Das Forum Hausärztinnen des Hausärztinnen- und Hausärzteverbands will einen besseren Schutz vor geschlechterspezifischer sexueller Gewalt erreichen und sieht sich durch das aktuelle Lagebild “Häusliche Gewalt” (eine kriminalstatistische Auswertung von Partnerschaftsgewalt) bestätigt.
Dieses beinhaltet alle Formen körperlicher, sexueller oder psychischer Gewalt und hat 2023 um 6,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr zugenommen. 70,5 Prozent der Betroffenen sind Frauen.
“Wir haben den Vorstand des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes sowie den Vorstand der Bundesärztekammer mittels eines Antrags dazu aufgefordert, sich politisch für die Prävention von Vergewaltigungen durch eine Änderung des deutschen Strafrechts einzusetzen”, berichtet Dr. Nadja Jesswein, eine der Sprecherinnen des Forums.
“Ja” heißt “Ja”
Seit einer Reform des Sexualstrafrechts 2016 existiert in Deutschland die Regelung “Nein heißt Nein”. Jesswein und ihre Mitstreiterinnen halten diesen Schritt jedoch für unzureichend. “Vergewaltigungen finden meist innerhalb von Beziehungen statt, wenn zwischen den Partnern ein Machtgefälle existiert”, betont die Hausärztin. “Nicht alle Opfer sind aus Angst vor den Konsequenzen dazu in der Lage, explizit nein zu sagen.”
Erschwerend komme hinzu, dass ein “Nein” vor Gericht bewiesen werden müsse. Aus diesem Grund plädiert das Forum Hausärztinnen dafür, im Strafgesetzbuch eine “Ja ist Ja”-Regelung einzuführen. In Ländern wie Schweden und in Spanien gilt sie bereits.
Ein eindeutiges “Ja” stelle klar, dass Einvernehmlichkeit zwischen den Partnern bestehe, unterstreicht Jesswein. “Eine gesetzliche Änderung würde das Problembewusstsein schärfen und es den Opfern erleichtern, Rechtsmittel einzulegen.” Auf dieser Grundlage könne Deutschland zudem einen wichtigen Beitrag leisten, um den Gewaltschutz in ganz Europa zu verbessern.
Zum Hintergrund: Die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union einigten sich im Mai 2024 auf ein Gesetz zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt. Es verpflichtet die Staaten, unter anderem weibliche Genitalverstümmelung, Zwangsverheiratung und Cybergewalt zu ahnden.
Ein vom Europaparlament unterstützter Antrag, der nicht konsensuelle sexuelle Handlungen zu einem Straftatbestand macht, wurde jedoch nicht berücksichtigt. Neben Frankreich gehörte auch Deutschland zu denjenigen Ländern, die eine solche Regelung aufgrund juristischer Bedenken ablehnten. Bei Frauenrechtlerinnen stieß dies auf Unverständnis.
Hausärzte als Vertrauensstelle
Welchen Beitrag können Hausärztinnen und Hausärzte im Bedarfsfall leisten, um Betroffenen zur Seite zu stehen?
“Unser Vorteil besteht darin, dass wir zu unseren Patientinnen und Patienten oft ein langjähriges Vertrauensverhältnis haben und in der Regel die erste Anlaufstelle sind”, sagt Nadja Jesswein. Diese Nähe sei hilfreich, wenn es um die schwierige und durchaus heikle Aufgabe gehe, Gewalttaten und insbesondere Vergewaltigungen zu identifizieren.
“Hausärztinnen und Hausärzte sollten für diese Problematik auch deshalb sensibilisiert werden, damit sie über niedrigschwellige Hilfen, wie Opferberatungsstellen, informieren können.”
Quellen:
1. https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/kurzmeldungen/DE/2024/06/lagebild-hg.html
2. https://www.tagesschau.de/ausland/europa/eu-regeln-gewalt-gegen-frauen-100.html
4. https://www.frauenrat.de/eu-gewaltschutzrichtlinie-hat-bei-vergewaltigung-fatale-leerstelle/