New York. Auf “Abnehmspritzen” ruhen bei der Therapie von Adipositas einige Hoffnungen – in der Forschung mehren sich allerdings die Hinweise auf einen Jo-Jo-Effekt nach dem Absetzen: Bei dem Wirkstoff Tirzepatid zeigte sich in einer aktuellen Studie bei Menschen eine deutliche Wiederzunahme des Gewichts, wenn die Probanden nach 36-wöchiger Einnahme des Präparats nur noch ein Placebo-Präparat erhielten.
Das berichtet jetzt ein Forschungsteam im Fachmagazin “JAMA”. Bei der zweiten Studiengruppe, die das Medikament weiterhin einnahm, reduzierte sich das Gewicht hingegen weiter.
Für Fachleute kommen die Ergebnisse nicht überraschend. Tirzepatid ist laut der Studie bisher etwa in den USA für die Behandlung von Adipositas zugelassen, in der EU in dieser Indikation bislang nicht. In Deutschland kann es aber seit Kurzem unter dem Namen Mounjaro® in bestimmten Fällen von Typ-2-Diabetes eingesetzt werden.
Wichtig: Die DEGAM rät bei den neuen Abnehmspritzen zu Zurückhaltung in der Verordnung bei Adipositas, vor allem damit es für Menschen mit Diabetes nicht zu Lieferengpässen ihrer Medikamente kommt. Zudem untersucht die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) derzeit, ob die neuen Substanzen womöglich Selbstmordgedanken fördern können.
Tirzepatid gilt als noch effektiver als Semaglutid
Das zweifach wirksame Tirzepatid bindet ähnlich wie Semaglutid und Liraglutid an den GLP-1-Rezeptor, darüber hinaus aber auch an den glukoseabhängigen insulinotropen Peptid-Rezeptor GIP-1. Dadurch hemmt es den Appetit, die Patientinnen und Patienten essen weniger und verlieren an Gewicht.
Tirzepatid gilt als noch effektiver als der Wirkstoff Semaglutid (“Wegovy®”), der bisher häufig genannt wird, wenn es um sogenannte “Abnehmspritzen” geht.
Die Studienergebnisse im Einzelnen: Teil nahmen 670 Menschen aus verschiedenen Ländern, die zu Beginn adipös oder übergewichtig waren. Ähnlich wie in den Studien zu Semaglutid-Präparaten sollten die Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer zusätzlich eine Diät halten und ausreichend körperlich aktiv sein.
Nach 36 Wochen hätten sie mit einer wöchentlichen subkutanen Gabe von 10 oder 15 mg Tirzepatid ihr Gewicht im Schnitt um rund 21 Prozent reduziert, berichtet das Team.
Ein Teil der Probanden bekam den Wirkstoff auch im Anschluss und verlor bis Woche 88 weitere 5,5 Prozent an Gewicht. In der zweiten Gruppe erhielten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer nach der ersten Phase nur noch ein Placebo. Diese Personen nahmen bis zum Studienende wieder deutlich an Gewicht zu, im Schnitt um 14 Prozent. Insgesamt wurde bei ihnen im gesamten Studienzeitraum aber immer noch ein Gewichtsverlust von etwa zehn Prozent verzeichnet.
Deutlicher Jo-Jo-Effekt nach dem Absetzen
Die Ergebnisse unterstreichen aus Sicht des Studienteams, dass die Therapie fortgesetzt werden muss, wenn eine erneute Gewichtszunahme verhindert werden soll. Mindestens fünf Studien zu verschiedenen Medikamentenklassen – einschließlich der vorliegenden – hätten gezeigt, dass es nach dem Absetzen zu einem deutlichen Jo-Jo-Effekt kommt. Unter den geprüften Wirkstoffen sei auch Semaglutid gewesen.
Es würden nun weitere Studien gebraucht, um den möglichen Langzeitnutzen und die Langzeitrisiken zu verstehen.
Die Ergebnisse seien “alles andere als überraschend”, sagte Prof. Stephan Martin, Chefarzt für Diabetologie und Direktor des Westdeutschen Diabetes- und Gesundheitszentrums in Düsseldorf, dem “Science Media Center” und verwies auf die nahezu identischen Studienergebnisse bei Semaglutid.
Beachten müsse man zudem, dass die Studienteilnehmenden besonders ausgewählt, motiviert und außerdem in Sachen Lebensstil besonders trainiert worden seien. Wegen der geringeren Betreuung in der täglichen Praxis könnten Patienten nach dem Absetzen der Therapie daher womöglich sogar schneller wieder zunehmen.
Es habe die Hoffnung gegeben, dass durch die doppelte Aktivierung von GLP-1- und GIP-1-Rezeptor bei Tirzepatid eine längerfristige Wirkung zu erreichen ist. “Diese Hoffnung wurde durch die aktuelle Surmount-Studie nicht erfüllt”, so Martin. Die Studien zeigten somit eindeutig, dass die “Wunderspritzen” wohl lebenslang genutzt werden müssten.
Nebenwirkungen sind relativ häufig
Die Studie zeigt außerdem, dass Nebenwirkungen relativ häufig sind und meist den Magen-Darm-Trakt betreffen, etwa Übelkeit, Durchfall und Verstopfung. Diese Nebenwirkungen sind mit denen von Semaglutid-Präparaten vergleichbar.
Die Schwere wird in der Studie als meist mild bis moderat beschrieben, außerdem wurden die Nebenwirkungen mit der Zeit seltener. Einige Probanden brachen die Studienteilnahme allerdings auch wegen Nebenwirkungen ab.
Quelle: dpa/red