Herr Prof. Floege, die TESTING-Studie musste gestoppt werden: In der Steroidgruppe gab es bei 20 (von 136) Patienten schwere Nebenwirkungen, zwei sind gestorben. Sie sind Ko-Autor der Studie. Was ist schiefgelaufen?
Jürgen Floege: Die TESTING-Ergebnisse hauen wie diverse andere Studien aus jüngster Zeit in dieselbe Kerbe: Es bringt nichts, die Patienten mit großen Mengen Immunsuppressiva zu behandeln. Wir müssen Kosten und Nutzen abwägen. Bei der IgA-Nephritis haben wir relativ junge Patienten, die ansonsten oft gesund sind. Da sind schwere Infekte oder gar Todesfälle als Steroid-Nebenwirkungen besonders tragisch.
Steroide werden zu früh und zu viel gegeben?
Ja, das ist es, was ich kritisiere. Auch TESTING krankt daran, dass supportiv nur drei Monate mit ACEHemmern behandelt wurde, bis die Steroide hinzukamen. Damit ist die supportive Therapie oft aber gar nicht ausgereizt. Jeder weiß, dass man deutlich länger braucht, diese Patienten aufzutitrieren. Bei uns erhalten sie sechs Monate lang eine optimierte RAAS-Blockade. Damit können wir bei vielen Patienten den GFR-Verlust auf 1,5 ml/min pro Jahr drücken. Das ist fast schon auf dem Niveau des physiologischen GFR-Verlusts. Mit Immunsuppression schaffe ich nicht viel mehr.
In der TESTING-Studie betrug die Maximaldosis 48 mg Methylprednisolon pro Tag.
Das ist schon ordentlich. Umgerechnet auf Prednisolon sind das fast 58 mg. In China, wo die Studie durchgeführt wurde, wiegen die Menschen deutlich weniger als bei uns, sodass man von einer Prednisolon-Dosis von ca. 1 mg/kg Körpergewicht am Tag ausgehen kann.
TESTING setzt ja eine ganze Reihe negativer Ergebnisse von Steroiden bei IgA-Nephritis fort. Auch in Ihrer großen STOP-IgAN-Studie vor zwei Jahren hat die zusätzliche Immunsuppression keinen großen Nutzen gezeigt. Was sind die Lehren daraus, muss man sich bei diesen Patienten jetzt von Steroiden verabschieden?
Die Lehre ist für mich ziemlich deutlich: Die supportive Therapie muss wirklich ausgereizt werden, bis ich auf die Idee komme, ein Steroid zu geben. ACE-Hemmer und AT1-Blocker müssen ausdosiert werden. Das gilt selbst dann, wenn der Blutdruck schon im Zielbereich unter 130/80 mmHg ist, aber die Proteinurie noch über 1 g/Tag.
Zu guter Letzt bitte noch einen Tipp: Wie können hausärztliche Kollegen Sie bei diesen Patienten unterstützen?
Mit einer Lebensstil-Beratung können Hausärzte den Patienten sehr helfen. Wenn diese Patienten rauchen, haben sie ein zehnfach höheres Risiko für die Dialysepflicht. Auch Übergewicht ist ein Risiko für Nierenversagen. Die Patienten müssen sich bewegen und gesund ernähren. Der richtige Sport ist jede Form von Ausdauersport. Richtig zu Essen bedeutet eine gute Mischung aus tierischen und pflanzlichen Lebensmitteln. Und das Thema Salz natürlich: Zu viel davon, kann den Effekt von ACE-Hemmern komplett zunichtemachen. Die Patienten sollen nicht zu wenig, aber auch nicht zu viel trinken, am besten anderthalb bis zwei Liter am Tag. Auch Alkohol ist in geringen Mengen explizit erlaubt.
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