Ejaculatio praecox
Der vorzeitige Samenerguss (Ejaculatio praecox) ist die häufigste sexuelle Funktionsstörung des Mannes (Definition s. Kasten). Etwa 20 Prozent der sexuell aktiven Männer sind davon betroffen. Die Häufigkeit der Ejaculatio praecox ist in allen Altersgruppen vergleichbar; allerdings lässt sich die Störung nur schwer objektivieren. Insbesondere in Relation zu der mitunter viel längeren Zeit, die die Partnerin zum Erreichen eines Höhepunkts benötigt, kann die klinische Abgrenzung zwischen physiologischen und pathologischen Situationen erschwert sein. Das Krankheitsbild der Ejaculatio praecox kann ausgeschlossen werden, wenn die kurze Latenzzeit bis zur Ejakulation durch sexuelle Enthaltsamkeit, neue Partner, neue sexuelle Situationen, Alkohol, Drogen oder Medikamente erklärbar ist.
Der klinische Verlauf ist variabel. Man unterscheidet zwischen einer lebenslangen (primären) Ejaculatio praecox und einer erworbenen (sekundären) Form. Die primäre Ejaculatio praecox ist eher durch körperliche Ursachen bedingt und in der Regel chronisch, während für die sekundäre Ejaculatio praecox oft psychogene Komponenten in den Vordergrund rücken (Ängste, unzureichende Kommunikation zwischen den Partnern, unzureichende Techniken der Ejakulationskontrolle, psychodynamische Ursachen u. v. m.). Die Ejaculatio praecox wird entweder als erlerntes Verhalten oder als Reaktion auf ein traumatisierendes Erlebnis bzw. sexuelle Unsicherheit wahrgenommen. Dieser Ansatz verdeutlicht das komplexe Zusammenwirken kognitiver, affektiver und psychologischer Komponenten bei der Steuerung der Ejakulation.
Diagnose der Ejaculatio praecox
Neben der allgemeinen Anamnese sollte eine genaue Sexualanamnese erhoben werden, in deren Rahmen auch Frequenz, Techniken und Dauer des Geschlechtsverkehrs sowie das Verhältnis zum Partner und zur gemeinsamen Sexualität abfragt werden. Ansätze zur quantitativen Erfassung einer Ejaculatio praecox beinhalten z. B. die Dauer zwischen Penetration und Samenerguss. Weiterhin wird mitunter auch die Zahl der Beckenbewegungen mit einbezogen – diese sollte nicht unter 7 liegen.
Therapie der Ejaculatio praecox
Obwohl die Ejaculatio praecox die häufigste Ejakulationsstörung darstellt, sind die Behandlungsmöglichkeiten begrenzt. Einen konservativen Ansatz bietet die Verhaltenstherapie. Sie verbessert die Kommunikation der Sexualpartner und kann über die Therapie der Ejaculatio praecox zu einer befriedigenderen Partnerschaft führen. Nachteilig sind die verzögerte und inkonstante Wirkung sowie ein hoher personeller/finanzieller Aufwand. Außerdem setzt sie die Kooperation des Partners voraus.
Bei der sog. “Stop-Squeeze-Methode”, wird kurz vor der Ejakulation die sexuelle Stimulation durch eine Kompression der Glans penis unterbrochen, bis der Ejakulationsdrang nachlässt. Danach wird die sexuelle Stimulation fortgesetzt. Ähnlich funktioniert auch die “Stop-Pause-Methode” nach Kaplan, bei der kurz vor der Ejakulation die sexuelle Stimulation ausgesetzt wird, bis der Ejakulationsdrang nachgelassen hat und eine weitere sexuelle Stimulation ohne Ejakulation möglich ist.
Für die lokale Therapie der Ejaculatio praecox stehen Salben mit Lokalanästhetika (z. B. Lidocain) zur Senkung der Hypersensitivität des Penis zur Verfügung. Die Applikation erfolgt 20 Minuten vor dem Geschlechtsverkehr, vorzugsweise in Kombination mit einem Kondom.
Bei der pharmakologischen Therapie der vorzeitigen Ejakulation können Antidepressiva (SSRI, trizyklische Antidepressiva) zum Einsatz kommen. Problematisch sind jedoch die Nebenwirkungen der Antidepressiva und die fehlende Zulassung für diese Indikation. Seit Mitte 2009 besitzt Dapoxetin als kurz wirksames SSRI die Zulassung als Bedarfsmedikation bei vorzeitiger Ejakulation, jedoch wird auch der Einsatz dieser Substanz mittlerweile aufgrund der fraglichen klinischen Wirksamkeit kritisch betrachtet. Generell ist bei Ejaculatio praecox die frühzeitige Überweisung zum urologischen bzw. andrologischen Kollegen ratsam.
