BA-Chef: “Teure Produkte drängen auf den Markt”
Laut Prof. Josef Hecken, unparteiischer Vorsitzender des G-BA, „drängen relativ teure arzneimittelähnliche Medizinprodukte wie Gele, Emulsionen oder Hydrogele seit geraumer Zeit unter dem Label von Verbandmitteln auf den Markt“, kritisierte er in der Sitzung am Donnerstag.
Dem will der G-BA nun einen Riegel vorschieben: Dass halbfeste bis flüssige, also „nicht formstabile“ Zubereitungen zur Wundbehandlung keine Verbandmittel sind, soll in einer Ergänzung der Anlage Va der Arzneimittel-Richtlinie festgelegt werden. Der Beschluss liegt nun zur rechtlichen Prüfung beim Gesundheitsministerium und wird bei Nichtbeanstandung in Kraft treten.
Vielmehr seien sie den sogenannten “sonstigen Produkten zur Wundbehandlung” zuzuordnen, heißt es. Denn im Vergleich zu einem „Verbandmittel“ fehlte die wichtigste Eigenschaft, eine Wunde abzudecken und Wundflüssigkeit aufzusaugen.
Wichtig in der Praxis: Eine “automatische Zuordnung” einzelner Produkte zu der Produktgruppe durch den G-BA sei damit jedoch nicht verbunden, unterstreicht dieser. Sprich: Ein Hydrogel, bei dem sich die hydroaktive Substanz beispielsweise auf einem – die Wunde verschließenden – Trägermaterial befindet, könnte also durchaus als Verbandmittel zählen. Für Hausärztinnen und Hausärzte dürfte dies vergleichsweise schwer überschaubar sein.
Übergangsregel endet im Dezember
Die Klarstellung, dass es sich bei den Gelen und Emulsionen um “sonstige Produkte” handelt, hat bedeutende Konsequenzen. Denn diese sind mit Ablauf einer Übergangsregelung am 2. Dezember 2024 nicht von vornherein verordnungsfähig.
Zum Hintergrund: Mit Einführung des § 31 Absatz 1a SGB V vor rund fünf Jahren hat der Gesetzgeber die Definition des Verbandmittel-Begriffes konkretisiert und den G-BA beauftragt, unter anderem die Trennlinie zu „sonstigen Produkten der Wundbehandlung“ zu ziehen – was in den vergangenen Jahren für Ärger gesorgt hatte. Bislang bereitet die Vielzahl der vorhandenen Produkte auf dem Markt in der Praxis immer wieder Probleme, da die wissenschaftliche Evidenz zum Teil ungeklärt oder nur sehr schlecht ist.
Zu den “sonstigen Produkten” zählen laut Branchenverband BVMed unter anderem auch einige silber- oder PHMB-haltige Wundauflagen und andere Wundmanagement-Lösungen.
Engpass in der Wundversorgung befürchtet
Mit Ablauf der Übergangsfrist fürchten Stimmen aus Hausarztpraxen sowie der BVMed Engpässe in der Wundversorgung. Zwar sagt der G-BA zu, Anträge zu konkreten Produkten innerhalb von 90 Tagen zu prüfen. Doch: Die Kriterien für den Nutzennachweis sind bislang noch völlig unklar, wie die Hersteller kritisieren.
Beispielsweise sei auch das Studiendesign fraglich, etwa ob als Endpunkt tatsächlich der Komplettverschluss der Wunde angenommen werden muss. Davon abgesehen, dass es mitunter schwierig ist, für die Versorgung chronischer Wunden – etwa aufgrund häufig nur kleiner Probandenzahlen – aussagekräftige und verlässliche Studienergebnisse zu erhalten.
Betroffen von der neuen Regelung sind nach Einschätzung des BVMed rund 400 – teils bewährte und bekannte – Produkte, für die ein Bewertungsverfahren erforderlich wird.
G-BA-Chef Hecken unterstrich am Donnerstag einmal mehr die Bereitschaft, die Hersteller zur Studienplanung zu beraten. „Wir könnten Unternehmen helfen, in Studien die für den G-BA entscheidungsrelevanten Fragen zu untersuchen“, so Hecken. Sollte das von der Politik aufgegriffen werden, könne er sich eine “nochmals um mehrere Monate verlängerte Übergangsfrist” vorstellen. Forderungen der Hersteller nach einer weiteren mehrjährigen Übergangszeit hingegen seien für ihn nicht nachvollziehbar.
Hausärzteverband Hessen: Produktwahl liegt in ärztlicher Hand!
Unabhängig von der G-BA-Entscheidung weist der Hausärzteverband Hessen darauf hin, dass die Produktauswahl beim Wundmanagement in ärztlicher Hand liegt. Man beobachte immer wieder Wundmanager, die fachlich zwar sehr gut arbeiteten, jedoch häufig die teuersten Produkte am Markt auch für banale Wunden forderten. Das Problem: “Die Arzneimitteldatenbanken der PVS-Hersteller haben keine Produktbeschreibung und auch keine Preise, sodass diese bei jeder Anforderung erst per Google recherchiert werden müssen”, erklärt Vorsitzender Dr. Christian Sommerbrodt.
Er rät Kolleginnen und Kollegen, sich nicht unter Druck setzen zu lassen. “Der Wundmanager hat keine Befugnis, die Versorgung zu bestimmen.”
Praxis-Tipp: Der Hausärzteverband Hessen stellt seinen Mitgliedern im internen Bereich auf der Website einen Brief und ein Formular zur vereinfachten Kommunikation mit Wundmanagern zur Verfügung.