Die Wirkung von Kohlauflagen (Weißkohl oder Wirsing) bei Gelenkschmerzen und Schwellungen kannte schon Pythagoras – auch wenn er nicht wusste, dass sie unter anderem auf Senfölglykosiden und Flavonoiden beruht. Um die Wirkstoffe freizusetzen, walzt man das Kohlblatt z.B. mit einem Nudelholz, bis der Kohlsaft austritt. Über Nacht auf dem arthrotischen Knie belassen, wirkt die Kohlauflage schmerzlindernd, abschwellend, kühlend und entzündungshemmend.
Die Wirksamkeit von Kohl gegenüber Kühlkissen oder Diclofenac-Gel untersuchte eine randomisierte, offene Studie bei 60 Patienten mit Kniearthrose [1]. Die Teilnehmenden wurden in drei Gruppen eingeteilt und legten entweder einmal täglich für 20 Minuten ein kühlendes Gel-Pad auf, brachten viermal täglich das Diclofenac-Gel auf oder trugen einmal täglich für eine Stunde die Kohlauflage.
Wie die Auswertung ergab, zeigte die Anwendung von Kohlblättern und von kühlenden Gel-Pads eine vergleichbare Verringerung der Osteoarthrose-Symptome in der numerischen Bewertungsskala (NRS) und dem Oxford-Knee-Score. Beide waren wirksamer als das Diclofenac-Gel. In anderen Studien erwies sich die Kohlauflage zwar ebenfalls als wirksam, war jedoch dem Schmerzgel nicht überlegen [2].
Dennoch betonte Dr. Heinrich Binsfeld aus Drensteinfurt: “Viele meiner Arthrose-Patienten sind mit den Kohlauflagen sehr zufrieden”. Er empfiehlt eine Anwendung über 14 Tage bis zu drei Wochen. Geeignet seien die Kohlauflagen insbesondere bei der Kniearthrose.
Blutegel: Kleine Sauger – große Wirkung
Die Blutegeltherapie gehört zu den ältesten Heilmethoden der Medizingeschichte – und erlebt seit einigen Jahren eine Renaissance. Verantwortlich für die schmerzlindernde Wirkung des Blutegels ist dessen Speichel, der beim Festsaugen in den Wirt gelangt und zahlreiche Substanzen enthält. Darunter beispielsweise Hirudin und Calin, die blutgerinnungshemmende Eigenschaften aufweisen. Weiterhin antientzündlich wirkende Egline und Bdelline, sowie Hyaluronidase, ein als spreading factor wirkendes Enzym, welches die Viskosität des Gewebes erhöht. “Es deutet sich an, dass den Effekten eine Kombination aus einigen dieser Substanzen zugrunde liegt”, berichtete Binsfeld.
In einer randomisierten Studie wurde die Blutegeltherapie bei 51 Patienten mit Gonarthrose gegenüber Diclofenac verglichen [3]. Die anhand der Visuellen Schmerzskala (VAS) gemessenen Werte verringerten sich in der Blutegel-Gruppe bis Tag sieben signifikant stärker und glichen sich dann wieder der Diclofenac-Gruppe an. Dagegen bestanden signifikante Unterschiede hinsichtlich Funktion, Steifheit und Gesamtsymptomen zugunsten der Blutegeltherapie bis zum Ende der Studie.
Eine weitere Studie bestätigte die Schmerzlinderung und zusätzlich eine verbesserte Lebensqualität nach einer einmaligen Blutegeltherapie. Die Wirkung einer einmaligen Behandlung hielt für mindestens zwei Monate an [4].
Insgesamt ist die Studienlage laut Binsfeld dürftig. Der Internist hat gute Erfahrungen mit der Blutegeltherapie bei der Arthrose an Füßen, Händen, Knien, Schulter, Hüfte und Ellenbogen gemacht, nicht hingegen bei einer Behandlung des Rückens. Die Therapie könne im Abstand von drei Monaten wiederholt werden. Eine Kontraindikation stellt seiner Meinung nach eine Blutungsstörung dar.
Kinesio-Tape: Kleben gegen den Schmerz
Die Kinesio-Tape-Methode wurde von dem Chiropraktiker Kenzo Kase in Japan entwickelt und zunächst nur in der Sportmedizin angewandt. Seit rund 25 Jahren ist sie auch in Europa verbreitet.
Beim Kinesio-Tape handelt es sich in der Regel um ein elastisches Band mit klebender Unterseite. Bevor man das Band auf die Haut klebt, wird es gedehnt. Dadurch entstehen Zugkräfte, welche Freiräume zwischen der Ober- und der Unterhaut schaffen. Mit Hilfe dieser taktilen Reize möchte man die Durchblutung und den Lymphabfluss steigern und Schmerzen vermindern. Zudem soll sich so die Beweglichkeit der Muskeln verbessern und die Gelenkfunktion unterstützen lassen.
Der Physiotherapeut Matthias Oeding aus Drensteinfurt nannte zahlreiche Indikationen für das Kinesio-Tape, darunter Sporttraumata, Verspannungen, degenerative Veränderungen, Impingement, Spastiken und Lymphödeme.
Das Lymphtaping dient als Ergänzung zur manuellen Lymphdrainage. Vorteil: Während die manuelle Lymphdrainage nur in einem begrenzten Zeitraum erfolgt, können die parallel aufgebrachten Tapes mehrere Tage liegen bleiben und “weiterwirken”. Einsatzbereiche sind Lymphabflussprobleme z.B. nach einer Tumortherapie oder dem Einsetzen einer Prothese.
Oeding belässt das Tape normalerweise fünf bis sieben Tage auf der Haut. Durch die mechanische Beanspruchung (Bewegung, Duschen etc.) kann sich das Tape bei längerer Tragedauer lösen. Sehr selten komme es zu allergischen Reaktionen, dann wechselt Oeding auf einen anderen Tape-Hersteller. Aufgrund der hohen Klebewirkung sollte das Tape nur auf intakter Haut angewandt werden. •
Literatur:
- Chobpenthai T et al. Pain Res Manag 2022; 3122153
- Lauche R et al. Clin J Pain 2016; 32(11):961-971
- Michalsen A et al. Ann Intern Med 2003; 139:724-730
- Michalsen A et al. Pain 2008; 137: 452-459
- Vance CGT et al. Medicina (Kaunas) 2022; 58(10):1332
Quelle: Virtueller Schmerz- und Palliativtag 2023: “Naturheilkundlich und erfahrungsmedizinisch gestützte Therapien in der Schmerzmedizin”, am 16.3.2023