Erektile Dysfunktion
Erektionsstörungen älterer Patienten sind häufig sehr subjektiv und werden nicht selten in Relation zu Erinnerungen aus der Jugendzeit gesehen; tatsächlich kommt es aber mit zunehmendem Alter physiologisch zu Veränderungen der Sexualität. In der täglichen Praxis gilt es nun, altersbedingte Veränderungen der Sexualfunktionen von krankheitsassoziierten Symptomen (Definition s. Kasten auf der nächsten Seite) zu unterscheiden. Validierte Fragebögen wie der International Index for Erectile Function (IIEF) und der Aging Male Symptom Score (AMS) können die Anamnese unterstützen und bei der Objektivierung sexueller Störungen helfen.
Stets ist zu bedenken, dass das Nachlassen der Erektionsfähigkeit auch als unerwünschte Wirkung bei verschiedenen Medikamenten auftreten kann. So führen gerade häufig verabreichte Präparate wie Antihypertensiva, Antihyperlipidämika, Protonenpumpen-Inhibitoren, diverse Psychopharmaka und viele andere Substanzgruppen unter Umständen zu Beeinträchtigungen der Gliedsteife und des sexuellen Verlangens. Im individuellen Fall sollten daher die Indikationen überprüft und dann bei Bedarf Dosisreduktionen, Stoffgruppenwechsel oder die symptomatische Therapie unter Fortführung der Medikation erwogen werden.
Therapie der erektilen Dysfunktion
Für die Therapie von Erektionsstörungen stehen eine Vielzahl von oral und lokal applizierbaren Substanzen sowie mechanische Hilfsmittel zur Verfügung. Zur Therapie der ersten Wahl gehören orale Hemmstoffe der Phosphodiesterase 5 (Avanafil, Sildenafil, Tadalafil und Vardenafil) sowie ggf. eine Sexualtherapie und die Androgenersatztherapie bei zweifach nachgewiesenem Testosteronmangel.
Klinisch relevante Unterschiede der PDE-5-Inhibitoren bestehen hinsichtlich ihrer Pharmakokinetik und ihrer Wirkdauer. Das Nebenwirkungsspektrum ist dosisabhängig und meist nicht sehr ausgeprägt. Bei schwersten kardiovaskulären Vorerkrankungen sowie bei Medikation mit Nitraten bzw. NO-Donatoren, ist die Einnahme kontraindiziert. Wenn keine Gegenanzeigen vorliegen, kann diese Stoffgruppe in jedem Alter verschrieben werden.
Darüber hinaus können die Schwellkörperautoinjektionstherapie (SKAT), intraurethrale Applikation, Vakuum-Erektionshilfen und schließlich die Schwellkörper-Endoprothetik wichtige Beiträge zur Behandlung von Erektionsstörungen leisten.
Bei der SKAT wird eine definierte Dosis des vasoaktiven Prostaglandins E1 (PGE1; Alprostadil) vom Patienten selbst vor dem Geschlechtsverkehr direkt in den Schwellkörper injiziert. Bei Patienten, die die Injektionstherapie ablehnen oder bei denen Injektionen aufgrund der Einnahme von Antikoagulanzien oder anderer Gegenanzeigen nicht infrage kommen, kann der Wirkstoff auch intraurethral als Pellet verabreicht werden.
Eine rein mechanische und relativ kostengünstige Möglichkeit, unabhängig von der Genese der erektilen Dysfunktion, ist die Verwendung von Vakuumerektionshilfen, die mithilfe von Unterdruck für einen verstärkten venösen Rückstrom in die Schwellkörper und damit für maximale Tumeszenz sorgen. Vakuum-Erektionshilfen sind eine Alternative, wenn Patienten auf die oralen und lokal wirkenden Substanzen nicht reagieren oder diese aufgrund spezifischer Begleiterkrankungen kontraindiziert sind.
Versagen alle konservativen Behandlungsmöglichkeiten, kann bei einer therapierefraktären Erektionsstörung die operative Implantation eines dreiteiligen hydraulischen Schwellkörperimplantats erwogen werden. Die Indikationsstellung für ein Schwellkörperimplantat sollte dem spezialisierten Urologen bzw. Andrologen vorbehalten bleiben.
Literatur beim Verfasser.
Mögliche Interessenkonflikte: Der Autor hat keine deklariert.