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Arzneimitteltherapiesicherheit„Beschäftigen Sie sich mit den Wirkstoffen, die Sie häufig verordnen“

Zu wenig Medikamente erhöhen die Sterblichkeit, zu viele aber auch. AkdÄ-Vorstandsmitglied Prof. Daniel Grandt empfiehlt, den Medikationsplan strukturiert und evidenzbasiert zu überprüfen – und gibt konkrete Tipps, wie Hausärzte zu mehr Arzneimitteltherapiesicherheit beitragen können.

Polypharmazie ist weit verbreitet, die verordnenden Ärzte kommunizieren zu wenig miteinander. Was kann die Arzneimitteltherapiesicherheit im niedergelassenen Bereich verbessern?

Prof. Daniel Grandt: Der heutige Patient hat häufig fünf oder mehr Erkrankungen, drei oder mehr mit Arzneimitteln behandelnde Ärzte und bezieht seine Medikation nicht in einer, sondern in drei Apotheken. Deswegen ist eine Koordination schwierig – und klappt nicht ohne elektronische Unterstützung. Die Hausärzte brauchen mehr Informationen, etwa über die Medikamente, die ein Facharzt verordnet hat.

Wie lässt sich das praktisch erreichen?

Grandt: Zum Beispiel durch elektronischen Zugriff auf Krankenkassendaten in Echtzeit zur Information des Arztes über alle verordneten Arzneimittel, Erkrankungen, Mitbehandler und Krankenhausaufenthalte sowie die Nutzung elektronischer Verordnungsunterstützung zum Erkennen vermeidbarer Risiken. Im dem vom Innovationsfondsprojekt geförderten Projekt “AdAM” der BARMER und KVWL erfolgt dies seit drei Jahren und auch die AOK Nordost nutzt diesen Ansatz bei “eLiSa”. Gewarnt wird nur vor klinisch relevanten Wechselwirkungen und Kontraindikationen, so dass eine Warn-Überflutung durch selbstverständliche und irrelevante, weil nicht zu berücksichtigende Warnungen vermieden wird.

Ein interessantes Projekt. Aber was kann den Ärzten gegenwärtig helfen, problematische Medikamente zu identifizieren? 

Grandt: Es gibt keine Alternative, die ohne IT-Unterstützung die Verfügbarkeit notwendiger Informationen und die Arzneimitteltherapiesicherheit so deutlich verbessern kann. Hilfreiche Tools sind natürlich die STOPP-Kriterien und die Priscus-Liste. Mit riskanten Arzneimittelinteraktionen beschäftigen sich bisher vor allem Einzelpublikationen.  In diesem Jahr werden Empfehlungen zur Multimorbidität als S2k Leitlinie bei der AWMF publiziert, die mehr als 30 Fachgesellschaften unter Koordination der DGIM erarbeiten. In Ergänzung zur hausärztlichen Leitlinie Multimedikation befasst sich diese mit expliziten Arzneimittelkombinationen und der Kombination von Arzneimittel und Erkrankung.

Das ist viel Theorie – und die Zeit der Hausärzte ist begrenzt. Haben Sie Tipps, wie sie konkret vorgehen können?

Grandt: Gerade weil die Zeit der Hausärzte knapp ist, braucht es innovative IT-unterstützte Ansätze. Unabhängig davon macht es Sinn, sich Stück für Stück mit den Medikamenten zu beschäftigen, die der Arzt häufig – das heißt jedes Quartal – verordnet. In der Regel sind das circa 50 bis 70 Wirkstoffe. Wenn man herausarbeitet, bei welchen Patienten sie nicht oder nur in veränderter Dosis eingesetzt werden können oder auf welche Wechselwirkungen man besonders achten sollte, hat man einen guten Einstieg gefunden, um die Therapiesicherheit für seine Patienten zu optimieren.

Wenn die Ärzte ein Medikament absetzen wollen, leisten Patienten aber oft Widerstand.

Grandt: Das ist ein typisches Problem, das die Hausärzte haben – noch mehr als die Fachärzte. Wenn Patienten mit einem Medikament die Vorstellung einer Symptomlinderung oder Heilung verbinden, ist es schwierig, sie davon zu überzeugen, dass dem nicht so ist – selbst wenn alle Evidenz der Welt dagegenspricht.

Wie sollte der Arzt in so einem Fall reagieren?

Grandt: Hier ist es wichtig, dem Patienten eine vernünftige Erklärung für das Absetzen oder Wechseln von Arzneimitteln zu liefern. Etwa kann es helfen, ihn auf die Nebenwirkungen des Medikaments hinzuweisen. Diese sind dem Patienten oft nicht bewusst. Dann kann er besser nachvollziehen, dass der Arzt ihm nicht ein segensreiches Medikament nimmt, sondern ein potentielles Risiko beendet.

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