Über ein Drittel aller Tumorerkrankungen geht laut WHO auf Lebensstilfaktoren zurück [1].
Ungesunde Ernährung und Übergewicht spielen dabei die zentrale Rolle. Ernährungsmedizinische Interventionen müssen deshalb bei Tumorerkrankungen integraler Bestandteil von ärztlicher Therapie und Prävention sein. Das Thema “Ernährung bei Krebs” war auch Schwerpunkt des Kongresses “Ernährung 2018”, der in Kassel stattfand.
Das Rauchen des 21. Jahrhunderts
Nikotinkonsum als Risikofaktor für die Tumorentstehung ist allseits etabliert. In Kürze nimmt jedoch eine neue Sucht den ersten Platz bei den Ursachen ein: grenzenloses Essen kombiniert mit zu wenig Bewegung, was schließlich zu Übergewicht führt. “Dieses hat auf Genese und Progredienz von Krebserkrankungen einen noch größeren negativen Einfluss als Rauchen, warnt Prof. Dr. med. Hartmut Bertz, Oberarzt der Klinik für Innere Medizin I und Sektionsleiter Ernährungsmedizin und Diätetik am Universitätsklinikum Freiburg.
Nicht von ungefähr wird Übergewicht bereits als “Rauchen” des 21. Jahrhunderts bezeichnet.
Gewichtige Fakten
Laut Prof. Dr. Bertz ist inzwischen klar nachgewiesen, dass und wie sehr Fettleibigkeit das Auftreten von zahlreichen Tumorerkrankungen fördert. Das gilt allen voran für Brustkrebs nach der Menopause, Eierstock- und Gebärmutterhalskrebs sowie Dickdarm- und Prostatakrebs: Mit jedem kg/m² mehr steigt das Risiko [2]. “Bei stark übergewichtigen Frauen mit einem BMI von über 35 ist die Tumorgefahr bereits um rund 90 Prozent erhöht”, so der Experte für Ernährung in der Onkologie. Übergewicht steigert zudem das Risiko für Rezidive, also für das erneute Auftreten von Tumoren [3].
Doch nicht nur die übermäßige Kalorienaufnahme ist so hochproblematisch, sondern auch die Verminderung des Verbrauchs. “Denn weniger körperliche Aktivität führt gehäuft zu Tumorerkrankungen”. Das zeigt sich insbesondere bei Darmkrebs [4], [5].
Auch unerlässlich beim “Cancer Survivorship”
Die Betreuung von Tumorpatienten wird heute mit dem Begriff des sogenannten “Cancer Survivorship” bezeichnet. Bei Tumor-“Überlebenden” sind ernährungsmedizinische Maßnahmen ebenso wie zur Prävention dringend erforderlich. So entwickeln nach den Worten von Prof. Bertz viele dieser Patienten ein Metabolisches Syndrom: Übergewicht, Fettstoffwechselstörung, Ausbildung von Zuckerkrankheit, Bluthochdruck und erhöhte Harnsäure. Alles Dinge, die sich durch intensivierte Bewegungstherapie und ernährungsmedizinische Beratung sowie Betreuung beeinflussen lassen. “Man muss nur daran denken, und zwar rechtzeitig”, so Prof. Bertz weiter.
Auch zur Vermeidung eines Rezidivs sind unbedingt ernährungsmedizinische Empfehlungen umzusetzen. “Die primären Empfehlungen hierzu, wie sie zuletzt 2007 vom WCRF formuliert wurden [6], beinhalten entsprechend eine ausgewogene Ernährung, Verminderung von Gewichtszunahme und ausreichende tägliche Bewegung”.
Ingrid Acker, VDOE-Kongresspräsidentin und stellvertretende Vorstandsvorsitzende des BerufsVerbands Oecotrophologie e.V. (VDOE), fordert ebenso, “dass sowohl in der Klinik als auch in der ambulanten Betreuung eine individuelle Ernährungstherapie eine Selbstverständlichkeit sein muss”.
Enormer Benefit
Tumorpatienten können von einer individuellen ernährungsmedizinischen Betreuung und bewegungstherapeutischen Maßnahmen enorm profitieren. “Damit können die Folgen der Therapienebenwirkungen gelindert, die Lebensqualität verbessert und die Widerstandskraft des Körpers deutlich erhöht werden”, weiß Prof. Bertz aus eigener Erfahrung. Beobachtungsstudien, die für viele Krebserkrankungen belegen, dass ein gesunder Lebensstil mit ausreichend körperlicher Aktivität das Wiederauftreten von Krebs deutlich reduzieren kann, untermauern dies. Eine aktuelle Studie kam darüber hinaus zu dem Ergebnis, dass ein gesundes Körpergewicht, regelmäßige Bewegung und der Verzehr von Gemüse, Obst und Vollkornprodukten das Sterberisiko von Tumorpatienten um fast 50 Prozent reduziert [7]. •
Literatur
[1] World Health Organization (2018): Cancer Key Facts. http://www.who.int/en/news-room/factsheets/detail/cancer
[2] Bhaskaran K. et al. Bodymass index and risk of 22 specific cancers: a population-based cohort study of 5·24 million UK adults. Lancet 2014 Aug 30;384(9945):755-65.
[3] Andersson T. M. et al. Avoidable cancer cases in the Nordic countries – The impact of overweight and obesity. Cancer. 2017 Jul;79: 106-118.
[4] Nunez C. et al. Obesity, physical activity and cancer risks: Results from the Cancer, Lifestyle and Evaluation of Risk Study (CLEAR). Cancer Epidemiol. 2017 Apr;47: 56-63.
[5] Kerr J. et al. Physical activity, sedentary behaviour, diet, and cancer: an update and emerging new evidence. Lancet Oncol. 2017 Aug; 18(8): e457e471.
[6] World Cancer Research Fund International (2007): Ernährung, körperliche Aktivität und Krebsprävention. Eine globale Perspektive. www.wcrf.org/sites/default/files/german.pdf
[7] Van Blarigan E. L. et al. Association of Survival With Adherence to the American Cancer Society Nutrition and Physical Activity Guidelines for Cancer Survivors After Colon Cancer. JAMA Oncol. 2018 Apr, DOI: 10.1001/jamaoncol.2018.0126.
Quelle:
Vorträge im Rahmen der Veranstaltung “Ernährung 2018” in Kassel.